Fritz GüntzlerCDU/CSU - Errichtung einer Spitzensport-Agentur
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuhörerinnen und Zuhörer! Heute debattieren wir es nun: Das Sportfördergesetz – Frau Poschmann hat sich ja gar nicht mehr eingekriegt – hat den Deutschen Bundestag erreicht. Der Prozess ist geschildert worden; über zwei Jahre ist debattiert worden. Es gab zwei Referentenentwürfe, die vom organisierten Sport in Bausch und Bogen in die Tonne geklopft worden sind. Nun liegt ein Gesetzentwurf der Bundesregierung vor, und es sollte ein geordnetes Verfahren geben. Dieses Verfahren ist nun sozusagen überholt durch einen Antrag von Bündnis 90/Die Grünen und den Sozialdemokraten.
Da stellen sich schon Fragen: Warum das alles? Warum die Eile, die hier auf einmal an den Tag gelegt wird, nachdem es zunächst erst im nächsten Jahr eine Anhörung geben sollte, nachdem man davon ausging, dass frühestens Mitte des nächsten Jahres das Gesetz kommt? Da muss man doch fragen: Wo liegt das Motiv? Das Motiv liegt nicht da, wo Sie es zu verorten versucht haben, Frau Kollegin Poschmann: dass dieser Bundestag seine Tätigkeit spätestens Ende Februar einstellt. Vielmehr liegt es darin, dass Sie ein Ablenkungsmanöver planen.
(Canan Bayram [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Oh ja! Große Verschwörung!)
Sie wollen einfach nicht, dass es mal eine ehrliche Bilanz Ihrer Sportpolitik gibt, die Ihre Tätigkeit – oder man muss schon sagen: Untätigkeit – aufzeigt.
(Johannes Steiniger [CDU/CSU]: Nix passiert!)
Denn drei Jahre Ampel sind drei verlorene Jahre für den deutschen Sport gewesen, meine Damen und Herren.
(Beifall bei der CDU/CSU – Sabine Poschmann [SPD]: Das sehen die Sportler aber anders!)
Um in der Sportlersprache zu sprechen: Sie versuchen jetzt kurz vor Schluss oder in der Nachspielzeit, noch ins Spiel zu kommen und mit der Brechstange sich zum Erfolg zu verhelfen. Das lassen wir Ihnen nicht durchgehen; denn das Gesetz, das Sie angesprochen haben und das wir heute debattieren, ist gewollt. Aber die Menschen – oder diejenigen, die davon betroffen sind – wollen ein gutes Gesetz und nicht irgendein Gesetz. Von daher bedarf es einiger Dinge.
Aber bevor ich dazu komme, möchte ich doch mal in Erinnerung rufen, was Sie alles im Koalitionsvertrag, dem sogenannten Fortschrittsvertrag, im Bereich Sport versprochen haben – was alles nicht gekommen ist –:
Sie haben einen Entwicklungsplan Sport versprochen, der breit diskutiert werden sollte.
(Sabine Poschmann [SPD]: Das haben wir gemacht!)
Beim zweiten Bewegungsgipfel sind die Landessportbünde gar nicht mehr gekommen. Die haben Ihnen gesagt: Ein unentschlossenes, unehrliches, unverbindliches Verhalten der Bundesregierung zerstört das Vertrauen.
Jetzt haben Sie im November etwas vorgelegt, das mit dem, was Sie versprochen haben, rein gar nichts zu tun hat; denn es deckt die Breite nicht ab.
Das Zentrum für Safe Sport gibt es nach wie vor nicht.
Sie haben gesagt, Sie starten eine Offensive für Investitionen in Sportanlagen – wir wissen ja, dass wir einen Investitionsstau von über 31 Milliarden Euro haben –;
(Sabine Poschmann [SPD]: Lenken Sie nicht vom Thema ab! – Zuruf des Abg. Johannes Steiniger [CDU/CSU])
aber das Gegenteil haben Sie gemacht. Jedes Sportstätteninfrastrukturprogramm haben Sie auf null gesetzt. Wenn das die Offensive ist, dann hab Dank!
Dann denke ich an die ganzen Beratungen zum Haushalt 2024, als diese Bundesregierung erst alles gekürzt hat und Sie erst im Haushaltsverfahren eingreifen mussten, um die Mittel zu erhöhen.
(Sabine Poschmann [SPD]: Exakt!)
Von daher sollte man ganz in Ruhe mal betrachten, was Sie gemacht haben im Bereich Sport: nämlich gar nichts. Sie haben auf ganzer Linie versagt, was die Sportpolitik angeht. Deshalb versuchen Sie sich jetzt in den letzten Minuten mit einem Tor zu retten; und das erlauben wir Ihnen nicht.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Aber worum geht es? Sie haben die Spitzensportförderung angesprochen. Ich teile alles, was Sie zu der Frage gesagt haben, wie wichtig der Spitzensport ist. Wir haben schon 2016 mit der Spitzensportreform versucht, einiges vernünftiger zu machen und zu besseren Erfolgen zu kommen.
(Sabine Poschmann [SPD]: Hat ja nicht geklappt!)
Das Ergebnis ist leider sehr ernüchternd. Von daher ist es richtig, dass wir Veränderungen brauchen. Ich spreche auch gar nicht gegen ein Sportfördergesetz.
(Sabine Poschmann [SPD]: Dann stimmen Sie doch zu!)
Ich finde bloß, das Sportfördergesetz muss gut und richtig gemacht werden. Fragen, die noch geklärt werden müssen, sind zum Beispiel:
Ist die Rechtsform der Agentur im Rahmen einer Stiftung richtig? Das kann man nicht mal eben besprechen.
