Kordula Schulz-AscheDIE GRÜNEN - Pflegefachassistenzeinführungsgesetz
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Emmi Zeulner, du weißt, dass ich dich sehr schätze, aber dass du hier eine Wahlkampfrede zu einem Thema hältst, bei dem ihr längst hättet handeln müssen und können – ihr hattet Jahrzehnte Zeit –,
(Heike Baehrens [SPD]: Genau! – Gegenruf des Abg. Patrick Schnieder [CDU/CSU])
das finde ich wirklich eine Unverschämtheit.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)
Deine Rede passt auf die Marktplätze in Bayern.
Ich komme jetzt zum Thema.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD – Zuruf der Abg. Emmi Zeulner [CDU/CSU])
Seit mehr als 30 Jahren wissen wir, dass in unserer Gesellschaft langsam, aber sicher ein nie dagewesener demografischer Wandel stattfinden wird: mit einer steigenden Anzahl von älteren Menschen – glücklicherweise auch dank der steigenden Lebenserwartung – und einer abnehmenden Zahl von Menschen im erwerbsfähigen Alter. Dies führt zu erheblichen gesellschaftlichen Veränderungen – im gesellschaftlichen Zusammenleben, für die Wirtschaft, für den Arbeitsmarkt, für den Sozialstaat und vermutlich auch für die Demokratie.
Besonders eklatant ist diese Entwicklung im Bereich der Pflege. Wir spüren es ja schon: durch eine massiv steigende Nachfrage nach Pflege, eine Belastung der pflegenden Angehörigen, der Familien und letztendlich auch einen zunehmenden Fachkräftemangel in diesem Bereich. Es gibt nicht die eine gute Lösung, sondern jetzt, zu diesem Zeitpunkt, da so viel versäumt wurde in der Vergangenheit, brauchen wir mehrere, brauchen wir vielfältige Lösungen, und zwar möglichst schnell.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)
Wir brauchen soziale Teilhabe. Wir brauchen Prävention von Pflegebedürftigkeit vor Ort, wo die Menschen leben. Wir brauchen finanzielle und organisatorische Unterstützung für die pflegenden Familien, die Zu- und Angehörigen. Und wir brauchen emanzipierte Fachpflege, Menschen in Fachpflegeberufen, die mit den anderen Gesundheitsberufen auf Augenhöhe zusammenarbeiten – zugunsten der Pflegebedürftigen, der Familien und der Gesellschaft.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Die Menschen in Pflegeberufen mit ihren pflegerischen, medizinischen und sozialen Kompetenzen sind im Zentrum des demografischen Wandels, um die Menschen zu unterstützen und zu versorgen. Und die Pflege kennt viele unterschiedliche Qualifikationen: von der Pflegehilfe über die Fachpflege bis zum Masterabschluss. Das macht es spannend und unglaublich vielfältig.
Deswegen, meine Damen und Herren, möchte ich jetzt zum Pflegefachassistenzeinführungsgesetz kommen, das wir heute beraten. Derzeit haben wir – auf diese Absurdität möchte ich besonders hinweisen – 27 verschiedene Pflegeassistenz- und -helferausbildungen in Deutschland. Das führt dazu, dass Menschen mit diesen Ausbildungen nicht in andere Bundesländer umziehen und dort ihren Beruf ausüben können. Das führt dazu, dass die Menschen keine einheitlichen Aufstiegschancen in ihren Pflegeberufen haben. In einer Zeit, in der sich die demografische Situation derart zuspitzt, sind das doch Bereiche, die längst hätten angegangen werden müssen.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des Abg. Erich Irlstorfer [CDU/CSU])
Ich bin froh, dass es diese Koalition, die gesamte Koalition – die FDP kann ruhig klatschen –, geschafft hat, dies auf den Weg zu bringen.
Dieses Pflegefachassistenzeinführungsgesetz ist auch deswegen so bedeutend, weil wir Probleme mit der Anerkennung ausländischer Assistenzfachberufe haben. Deswegen brauchen wir ganz dringend eine bundeseinheitliche Regelung, damit wir überhaupt international anschlussfähig bleiben. Wir stehen im Wettbewerb um Fachkräfte aller Art und besonders im pflegerischen Bereich in Europa und wahrscheinlich sogar in der ganzen Welt, wenn wir das genau betrachten.
