06.12.2024 | Deutscher Bundestag / 20. WP / Sitzung 204 / Zusatzpunkt 26

Joe WeingartenSPD - Ukrainepolitik

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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrter Herr Botschafter! Lieber Oleksij! Wladimir Lenin hat vor mehr als 100 Jahren mal von den nützlichen Idioten im Dienste Moskaus gesprochen. Ich glaube, er hat nicht damit gerechnet, dass das 100 Jahre später immer noch stimmt.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP – Thomas Erndl [CDU/CSU]: Und im Deutschen Bundestag!)

Meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, die sozialdemokratische Bundestagfraktion ist stets willig, einen Antrag zugunsten der Ukraine zu unterstützen; denn der Freiheitskampf, den das angegriffene Land bestehen muss, verdient eine breitestmögliche Unterstützung der demokratischen Kräfte dieses Hauses. Aber der hier vorliegende Antrag macht das unmöglich; denn er reiht sich ein in die sprachliche Maßlosigkeit, die die Auftritte der FDP seit einigen Wochen prägt. Das schadet dem gemeinsamen Ziel. Ich bedaure das umso mehr, als ich die Kollegen der FDP im Verteidigungsausschuss in den letzten Jahren als fachlich kompetent, kollegial und menschlich angenehm erlebt habe.

(Gerold Otten [AfD]: Strack-Zimmermann!)

Aber jetzt dominiert nur noch der politische Angriff in einer aggressiven, insbesondere den Bundeskanzler persönlich angreifenden Sprache und einer militärischen Rhetorik von Aggression und wechselseitiger Zerstörung, die sehr nahe bei der „D-Day“-Rhetorik Ihres Parteichefs Christian Lindner liegt.

(Zuruf des Abg. Dr. Marcus Faber [FDP])

Wenn von Angriffen „auf militärische Ziele wie Munitionsdepots, Versorgungsrouten und Kommandoposten weit hinter den Frontlinien“ die Rede ist, wenn also weit nach Russland hinein mit deutschen Waffen militärisch vorgegangen werden soll, dann bringt das eine Diktion in unsere Debatte, die die Gräben größer macht, als das vernünftig ist.

Ein einseitiges, nur auf militärische Muster ausgerichtete Denken prägt diesen Antrag. Außerdem ignoriert er eigene Erkenntnisse, die noch vor wenigen Monaten galten. Ich zitiere Sie, Herr Fraktionsvorsitzender Dürr. In einem Interview zu Beginn dieses Jahres haben Sie gesagt:

„Der Antrag der Union“

– da ging es auch um die Lieferung von Taurus –

„ist reine Symbolpolitik, denn über Waffenlieferungen entscheidet die Bundesregierung, nicht das Parlament.“

Das gilt auch heute noch.

(Christian Dürr [FDP]: Der Unterschied ist erstens, dass die Amerikaner sich umentschieden haben, und zweitens, dass der Bundeskanzler damit Wahlkampf macht!)

Die Verantwortung für die gelieferten Waffen und die sicherheitspolitischen Konsequenzen trägt der Bundeskanzler. Und er nimmt sie dankenswerterweise auch unmissverständlich wahr.

Aber, liebe Kolleginnen und Kollegen, der Antrag ist auch inhaltlich falsch. Die Wirkmächtigkeit und technologische Überlegenheit des Systems Taurus ist entscheidend und unverzichtbar für die Sicherheit Deutschlands.

(Zuruf von der SPD: So ist es!)

Es war deshalb politisch und juristisch sehr genau abzuwägen, welche logistischen Voraussetzungen für einen Einsatz in der Ukraine geschaffen werden müssten, wie das unsere eigenen Fähigkeiten einschränken würde und wer denn die notwendige Programmierung durchführen könnte, ohne Deutschland unmittelbar – mit Soldaten oder Zivilisten – in diesen Krieg hineinzuziehen; denn das wollen wir auf gar keinen Fall.

Stattdessen will die FDP, genauso wie es die Union in der Vergangenheit getan hat, die Frage der Lieferung von Taurus-Marschflugkörpern zu einer Gewissens- und Bekenntnisfrage hochstilisieren. Das ist falsch und führt inhaltlich zu gar nichts. Es steht völlig außer Frage, dass die sozialdemokratische Bundestagfraktion mit dem Bundeskanzler an der Seite der Ukraine steht. Und wir stehen auch, und zwar alle, hinter der Zielsetzung des Kanzlers, Deutschland nicht in diesen Krieg hineinziehen zu lassen, sondern, im Gegenteil, unsere gesamten politischen, militärischen, wirtschaftlichen und diplomatischen Möglichkeiten zu nutzen, um diesen Krieg zu beenden. Dass man dabei erklären muss, dass ein Telefonat zu genau diesen Möglichkeiten gehört, ist schon ein bisschen armselig.

(Beifall bei der SPD)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, dieser Krieg wird sich nicht durch noch so viele Waffenlieferungen allein beenden lassen. Für ein Ende der Angriffe auf die Ukraine braucht es mehr: nicht nur militärische und politische Hilfen, sondern auch die Bereitschaft, über diplomatische Lösungen auf dem Weg zu einem Schweigen der Waffen nachzudenken, wie das sowohl der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj als auch der ehemalige NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg jüngst getan haben.

Ansonsten bitte ich um mehr Ernsthaftigkeit in der Sache. Dass Sie als FDP-Fraktion allen Ernstes behaupten, die – noch dazu beschleunigte – Abgabe militärischen Materials der Bundeswehr an die Ukraine ließe sich allein durch – ich zitiere – „entsprechende Priorisierung des Bundeshaushaltes“ ersetzen, ist finanzpolitisch naiv.

(Christian Dürr [FDP]: Das ist die Realität!)

Oder es ist der billige Versuch, soziale und andere nachhaltige politische Notwendigkeiten gegen die Verteidigung auszuspielen – das wäre noch dazu dumm.

(Beifall bei der SPD)

Meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen von der FDP, wenn Sie eine stärkere Ausrüstung der Bundeswehr gemeinsam mit uns durchsetzen wollen, dann lösen Sie sich endlich von Ihrem finanzpolitischen Dogma der Schuldenbremse!

(Beifall bei der SPD – Christian Dürr [FDP]: Was mit der Sache nichts zu tun hat! Im Gegenteil!)

Für die Ukraine, für die Glaubwürdigkeit der FDP und für das Debattenniveau in diesem Haus wäre es besser gewesen, wenn dieser FDP-Antrag niemals gestellt worden wäre. Wir werden ihn keinesfalls unterstützen.

Danke schön.

(Beifall bei der SPD)

Für die Gruppe Die Linke hat das Wort Dr. Gregor Gysi.

(Beifall bei der Linken)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7619021
Wahlperiode 20
Sitzung 204
Tagesordnungspunkt Ukrainepolitik
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