Jens SpahnCDU/CSU - Übertragungsnetzkosten, Treibhausgasemissionshandel
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Minister Habeck, es ist schon eine besondere Form wahrscheinlich grüner Dialektik, diejenigen massiv zu beschimpfen, um deren Zustimmung man doch eigentlich werben will. Ich kann Ihnen nur sagen: So funktioniert das nicht.
(Heiterkeit des Abg. Michael Kruse [FDP] – Widerspruch beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
So funktioniert das im Privaten nicht. So funktioniert das hier nicht. Das war kein guter Ansatz.
(Gabriele Katzmarek [SPD]: Aber jetzt!)
Der Minister Robert Habeck hat auf dem grünen Parteitag gesagt, er will „die großen Probleme unserer Zeit mit Antworten … bearbeiten, die groß genug sind“.
(Zuruf vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Das macht er bereits!)
Das Problem ist groß, ohne Zweifel. Die energieintensive Industrie in Deutschland ächzt unter den hohen Stromkosten.
(Zuruf des Abg. Bernhard Herrmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Investitionen wandern in Scharen ab. Hunderttausende Jobs sind weg oder wackeln. Die Hütte brennt. Das Problem ist riesig. Nur, ist es Ihre Antwort auch? Ist Ihre Antwort im Sinne Ihres eigenen Zitats, Herr Minister Habeck, groß genug für dieses große Problem unserer Zeit? Die einfache und offensichtliche Antwort ist: Nein, das ist sie nicht.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Ich kann Ihnen dafür drei Gründe nennen.
Erstens. 1,3 Milliarden Euro für die Netzentgelte sind schlicht zu wenig, ein Tropfen auf dem heißen Stein.
(Heiterkeit und Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Sara Nanni [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das hat er selbst gesagt! – Markus Hümpfer [SPD]: Sie wollen ja nicht mehr mitmachen!)
– Jetzt warten Sie mal! – Für viele Unternehmen und Verbraucher bedeutet das im Ergebnis nicht einmal eine Senkung, weil viele auf der Umspannebene sind. thyssenkrupp Steel, Dillinger Hütte, DB, Linde: Für alle auf der Umspannebene ist das nicht einmal eine Senkung, nur eine geringere Steigerung. Das, was Sie hier vorlegen, ist eine Mogelpackung, aber keine Entlastung. Deswegen kann es unsere Zustimmung nicht finden.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Zweitens. Sie verbreiten hier Hektik.
(Sara Nanni [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Hektik?)
Man müsse jetzt schnell beschließen. Die Wahrheit ist – und das sagen ja auch die Übertragungsnetzbetreiber und die Netzbetreiber –: Die Umsetzung, weil sie erst jetzt beschlossen wird, wird sowieso frühestens im April, im zweiten Quartal möglich sein, weil alles schon festgelegt ist.
(Mahmut Özdemir [Duisburg] [SPD]: Sagen Sie doch mal was zu den Schadensersatzforderungen in Ihrer Zeit als Gesundheitsminister!)
Das kann also eine neue Regierung nach dem 23. Februar ganz in Ruhe machen. Es ist also keine Hektik nötig, liebe Kolleginnen und Kollegen.
(Beifall bei der CDU/CSU – Mahmut Özdemir [Duisburg] [SPD]: Schadensersatz des Gesundheitsministeriums! Sagen Sie mal was dazu!)
Und drittens. Das ist eigentlich das Bemerkenswerteste an Ihrer Drucksache – ich zitiere aus Ihrem Gesetzentwurf –:
„Der Zuschuss zur anteiligen Finanzierung der Übertragungsnetzkosten … soll durch Mittel des ...“
– ich wiederhole: Punkt, Punkt, Punkt –
„finanziert werden.“
Durch Mittel des Punkt, Punkt, Punkt. Was soll das sein? Ich weiß nicht, ob je eine Regierung die Chuzpe hatte, hier in den Deutschen Bundestag eine Bundestagsdrucksache einzubringen, ein Gesetz, in dem bei der Finanzierung steht, die Mittel werden aus dem „Punkt, Punkt, Punkt“ erbracht.
(Zuruf des Abg. Mahmut Özdemir [Duisburg] [SPD])
In Wahrheit wissen Sie noch gar nicht, wie Sie es finanzieren sollen. Allein deswegen ist dieses Gesetz schon nicht beratungsfähig.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Das habe ich ja noch nie gesehen, dass in einer Bundestagsdrucksache „Punkt, Punkt, Punkt“ steht.
Man muss es also zusammenfassen: Robert Habeck und die rot-grüne Restregierung betreibt hier hektische Flickschusterei.
(Gabriele Katzmarek [SPD]: Jetzt kommt Ihr Vorschlag!)
Drei Jahre lang haben Sie die deutsche Industrie in diese schwere Krise geschickt.
(Mahmut Özdemir [Duisburg] [SPD]: Sagen Sie mal was zu den Schadensersatzforderungen aus Ihrer Zeit als Gesundheitsminister! – Gabriele Katzmarek [SPD]: Jetzt kommt Ihr Vorschlag, Herr Spahn! Aber jetzt!)
Und jetzt kommen Sie hier kurz vor Toresschluss mit halbgaren Scheinlösungen um die Ecke.
(Gabriele Katzmarek [SPD]: Jetzt kommt Ihr Vorschlag!)
Ein Gesamtkonzept, wie wir wieder ein attraktiver Standort für die energieintensive Industrie werden, fehlt.
