06.12.2024 | Deutscher Bundestag / 20. WP / Sitzung 204 / Zusatzpunkt 29

Thomas HeilmannCDU/CSU - Heizungsgesetz

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Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebe Kollegen! Ich habe mir überlegt, dass ich einen Teil meiner Redezeit darauf verwende, zu erklären, warum der Klimawandel ein zunehmendes Problem ist – übrigens auch für die Wählerinnen und Wähler der AfD. Ich weiß, dass Sie nicht belehrbar sind, aber vielleicht sind es ja die Zuschauer draußen: Der Anstieg von CO2 ist ein – übrigens seit mehr als 100 Jahren – physikalisch umfassend erklärtes Phänomen. CO2 in der Luft sorgt dafür, dass die Wärme auf der Erde bleibt und nicht entweichen kann.

(Marc Bernhard [AfD]: Das habe ich doch eben schon erklärt!)

– Das bestreiten Sie manchmal gar nicht.

Aber dann sagen Sie ja, das sei eine natürliche Entwicklung.

(Zuruf von der AfD: Alle werden sterben!)

Auch das ist – wenn Sie im Physikunterricht aufgepasst haben, wissen Sie das – physikalisch zu erklären, weil Sie anhand der Isotopenanalyse feststellen können, aus welchen Quellen das CO2 kommt. Über die Isotopenanalyse können Sie eindeutig nachweisen, dass die Verbrennung fossiler Energien für den CO2-Anstieg verantwortlich ist.

Ja, auch die Wärmewende kostet Geld.

(Steffen Janich [AfD]: Ja, Steuergeld!)

Ich will Sie nur darauf hinweisen, dass die Erderwärmung – wir steuern jetzt auf 3 Grad zu – noch viel teurer sein wird. Und die Wähler, die Sie schützen wollen, werden später mit den Folgen dieser Erderwärmung konfrontiert sein. Man denkt vielleicht, 3 Grad seien gar nicht so viel. Zwischen der Eiszeit vor 20 000 Jahren und heute liegen nur 4 Grad Unterschied.

Herr Kollege, möchten Sie eine Zwischenfrage aus der AfD zulassen?

Auch das.

(Zurufe von der SPD: Ach, nein! – Stephan Brandner [AfD]: Mutig! Respekt! – Mike Moncsek [AfD]: Das ist Demokratie!)

Vielen Dank, Herr Kollege Heilmann, dass Sie die Zwischenfrage zulassen. – Sie haben jetzt ausgeführt, dass aufgrund der Zunahme des Anteils von CO2 in der Atmosphäre die Temperatur steigt. Können Sie mir und den Zuschauern, also auch unseren Wählern, erklären, welche Gründe es für den Temperaturanstieg um 4 bis 5 Grad vor circa 11 000 Jahren gab, als die letzte große Eiszeit zu Ende gegangen ist? Denn zu dem Zeitpunkt war der CO2-Gehalt relativ stabil, und 4 bis 5 Grad sind schon ein relativ großer Temperaturunterschied. Also, welche Gründe gab es da, wenn es nicht das CO2 gewesen sein kann?

Es gab Erderwärmungs- und Erdabkühlungsphasen, die nichts mit CO2 zu tun haben. Ich kann jetzt in der Antwort natürlich nicht die gesamte Geologie darstellen. Aber es gab – darauf spielen Sie ja offensichtlich an – auch Erwärmungsphasen, die auf CO2 beruhen, insbesondere durch Vulkanausbrüche. Diese Veränderungen des CO2-Gehalts in der Luft

(Zuruf des Abg. Jörn König [AfD])

haben sich über mehrere Tausend Jahre, manchmal über mehrere Zehntausend Jahre abgespielt und haben zu dramatischen Veränderungen der geologischen Landschaft in der Welt geführt. Etwa war England in der Eiszeit keine Insel, die Nordsee war nicht Meer, sondern Land, die Ostsee ein sehr kleines Binnengewässer, und es wären damals, wenn schon Menschen gelebt hätten, Leute zwischen England und Schleswig-Holstein gestorben.

Wenn jetzt die Erderwärmung so schnell, innerhalb eines Jahrhunderts, voranschreitet und zu derartigen Klimaveränderungen führt, dann werden die entsprechenden Anpassungsleistungen von einer, maximal zwei Generationen der Menschheit und damit von 8 Milliarden Menschen zu leisten sein. Sie müssten, um es mal anfassbar zu machen, wahrscheinlich einen Großteil der Bevölkerung Afrikas nach Sibirien umsiedeln. Wie soll das eigentlich finanziell gehen? Wie wollen Sie das friedlich schaffen?

Wir müssen dafür sorgen, dass die Erderwärmung nicht in dem Maße zunimmt, wie sie es jetzt tut. Und deswegen müssen wir etwas dafür tun, dass wir die Erde defossilieren. Das heißt, dass wir den fossilen CO2-Ausstoß, der durch die Verbrennung von Öl und Gas entsteht, in der Welt reduzieren.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der Linken)

Das ist eine sehr schwierige Aufgabe. Es ist leider auch eine sehr teure Aufgabe. Aber die Haltung der AfD: „Wir tun so, als gäbe es das Problem nicht“ verlagert das Problem lediglich in die Zukunft. Mit dieser Grundhaltung wollen wir nichts gemein haben. Deswegen – und das ist die Antwort auf Ihre Frage – werden wir Ihrem Antrag nicht zustimmen.

(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der FDP und der Linken)

Das ist sozusagen der erste Teil.

Nun ist dies die letzte Rede, die ich im Deutschen Bundestag zu dem Thema halten darf. Deswegen würde ich gerne Ihnen von der Koalition noch ein paar Dinge sagen, und zwar in der sachlichen Art, lieber Herr Herrmann, in der ich das meistens versuche zu tun.

