Konstantin von NotzDIE GRÜNEN - Stärkung der Resilienz kritischer Anlagen
Moin, Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Krankenhäuser und Wasserwerke werden angegriffen, Pipelines angebohrt, Seekabel zerstört, LNG-Terminals attackiert, Drohnen fliegen über Atomkraftwerke, Chemieparks und Bundeswehrstandorte. Spionage, Sabotage, Zerstörung: All das gehört mittlerweile in Europa, in Deutschland zu unserem Alltag, und zu all dem, Herr Seif, haben Sie nichts gesagt.
(Lamya Kaddor [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Absolut! – Detlef Seif [CDU/CSU]: Alles das besteht, Herr von Notz! Aber Ihr Gesetz löst das nicht! Das ist absoluter Murks! Wir sind uns einig, dass wir das lösen müssen!)
Ich frage mich, in was für einer Bubble Sie eigentlich leben. Also, Sie erzählen, wie es in Köln ist. Aber das ist die Lage: Täglich erleben wir neue Angriffe auf unsere kritischen Infrastrukturen, liebe Kolleginnen und Kollegen.
(Lamya Kaddor [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Richtig!)
Wir müssen diese Lebensadern unserer Demokratie endlich mit einer gänzlich anderen Entschlossenheit schützen.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP – Detlef Seif [CDU/CSU]: Das hätte die Regierung machen sollen in den letzten drei Jahren! – Gegenruf der Abg. Lamya Kaddor [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Dann beteiligen Sie sich doch daran!)
Als Grüne mahnen wir diesen echten Schutz, Herr Seif, seit Jahren an. Er ist notwendig, und es ist eilig – vor allem wegen einer deutlich gestiegenen Bedrohungslage seit dem Beginn des völkerrechtswidrigen Angriffskrieges Putins gegen die Ukraine.
(Detlef Seif [CDU/CSU]: Das stimmt! Alles richtig!)
Es gibt beim digitalen Schutz Vorarbeiten, auf die man sehr gut aufbauen kann und aufbauen muss, um auch beim Schutz physischer KRITIS endlich voranzukommen. Es braucht glasklare Zuständigkeiten, zum Beispiel für die Infrastruktur unter Wasser, wie wir es jeden Tag sehen, aber auch für Sicherheitsmaßnahmen gegen Gefahren aus der Luft, zum Beispiel durch Drohnen. Es geht um die Vernetzung des Schutzes digitaler und physischer Strukturen, und dafür steht das KRITIS-Dachgesetz.
(Detlef Seif [CDU/CSU]: Gerade nicht!)
Und weil es so wichtig ist, mahnen wir seit dreieinhalb Jahren sozusagen an, dass dieses Gesetz endlich kommt. Und das kann ich jetzt dem Staatssekretär nicht ersparen: Vier Referentenentwürfe – da hat Herr Seif völlig recht – und dreieinhalb Jahre später hier kein KRITIS-Dachgesetz zu haben, ist in Zeiten eines hybriden Krieges gegen die Bundesrepublik Deutschland und Europa einfach zu wenig, und es ist ein massives Sicherheitsproblem, liebe Damen und Herren.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)
Das direkte Resultat dieser leicht verschnarchten Sicherheitspolitik ist ein EU-Vertragsverletzungsverfahren gegen die Bundesrepublik Deutschland. Die Europäische Kommission hat offenbar keine Lust mehr, zuzusehen, wie viele Länder, auch Deutschland, klare Vorgaben gerade in diesen Zeiten nicht umsetzen. Ich kann Ihnen sagen: Auch wir hätten uns ein deutlich ambitionierteres Vorgehen wirklich gewünscht,
(Josef Oster [CDU/CSU]: Wir auch! – Sebastian Hartmann [SPD]: Wir auch!)
und das haben wir hier auch öffentlich – Herr Oster, Sie wissen das; Sie verfolgen die Debatten genau –
(Josef Oster [CDU/CSU]: Das stimmt! – Detlef Seif [CDU/CSU]: Da hat er recht!)
mehrfach zum Ausdruck gebracht. Auch ich habe das hier häufig ans BMI adressiert.