Kollege Jens Spahn, gestatten Sie eine Frage oder Bemerkung aus der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen?
Sehr gerne sogar.
Herr Kollege Spahn, vielen Dank, dass Sie die Frage zulassen. – Wenn Sie hier darstellen, dass die Hütte brennt oder die Wirtschaft kollabiert:
(Zuruf von der CDU/CSU: Seit zwei Jahren!)
Glauben Sie nicht, dass Sie mitverantwortlich sind?
Ich gebe Ihnen mal ein Beispiel. Ein Unternehmer aus Zwickau meinte zu mir, er habe im letzten Jahr Milliarden investiert. Er war dazu bereit, den Umschwung im Wärmesektor mitzugestalten und das Heizen für die Mitbürgerinnen und Mitbürger auf erneuerbare Energien umzustellen. Er hat investiert, hat Geld in die Hand genommen. Unter anderem dank Ihrer Aussagen und den Überschriften von Springer und Co bleibt er jetzt auf diesen Kosten sitzen.
(Zuruf von der CDU/CSU: Das war doch Ihr Heizungsgesetz!)
Glauben Sie dementsprechend nicht, dass Sie mitverantwortlich sind für diese wirtschaftliche Lage bei den Unternehmen?
Ich habe es noch nicht verstanden: Warum bleibt er auf den Kosten sitzen?
Er bleibt auf den Kosten sitzen, weil Sie mit Ihren abscheulichen Falschnachrichten Behauptungen aufstellen, die Sie überhaupt nicht belegen können. Herr Spahn, Sie haben letzte Woche erzählt, dass Ihre eigene Mutter eine Ölheizung – –
Das Format nennt sich aber Frage oder Bemerkung und nicht Dialog. Also, ich bitte darum, das jetzt zu einem Punkt zu bringen.
Ich nenne ein weiteres Beispiel. Sie haben in der letzten Woche dargestellt, dass Ihre Mutter eine Ölheizung besitzt. Das Heizen mit dieser Ölheizung wird in der Zukunft teurer werden. Dementsprechend: Herr Spahn, bitte lassen Sie uns jetzt zusammenarbeiten,
(Stephan Brandner [AfD]: Wo ist denn die Frage?)
gemeinsam nach vorne gehen und Lösungen finden, sodass wir gemeinsam dieses Land voranbringen.
(Michael Kruse [FDP]: Er bietet Schwarz-Grün an!)
Sehr geehrter Herr Kollege, es spricht grundsätzlich nichts dagegen. Aber jetzt schauen wir noch mal, warum wir in dieser wirtschaftlichen Lage sind. Wir haben heute schon eine Wirtschaftsdebatte geführt, in der in den Reden von Rot-Grün ein Wort regelmäßig fehlt, nämlich „Wachstum“. Wir haben Ihnen ein Land in Wachstum übergeben. Wir haben Ihnen ein Land übergeben, das die längste Phase wirtschaftlichen Wachstums in der Geschichte der Bundesrepublik hatte.
(Beifall bei der CDU/CSU – Zuruf des Abg. Mahmut Özdemir [Duisburg] [SPD])
Wir haben Ihnen ein Land übergeben, in dem die meisten Unternehmen die beste Zeit ihrer Unternehmensgeschichte hatten. Und Sie haben daraus in drei Jahren ein Land in der Rezession und im wirtschaftlichen Abstieg gemacht. Das ist die Folge Ihrer Politik, in ganz einfachen Worten.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Für die Lage der Unternehmen sind Sie mit Ihren Entscheidungen verantwortlich.
(Zurufe vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Zu Ihrer zweiten Frage – ich bin noch gar nicht fertig – will ich noch eins sagen, Herr Kollege. Millionen Menschen in Deutschland haben eine Ölheizung. Die Bedenken der Menschen – das ist der entscheidende Punkt und wird immer gerne aus dem Kontext gerissen – und die Art und Weise, wie über die Menschen diskutiert wird, die sich Sorgen machen, ob sie sich eine Investition von 10 000, 20 000 oder 30 000 Euro eigentlich leisten können, und sich fragen, ob es Wege jenseits der Wärmepumpe gibt, CO2 zu sparen, haben Sie mit System ignoriert. Sie haben mit Ihrem Habeck’schen Heizungsgesetz dieses Land in die Frustration, in die Enttäuschung, in die Verunsicherung geführt. Und dabei bleiben wir: Es gibt keine Planungssicherheit für Unsinn. Wir werden es wieder abschaffen, liebe Kolleginnen und Kollegen.
(Beifall bei der CDU/CSU – Zurufe von der SPD)
Selbst die Industrie sagt ja – auch heute Morgen wieder –: Lasst das lieber! Weite Teile der Industrie sagen: Keine Hektik, macht ein Gesamtkonzept nach der Wahl! – Deswegen wollen und werden wir, die Union, gemeinsam mit Friedrich Merz die Stromsteuer und die Netzentgelte strukturell durch die CO2-Einnahmen senken – dauerhaft, planbar und verlässlich für die deutsche Industrie. Wir brauchen keine hektische Flickschusterei, sondern eine echte Wirtschaftswende. Ihr halbgares Gesetz wird unsere Zustimmung nicht finden.
(Beifall bei der CDU/CSU – Zurufe von der SPD)
Das Wort hat Dr. Nina Scheer für die SPD-Fraktion.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7619042 |
Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 204 |
Tagesordnungspunkt | Übertragungsnetzkosten, Treibhausgasemissionshandel |