Der Bundesrat hat übrigens einstimmig in seinem Innenausschuss mit 16 : 0 Stimmen einem Antrag von Bayern zugestimmt. Darin wird beklagt, dass es – anders als im Grobkonzept angesprochen – überhaupt keine Definition von Spitzensport gibt, anders als zum Beispiel im österreichischen Sportgesetz.
(Sabine Poschmann [SPD]: Ja, das kann man ja ändern!)
Wir haben kein Besserstellungsverbot bei der Anstellung von Spitzenpersonal im Sport im Entwurf.
Sie haben zwar eine Festbetragsfinanzierung für die Verbände eingeführt mit einer Evaluation nach sechs Jahren. Und was ist dann? Wenn ich dann evaluiere und feststelle, dass es gut ist, dann schreibe ich es wieder rein? Man kann das fortsetzen.
Der Bundesrat kritisiert – ich glaube, zu Recht –, dass es nicht die versprochenen vereinfachten Entscheidungs- und Umsetzungsprozesse gibt, sondern stattdessen einen Stiftungsrat mit 18 Personen und einen Sportfachbeirat mit 18 Personen. Das Entscheidendste ist: Über dem Ganzen steht ja eigentlich die Unabhängigkeit der Agentur. Und die ist in dem Fall nicht gegeben.
Das Bundesinnenministerium hat weiterhin – das sage ich, auch wenn die Gefahr besteht, dass wir hoffentlich bald wieder den Bundesinnenminister stellen – noch zu viel Einfluss.
Kollege, gestatten Sie eine Frage oder Bemerkung?
Dann brauche ich nicht so schnell weiterreden. Gut.
Herr Kollege Güntzler, ich habe Sie als immer sehr sportlichen und kooperativen Gegenüber im Sportausschuss kennengelernt. Sie schlagen jetzt ja diverse Veränderungen für das Sportfördergesetz vor. Frau Poschmann hat ja das Angebot unterbreitet, dass Sie im parlamentarischen Verfahren auf uns zugehen können. Argumentieren Sie jetzt nur noch aus Ihrer Position als Oppositionspolitiker, oder argumentieren Sie auch für den Sport? Und würden Sie auf uns zukommen und das Gesetz dann proaktiv mitgestalten?
(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Canan Bayram [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sehr gute Frage! – Johannes Steiniger [CDU/CSU]: Hauruckverfahren!)
Herr Kollege, ich argumentiere als Teil der zukünftigen Bundesregierung;
(Heiterkeit bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD, des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP – Canan Bayram [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Zum Glück überschätzen Sie sich nicht!)
denn dann machen wir das Gesetz nämlich vernünftig.
Herr Dr. Wollmann, genauso kann ich zurückgeben: Ich schätze auch Sie wegen Ihrer sachlichen Art. Ich habe ja nur einige Punkte nennen können. Wenn Sie mit Verantwortlichen aus dem organisierten Sport reden, dann sagen die Ihnen auch: Es ist „nicht alles Gold, was glänzt.“ Das steht wortwörtlich in der Stellungnahme des DOSB.
(Zuruf der Abg. Sabine Poschmann [SPD])
Es gibt erhebliche Dinge, die wir ändern müssen. Das sollte man nicht einfach so im Hauruckverfahren machen. Die Anhörung findet – wenn überhaupt – Ende Dezember, Anfang Januar statt. Und wenn man Sachverständige einlädt und das ernst nimmt, dann sollte man sich auch die notwendige Zeit nehmen, die Dinge auszuarbeiten und sie sich genau anzusehen. Das geht nicht von heute auf morgen.
Die Zeit haben Sie in der Bundesregierung verspielt,
(Johannes Steiniger [CDU/CSU]: So ist es!)
weil Sie viel zu lange gebraucht haben, dieses Gesetz auf den Weg zu bringen. Uns das jetzt unterzuschieben, ist kein ganz fairer Umgang. Von daher wird der Sport in Deutschland weiter funktionieren, und der Sport wird mit unserer Hilfe von der nächsten Bundesregierung ein super Sportgesetz kriegen. Das kann ich Ihnen zusagen.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Der wichtigste Punkt ist also die Unabhängigkeit der Agentur, die nicht gegeben ist. Wichtige Entscheidungen in Personal- und Haushaltsangelegenheiten obliegen weiterhin der Zustimmung der Mitglieder des BMI im Stiftungsrat usw. usw.
Ich glaube, ein entscheidender Punkt, über den wir gemeinsam noch mal reden sollten und den wir von heute auf morgen auf keinen Fall hinbekommen, ist die Frage, ob wir dieses Gesetz nicht auch zu einem Leistungsgesetz machen sollten. Denn wir reden über die Verteilung der Förderung; wir reden in keinem Punkt über die Höhe der Förderung. Wäre es also nicht klug, eine Fördermindestgrenze in dieses Gesetz zu schreiben, damit es auch dort Planungssicherheit gibt? Ich weiß, wir geben da als Haushaltsausschuss einiges weg – –
Diese Erörterung müssen Sie bitte an anderer Stelle fortsetzen.
Das werde ich dann gerne tun. Vielen Dank, Frau Präsidentin.
Ich danke für die Aufmerksamkeit.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat nun Tina Winklmann das Wort.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des Abg. Philipp Hartewig [FDP])
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7619076 |
Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 204 |
Tagesordnungspunkt | Errichtung einer Spitzensport-Agentur |