(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Zuruf des Abg. Sebastian Hartmann [SPD])
Das ist alles Schnee von gestern und „spilled milk under the bridge“. Jetzt geht es darum: Was machen wir als demokratische Fraktionen dieses Hauses in dieser Situation? Und da kann ich Ihnen sagen – das ist jetzt der entscheidende Gedanke, Herr Seif, und deswegen haben wir das überhaupt aufgesetzt –: Es kann jetzt nicht zwölf Monate lang einen Stillstand der Rechtspflege geben. Das ist völlig unmöglich.
(Marc Henrichmann [CDU/CSU]: Hätte Olaf Scholz die Vertrauensfrage schneller stellen sollen! Ihr verzögert doch!)
Sie sehen doch, was los ist. Gestern ist bekannt geworden, dass ein Hubschrauber der Bundeswehr mit Leuchtspurmunition und wahrscheinlich auch noch anders beschossen worden ist.
(Alexander Hoffmann [CDU/CSU]: Und was ändert Ihr Gesetz jetzt daran?)
Wir haben jeden Tag diese hybriden Angriffe gegen die kritische Infrastruktur.
Ich kann nur sagen: Bei NIS 2 sind wir nach vielen Anpassungen sehr weit; beim KRITIS-Dachgesetz ist der Änderungsbedarf auch nach der Anhörung der Expertinnen und Experten längst nicht so hoch. Deswegen kriegen wir die Kohärenz noch hin, wenn Sie gewillt sind, das zu machen. Und ich kann Ihnen sagen: Wenn Sie mit der Wirtschaft reden, merken Sie: Die wollen das ja auch.
(Marc Henrichmann [CDU/CSU]: Aber die wollen keine Bürokratie! – Gegenruf der Abg. Lamya Kaddor [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Arbeiten Sie doch an dem Entwurf mit! Dann machen wir das doch!)
Deswegen wäre es einfach ein Wahnsinn, wenn wir diese aktuelle Bedrohungslage ignorieren und hier parteipolitische Spielchen treiben.
(Detlef Seif [CDU/CSU]: Das sind doch keine parteipolitischen Spielchen! Es geht hier um ein wichtiges Gesetz!)
Irgendwann kommt vielleicht die Union in die Regierung, und dann fangen wir noch mal bei Adam und Eva an; dann kriegen wir in 16 Monaten ein solches Gesetz. Das ist unverantwortlich, meine Damen und Herren.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)
Deswegen appelliere ich in aller Kollegialität, Herr Oster, an Ihre Fraktion, sich das genau anzugucken. Dass das nicht perfekt ist, auch aus Sicht der Grünen – geschenkt. Aber dass es eine deutliche Verbesserung der Sicherheit Deutschlands wäre,
(Lamya Kaddor [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist notwendig!)
wenn wir das KRITIS-Dachgesetz jetzt machen und nicht zwölf Monate warten würden,
(Detlef Seif [CDU/CSU]: Warum denn zwölf?)
dass das der Sicherheit in Deutschland unmittelbar helfen würde, darüber kann man auch nicht streiten.
Deswegen: Geben Sie sich einen Ruck! Machen Sie mit! Erhöhen Sie die Sicherheit für Deutschland in diesen schwierigen Zeiten!
Ganz herzlichen Dank.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP – Detlef Seif [CDU/CSU]: Wird eben nicht erhöht durch dieses Gesetz!)
Vielen Dank, Herr Kollege von Notz. – Nächste Rednerin ist die Kollegin Sandra Bubendorfer-Licht, FDP-Fraktion.
(Beifall bei der FDP)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7618891 |
Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 203 |
Tagesordnungspunkt | Stärkung der Resilienz kritischer Anlagen |