Ihnen ist es nicht gelungen, deutlich zu machen, dass es Unterschiede gab zwischen dem ersten Entwurf des Heizungsgesetzes, den Sie ursprünglich vorgelegt hatten, und dem zweiten Entwurf, den Sie dann verabschiedet haben und in dem es in der Tat nennenswerte Veränderungen gab. Das lag daran, dass Sie das hier im Parlament schnell, nämlich in einer Woche – und das, wie Sie ja seit dem Beschluss des Verfassungsgerichts wissen, auch noch in verfassungswidriger Weise –, gemacht haben. Das Verfahren dient eben nicht nur dazu, dass ein Abgeordneter wie ich gründlich Zeit bekommt, sich mit der Materie auseinanderzusetzen, um insbesondere Ihnen als Regierungsmehrheit deutlich zu machen, wo man es eigentlich besser machen kann, sondern es dient eben auch dem Verständnis der Bürgerinnen und Bürger. Deswegen ist der Fingerzeig auf alle anderen, dass sie ja das Gesetz verhetzt hätten, um es vorsichtig zu sagen, sehr einseitig.

(Bernhard Herrmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja!)

Insofern würde ich mich freuen, wenn ich Ihnen am Schluss meiner parlamentarischen Laufbahn noch ins Stammbuch schreiben darf: Es gibt Gründe, warum in einem demokratischen Verfahren bestimmte Spielregeln gelten und auch bestimmte Zeit sich genommen wird, Dinge zu analysieren.

(Beifall bei der Linken – Bernhard Herrmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Richtig!)

Es ist ja zu Ihrem eigenen Schaden gewesen; denn das Heizungsgesetz ist ja praktisch das Symbol des Versagens dieser Ampelregierung.

(Beifall des Abg. Mike Moncsek [AfD])

Die Kritik daran ist wahrscheinlich auch ein bisschen ungerecht und zu umfangreich, weil Sie in einigen Punkten recht haben und anderen Punkten nicht. Aber der Kompromiss ist auch im Detail nicht gut; denn in der Tat finde ich es, anders als die FDP, total sinnvoll, dass wir in Neubauten Ölheizungen verbieten. Insofern wäre die Rückkehr zum alten Heizungsgesetz ein Fortschritt.

Jetzt will ich noch etwas zur Kommunikation in diesem Wahlkampf sagen, weil ich darauf angesprochen worden bin. Nicht alles, was in dem neuen Heizungsgesetz steht, ist falsch. Vieles ist zu bürokratisch. Manches ist nicht klimaschützend genug. Insbesondere wird draußen bis heute nicht verstanden, was wir da eigentlich regeln oder was Sie da geregelt haben.

Insofern wäre ein Neustart auch eine Chance, die Wärmewende noch mal von vorne zu beginnen und zu sagen: Warum brauchen wir als Gesellschaft eigentlich einen Umbau unserer Heizungssysteme? Es wäre zudem eine Chance, zu überlegen – und da sind wir, glaube ich, ganz anderer Meinung als Sie; da bin ich mal sehr gespannt, wie damit in den künftigen Koalitionsverhandlungen umgegangen wird –, ob wir nicht sagen: Wir steuern das über die Menge des CO2-Ausstoßes in den Heizungskellern und nicht über bestimmte Technologien. – Das sage ich nicht, weil die Wärmepumpe eine schlechte Technologie ist. Wir sind uns in der Union alle einig, dass die Wärmepumpe für sehr viele Gebäude eine richtige Technologie ist. Deswegen muss ich sie aber noch lange nicht als einzige Lösung vorschreiben.

(Bernhard Herrmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Macht auch keiner! Macht niemand! – Helmut Kleebank [SPD]: Wer macht das?)

– Na ja, de facto ist es mit der Regelung, dass Heizungen zu mindestens 65 Prozent mit erneuerbaren Energien betrieben werden müssen, schon in dieser Fassung so.

Deswegen wären andere Methoden, insbesondere wenn wir sie regional staffeln würden, sinnvoll, damit wir dort, wo ein Umbau Richtung Wärmepumpe viel schwieriger ist als in anderen Gebieten, in bestimmten Fällen mit Biogasquoten oder Ähnlichem arbeiten können. All das müsste man sich noch mal von vorne so angucken, dass das Ergebnis ist, dass wir die Bevölkerung mitnehmen.

(Zuruf des Abg. Konrad Stockmeier [FDP])

Deswegen würde ich Sie zum Abschied bitten, zu überlegen, ob man nicht mit einem gemeinsamen Anlauf in der neuen Legislaturperiode die Bevölkerung stärker davon überzeugen kann, dass und wie eine Wärmewende funktionieren kann.

Ich darf mich abschließend hier bei allen Kollegen für das kollegiale Miteinander bedanken. Ich darf mich bei meinem Büro bedanken. Ich möchte – vielleicht überraschend – Kerstin Griese hier noch mal zum Geburtstag gratulieren; denn ich habe meine Tätigkeit im Ausschuss für Arbeit und Soziales mit dir, liebe Kerstin, begonnen. Wenn du jetzt, am Geburtstag, hier Sitzungsdienst hast, dann, finde ich, hast du einen Glückwunsch verdient.

Ich bedanke mich sehr herzlich und freue mich, Sie alle in anderer Funktion wiederzusehen.

(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der FDP und der Linken sowie des Abg. Karsten Hilse [AfD])

Vielen Dank, Kollege Heilmann. – Das Wort hat der Kollege Taher Saleh für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7619064
Wahlperiode 20
Sitzung 204
Tagesordnungspunkt Heizungsgesetz
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