Ohne vernünftige Konstruktion der Pflegeberufe – Einwanderung/Zuwanderung in diese Berufe, Ausbildung in diesen Berufen und verschiedene Stadien und Qualifikationsstufen dieser Berufe – werden wir es nicht schaffen. Wir werden mit diesem Gesetz den Ausbildungsdschungel in Deutschland beenden.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)
Das Pflegefachassistenzeinführungsgesetz – ein etwas langer Name – ist das Ergebnis eines langen Arbeitsprozesses zusammen mit den Bundesländern, übrigens auch mit Bayern. Ich möchte den Bundesländern ausdrücklich danken; denn ohne die Bundesländer gäbe es diesen Prozess nicht, könnten wir dieses Gesetz heute überhaupt nicht vorlegen.
(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Von daher sollte man vielleicht auch der CSU noch mal den Hinweis geben, wie die Position der eigenen Landesregierung ist.
(Heike Baehrens [SPD]: Jawoll!)
Mit dieser 18-monatigen Ausbildung – wir hätten uns gerne noch mehr vorgestellt – schaffen wir es endlich, den Beruf angemessen weiterzuentwickeln, Menschen in diesem Beruf attraktive Ein- und Aufstiegsmöglichkeiten zu eröffnen und junge Menschen für diesen Beruf zu begeistern.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)
Ich würde mich sehr freuen, wenn es uns gelingen würde, dieses Gesetz tatsächlich vor dem Ende dieser Legislaturperiode zu verabschieden. Das ist seit vielen, vielen Jahren überfällig.
(Emmi Zeulner [CDU/CSU]: Ja! – Zuruf der Abg. Simone Borchardt [CDU/CSU])
Das Gleiche würde ich mir übrigens auch für das Pflegekompetenzgesetz wünschen. Wir werden Pflege brauchen, werden komplexe Pflegesituationen meistern müssen, um den Menschen in unserem Land tatsächlich helfen zu können.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)
Nach zwölf Jahren Berufspolitik in zwei Landesparlamenten und nach zwölf Jahren hier im Bundestag werde ich mich verabschieden. Ich werde mich verabschieden aus dem Bundestag, aber Sie können sicher sein, dass ich mich nicht aus der Pflegepolitik verabschieden werde.
Ich möchte mich bei allen Kolleginnen und Kollegen, mit denen ich zusammengearbeitet habe, und auch bei denen, mit denen ich weniger Kontakt hatte, die aber auch sehr nett waren,
(Heiterkeit bei Abgeordneten der FDP)
ganz herzlich für die Zusammenarbeit bedanken. Ganz besonders möchte ich mich auch bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Bundestages bedanken. Das gilt für die Mitarbeiter in den Ausschusssekretariaten, aber auch für die vielen anderen, die hier unterwegs sind.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD, der CDU/CSU und der FDP sowie bei Abgeordneten der AfD)
Das gilt – ich bin ja die Vorsitzende der Parlamentariergruppe Östliches Afrika – auch für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die Übersetzerinnen und Übersetzer, die mich die ganzen Jahre begleitet haben. Das war eine der tollsten Aufgaben, die man überhaupt haben kann. Deswegen ganz herzliches Dankeschön!
Als Krankenschwester habe ich gelernt, dass man manchmal nerven muss, um Erfolge zu haben. Und ich kann Ihnen versprechen, dass ich auch in Zukunft nerven werde: für gute Pflege in Deutschland.
Danke schön.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD, der CDU/CSU und der FDP sowie bei Abgeordneten der AfD – Die Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN, der SPD, der CDU/CSU und der FDP erheben sich)
Vielen Dank, Frau Kollegin Schulz-Asche. Auch Ihnen für das Leben außerhalb des Parlamentes alles Gute!
Liebe Kolleginnen und Kollegen, der Kollege Jens Teutrine, FDP-Fraktion, hat seine Rede zu Protokoll gegeben.
(Beifall bei der AfD)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7618912 |
Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 203 |
Tagesordnungspunkt | Pflegefachassistenzeinführungsgesetz |