Gerald UllrichFDP - Wettbewerbsfähige Rahmenbedingungen für Unternehmen
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Daten sprechen für sich. Der Geschäftsklimaindex ist im November wieder gesunken. Deutschland ist von einem schwachen Wachstum geprägt. Die OECD erwartet für nächstes Jahr für Deutschland ein Wachstum von 0,7 Prozent, für Europa von 1,3 Prozent und für die USA von 2,4 Prozent. Die Daten wurden hier eigentlich schon genannt. Laut Statistischem Bundesamt liegt die Anzahl der Regelinsolvenzen – da stimme ich Ihnen nicht zu, Herr Außendorf – im ersten Halbjahr des Jahres 2024 ungefähr ein Viertel über dem Wert des Vorjahres, und sie liegen auch über dem Vor-Corona-Niveau. Das ist eine entscheidende Tatsache.
(Dr. Klaus Wiener [CDU/CSU]: Ganz genau!)
Das ist das, was uns nicht passieren darf.
Und ganz aktuell die Meldungen vom Oktober, die heute veröffentlicht wurden: Im Oktober stellten Industrie, Bau und Energie zusammen 1 Prozent weniger her, im September waren es 2 Prozent. Kein Grund zur Freude.
Werte Kollegen, die hohe Anzahl von Insolvenzen ist nur ein Symptom eines viel größeren Problems, das wir in unserem Land haben: fehlende Strukturreformen, und das seit Jahrzehnten. Auf internationaler Ebene spricht man leider wieder vom kranken Mann Europas. Die Hauptgründe für die schwächelnde Wirtschaft sind die fehlende Planungssicherheit und die schlechten Rahmenbedingungen; das wissen wir alle. Wir brauchen einen schlanken und effektiven Staat, der die Probleme der Bürger löst und der wieder die Unternehmen in den Mittelpunkt setzt. Ich persönlich als Unternehmer habe es wirklich schon geraume Zeit satt, dass man mich nicht einfach meine Arbeit machen lässt. Dann kämen wir viel schneller und viel günstiger weiter.
Ich möchte nur mal drei Punkte nennen – es mag dem einen oder anderen vielleicht lächerlich erscheinen; aber es zeigt, wie die deutsche Wirtschaft sich mit unnötigen Dingen beschäftigen muss –:
Erstens: Bürokratie. Wir bestellen in meiner Firma seit über 20 Jahren ein Reinigungsmittel für Werkzeuge. Neuerdings müssen wir dafür unterschreiben, dass wir das nicht zum Bombenbau einsetzen, und das jedes Mal, wenn wir das bestellen. Wir müssen unterschreiben, einen Reiniger nicht zum Bombenbau einzusetzen!
(Heiterkeit bei Abgeordneten der FDP – Zuruf von der SPD)
– Ja, konnte ich leicht bestätigen.
Ein Kraftfahrer bei uns trägt Arbeitsschutzschuhe. Er bekommt Einlagen verschrieben. Ungefähr 6 Seiten musste er ausfüllen. 13 Seiten musste die Firma ausfüllen. Der Arzt, der das noch mal bestätigt, hat 4 Seiten ausgefüllt. Mit dem Ergebnis: Der Antrag wurde abgelehnt, weil das eigentlich die Berufsgenossenschaft bezahlen muss.
(Stephan Thomae [FDP]: Ein Irrsinn!)
Letztendlich hat er seine Arbeitsschutzschuhe und seine Einlagen bekommen; das ist ganz klar.
Zweitens: Fachkräftemangel. Wir müssen mit einem sehr aufwendigen IHK-Projekt bis nach Vietnam fahren und müssen dort unsere Fachkräfte abholen, weil es einfach nicht möglich ist, die Regeln in Deutschland so zu vereinfachen, dass wir relativ zügig Fachkräfte hier zu uns kriegen können. Das ist teuer und aufwendig, kann ich Ihnen sagen.
Drittens: Lohnniveau. Es wurde schon mehrfach gesagt: Ja, der Mindestlohn bremst uns. 1 Euro mehr bedeutet ja nicht, dass der Arbeitnehmer auch 1 Euro mehr hat; er hat meistens nur 60 bis 70 Cent davon. Die Firma hingegen muss weit über 1 Euro dafür ausgeben. Das Geld kommt doch nicht von ungefähr. Es kann doch nur aus dem Gewinn genommen werden. Das heißt, bei diesen per Politik angeordneten Lohnerhöhungen werden die Gewinne der Unternehmen schrumpfen und damit dann natürlich auch die Investitionen. Das ist doch völlig normal.
Die Taxonomie ist ein Hemmschuh bei uns allen in den Unternehmen.
(Stephan Thomae [FDP]: Ja!)
Wir Kunststoffunternehmen wissen nicht, was in den Taxonomieregeln genau drinstehen wird. Ob wir noch in Zukunft günstige Kredite kriegen werden oder ob wir zu den Bösen gehören, weil wir Kunststoff verarbeiten: Ich habe keine Ahnung. Aber es macht doch unsicher. Wir sind ein kleiner Mittelständler. Wir werden hierbleiben; da muss sich niemand Gedanken machen. Aber andere haben andere Möglichkeiten.
Es wurde hier auch schon dieses wirklich stille Sterben von Betrieben genannt, das wir haben, die einfach aufgrund der schlechten Situation keine Nachfolger haben. Sie werden sehen: Das wird sich noch weiter ausdehnen.
Auch ich möchte mit Ludwig Erhard enden: „Der Markt ist der einzig demokratische Richter, den es überhaupt in der modernen Wirtschaft gibt.“ Lassen Sie sich das bitte auf der Zunge zergehen! Ich behaupte immer wieder: Der Markt kann es richten, wenn man ihn lässt.
Ein Wort noch an Sie, Herr Merz: Sie sehen, was im Moment in Schleswig-Holstein los ist. 300 Millionen Euro dieser 600 Millionen Euro hat dort ein CDU-Wirtschaftsminister mit Northvolt versenkt.
(Enrico Komning [AfD]: So ist es!)
Das muss man auch sagen; das gehört leider zur Wahrheit dazu.
Ich danke Ihnen vielmals.
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der AfD)
Für die AfD-Fraktion hat das Wort Dr. Malte Kaufmann.
(Beifall bei der AfD)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7619005 |
Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 204 |
Tagesordnungspunkt | Wettbewerbsfähige Rahmenbedingungen für Unternehmen |