Christian DürrFDP - Ukrainepolitik
Vielen Dank. – Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte mit einem Zitat beginnen:
„Putins Krieg bedeutet eine Zäsur, auch für unsere Außenpolitik. So viel Diplomatie wie möglich, ohne naiv zu sein, dieser Anspruch bleibt. Nicht naiv zu sein, das bedeutet aber auch, kein Reden um des Redens willen.“
Das waren die Worte des Bundeskanzlers am 27. Februar 2022 von genau diesem Pult aus. Also das heißt, dann zu reden, wenn es einen wirklichen Anlass gibt, zu reden. Am 15. November dieses Jahres dann das Telefonat mit dem russischen Präsidenten Putin, das der ukrainische Präsident Selenskyj mit den Worten konnotiert hat: Dieses Telefonat hat die Büchse der Pandora geöffnet. – Was er damit meinte, konnten wir auf schreckliche Art und Weise einen Tag später sehen. Wenn wir uns anschauen, wie verheerend die Angriffe waren, mit denen Russland auf die sogenannten Friedensbemühungen des Bundeskanzlers geantwortet hat, dann bleibt nur eine Frage: War dieses Telefonat mit Putin noch Naivität, oder war das schon Wahlkampf, Herr Bundeskanzler?
(Beifall bei der FDP)
Vor einer Woche, auf einer Konferenz der SPD, sagte Olaf Scholz: „Mit der Sicherheit Deutschlands spielt man nicht Russisch Roulette.“ Das war ein Angriff auf die Mehrheit dieses Hauses – Grüne, Christdemokraten und Freie Demokraten –, nämlich indem er sich zumindest indirekt des russischen Narrativs bedient hatte: Wer weitreichende Waffensysteme liefert, der könnte sogar einen Atomkrieg in Europa provozieren. – Das ist das Narrativ von Wladimir Putin. Ich sage in aller Deutlichkeit: Wem es wirklich um Frieden geht, der unterstützt die Ukraine damit, was sie wirklich braucht, und zwar gerade deswegen, weil es auch um den Frieden in Europa geht, liebe Kolleginnen und Kollegen.
(Beifall bei der FDP)
Stattdessen wird über Geldzahlung gesprochen, auch am Abend des Endes der Ampelkoalition. Es wird davon gesprochen, auf welchem Platz Deutschland, wenn man die relativen Zahlen nimmt, liegt; in absoluten Zahlen stellt sich das natürlich anders dar. Da stellt man sich übrigens die Frage, ob ein Bundeskanzler der Sozialdemokraten, die ja sagen, starke Schultern müssten mehr schultern, da seinen Worten Taten folgen lässt. Sie ruhen sich auf den Summen aus, während unsere Freunde in Polen, in Skandinavien und im Baltikum im Verhältnis wesentlich mehr schultern. In den neuen Formaten, beispielsweise dem des polnischen Präsidenten Tusk, ist Deutschland mittlerweile isoliert bzw. ist überhaupt nicht mehr an Bord.
Meine Damen und Herren, ich will es in aller Deutlichkeit sagen: Selbstverständlich werden wir die Ukraine auch weiter finanziell unterstützen – keine Frage! Am Abend des Endes der Koalition habe ich dem Bundeskanzler und den Partnern ausdrücklich zugesagt, dass diese 3 Milliarden Euro im Haushalt zu stemmen sind und dass wir das hinbekommen. Aber ich glaube, diese Zahlen sollen eines verdecken, nämlich dass man das, was die Menschen in der Ukraine wirklich brauchen, nicht liefern will, und das bedauerlicherweise aus parteitaktischen Gründen. Das ist unredlich, um das in aller Deutlichkeit zu sagen.
(Beifall bei der FDP)
Ein weiterer Punkt. Der Bundeskanzler selbst hat immer wieder zu Recht gesagt – und wir haben uns da bisweilen auch schützend vor ihn gestellt –: Wir stimmen uns mit den Partnern ab und gehen im Gleichschritt mit unseren amerikanischen Freunden. – Der amerikanische Präsident hat jetzt die Kraft gehabt, den Weg für Waffen mit großer Reichweite freizumachen. Ich frage: Wo bleibt jetzt der Gleichschritt?
(Stephan Thomae [FDP]: Ja!)
Steht der Bundeskanzler zu seinem Wort und macht jetzt den Weg für die Lieferung von Taurus-Marschflugkörpern frei?
(Stephan Thomae [FDP]: Offenbar nicht!)
Das steht in Rede, meine Damen und Herren.
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Darum geht es jetzt ganz konkret nach der amerikanischen Entscheidung.
Die SPD und der Bundeskanzler haben immer wieder versucht, ihr Zögern und Zaudern als Besonnenheit zu verkaufen. Am Ende hat der Bundeskanzler, beispielsweise bei der Lieferung von Panzern, immer nachgegeben und geliefert; aber eigentlich war es immer zu wenig, und es war immer zu spät. Ich fordere den Bundeskanzler auf, seinen eigenen Ankündigungen auch im Verhältnis zum westlichen Bündnis jetzt Taten folgen zu lassen. Das gebietet die Redlichkeit, und das wäre Friedenssicherung in Europa, meine Damen und Herren.
(Beifall bei der FDP)
Zum Schluss. Ab dem 20. Januar werden wir eine neue Administration im Weißen Haus haben. Ja, das könnte die Lage verändern. Aber anstatt vor Donald Trump zu zittern und in Schockstarre zu verfallen, muss Europa doch jetzt erst recht sicherheitspolitisch erwachsen werden, jetzt erst recht Verantwortung für die eigene Sicherheit übernehmen, jetzt erst recht die Möglichkeiten schaffen.
(Zurufe von der SPD)
– Die Zwischenrufe finde ich jetzt spannend. Ja, wo ist denn das „Jetzt erst recht!“, meine Damen und Herren? Jetzt geht es doch darum, die Ukraine zu unterstützen. Wenn nicht jetzt, wann dann?
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Das wäre redlich, liebe Kolleginnen und Kollegen.
Deswegen sage ich eines: In den kommenden Jahren, insbesondere dann, wenn das Sondervermögen für die Bundeswehr verausgabt ist, wird es auch darauf ankommen, wie stark Europa und wie stark Deutschland ist. Unsere geopolitische Stärke ist gerade in diesen herausfordernden Zeiten unmittelbar mit unserer wirtschaftlichen, mit unserer ökonomischen Stärke verbunden. Das heißt, wer jetzt etwas dafür tut, dass Deutschland wieder wirtschaftlich stark wird, der tut auch etwas für Friedenssicherung. Davon war von der SPD bisher faktisch nichts zu hören, genauso wenig wie bei der Unterstützung der Ukraine. Meinen Sie es endlich ernst, meine Damen und Herren! Jetzt ist der Zeitpunkt gekommen.
Ich danke Ihnen.
(Beifall bei der FDP – Dr. Joe Weingarten [SPD]: Was ist nur aus der FDP geworden?)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7619015 |
Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 204 |
Tagesordnungspunkt | Ukrainepolitik |