06.12.2024 | Deutscher Bundestag / 20. WP / Sitzung 204 / Zusatzpunkt 35

Carsten MüllerCDU/CSU - Aktuelle Stunde: Abschaffung Paragraf 188 StGB - Politikerbeleidigung

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Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die AfD suggeriert hier eine angebliche Vorzugsbehandlung von Politikern. Wir haben bei Ihnen häufig das Problem, die Sachverhalte zu erfassen oder – ich will es mal in Kurzform bringen – zu lesen und zu verstehen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Stephan Brandner [AfD]: Tanzen Sie es doch mal vor, Herr Müller!)

Es geht gar nicht um die Frage, ob Politikerinnen oder Politiker im Allgemeinen geschützt sind, sondern bei ihrer Tätigkeit; das ist Teil des objektiven Tatbestandes.

Ich will jetzt mal etwas unjuristisch nachfragen.

(Stephan Brandner [AfD]: Das machen Sie immer!)

Es wäre doch mal spannend, Folgendes herauszufinden: Die AfD beruft sich auf § 188 alter Fassung. Es wäre doch ein dickes Ding, wenn nach Ihrem schlechten Vortrag hier, Herr Kollege Brandner

(Zuruf von der AfD: Der war gut!)

– für Sie reicht es aus –,

(Zuruf des Abg. Stephan Brandner [AfD])

sich erwiese, dass es ausgerechnet auch Fälle in der AfD gebe, die sich auf § 188 neuer Fassung beziehen. Also, das muss man noch mal im Nachgang dieser Diskussion klären: Wie sieht es eigentlich mit den Majestäten der AfD aus? Eine spannende Frage! Vielleicht bekommen wir eine Antwort.

(Dunja Kreiser [SPD]: Doppelmoral! – Stephan Brandner [AfD]: Erklären Sie es mal! – Stefan Keuter [AfD]: Haben Sie es recherchiert? Fakten!)

Meine Damen und Herren, wir müssen es einordnen.

(Stephan Brandner [AfD]: Der § 188 ist geltendes Recht!)

– Ja, aber Sie wollen ihn abschaffen.

(Stephan Brandner [AfD]: Ja, genau!)

Und dann hält man sich an das, was man eigentlich abzuschaffen fordert, am besten erst mal selbst.

Wir müssen noch mal das Ganze in den Kontext einpacken. Wann wurde diese Regelung geschaffen? Sie wurden nicht isoliert geschaffen. Sie wurde im Rahmen eines Paketes geschaffen,

(Stephan Brandner [AfD]: Gegen Hass und Hetze!)

und zwar im Nachgang des Mordes an Walter Lübcke.

(Canan Bayram [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja, so war das!)

Das haben Sie nämlich vergessen, weil Sie und Ihre Spießgesellen die geistigen Urheber dieser Mordtat waren.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD, des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP – Zuruf von der AfD: Eijeijei!)

Und, meine Damen und Herren, es hat sich bewährt.

Zum Thema der Erheblichkeit wird später ausgeführt werden. Ich möchte eines allerdings noch mal klarstellen: Die Regelung des § 188 in der aktuellen Fassung – –

(Stefan Keuter [AfD]: Ich dachte, kein Bier vor vier! – Gegenruf des Abg. Stephan Brandner [AfD]: Herr Müller hatte viel Bier vor vier!)

– Sie sind begründetermaßen aufgeregt. Ich finde das gar nicht uninteressant.

(Heiterkeit bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)

Die Regelung des § 188 neuer Fassung erfasst die über das Maß einer sachlichen, auch verschärften Auseinandersetzung hinausgehenden Beleidigungen. Und demjenigen, der gern auf Diffamierung, auf Herabsetzung, auf persönliche Herabwürdigung setzt, wie es eben die AfD häufig macht – es gibt auch andere –, entzieht diese Regelung dann das Fundament der vermeintlich politischen Arbeit.

Ich muss hier allerdings noch eines ansprechen. Natürlich kann man sich fragen, wie der Einzelne mit dieser Regelung umgeht. Ich finde es schon ein bisschen bedenklich, dass man von Fällen mit Hunderten Anzeigen liest, und dann mitbekommt, wie diese zustande kommen. Nach meiner Auffassung jedenfalls ist die Idee des § 188 StGB nicht, dass man KI einsetzt, um Sachverhalte zu ermitteln, oder dass man das Ganze automatisiert. Wenn man so vorgeht, dann ist das aus meiner Sicht ein Zeichen von mangelnder Souveränität; denn zur Wahrheit gehört auch: Wer sich im politischen Bereich äußert und engagiert, der muss auch mit deutlicher Kritik umgehen können und mit ihr leben – allerdings, wie gesagt, nicht über das Maß hinaus.

Ich möchte an dieser Stelle noch einmal eine Idee rekurrieren, die die SPD-Justizministerin aus Niedersachsen hatte. Sie möchte hier die Schwellen deutlich herabsetzen. Ehrlich gesagt machen wir das nicht mit. Das geht dann schon sehr in die Richtung von Sonderrechten für Politikerinnen und Politiker,

(Stephan Brandner [AfD]: Mit Merz wird es schon gehen!)

und das wollen wir ausdrücklich nicht. Das würde nämlich genau solchen Schreihälsen wie hier zur ganz Rechten einen Teil der Argumentation an die Hand geben. Es ist wichtig, dass wir Hass und Hetze entschlossen entgegentreten. Da müssen wir hohe Ansprüche haben.

Meine Damen und Herren, ein Appell an uns alle: Mit einem solchen Werkzeug ist vorsichtig und sorgfältig umzugehen. Deswegen hat der Gesetzgeber eine Regelung geschaffen, dass eine Person nicht verfolgt werden kann, wenn der Verfolgung einer vermeintlichen Tat nach § 188 StGB widersprochen wird. Es gibt Fälle, in denen die Betroffenen nicht auf die Idee einer Verfolgung gekommen sind. Manchmal ist nicht ein einziger Fall verfolgt worden. Ich habe zum Beispiel in Erinnerung, dass es im Zusammenhang mit unserer vormaligen Kanzlerin Angela Merkel keinen einzigen Fall gab, obwohl Sie von der AfD – ich schaue einmal zum Rechtsfreund Brandner –

(Stephan Brandner [AfD]: Ja, bitte!)

alleine genügend Anlass geliefert hätten. Meine Damen und Herren, auch so kann man damit umgehen. Die CDU geht damit souverän um.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7619088
Wahlperiode 20
Sitzung 204
Tagesordnungspunkt Aktuelle Stunde: Abschaffung Paragraf 188 StGB - Politikerbeleidigung
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