Robin MesaroschSPD - Aktuelle Stunde: Abschaffung Paragraf 188 StGB - Politikerbeleidigung
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Braun, die Hausdurchsuchung, die Sie angesprochen haben, geht nachweislich nicht auf Herrn Habeck zurück, sondern darauf, dass die Person mutmaßlich Grafiken hochgeladen haben soll, auf denen unter anderem „Kauft nicht bei Juden“ stand.
(Jürgen Braun [AfD]: Das stimmt nicht! – Stephan Brandner [AfD]: Das sind Fake News! Sie verbreiten Fake News! Ihre Nase ist ein Stück gewachsen! Eijeijei! – Gegenruf der Abg. Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Doch! Das stimmt! Er hat recht!)
Wollen Sie das verteidigen? Wenn ja, verlassen Sie bitte diesen Saal!
(Beifall bei Abgeordneten der SPD)
Und erklären Sie uns doch mal, wie das zusammenpasst: Es kann in Ihren Augen der Rechtsstaat, wenn sich in diesem Land eine Person mit Migrationshintergrund irgendwas Straffälliges zuschulden kommen lässt, nicht brutal genug vorgehen, aber sobald Ihnen Straftaten ins politische Kalkül passen, dann wollen Sie nach dem Motto vorgehen: Hände hoch, es wird gar nichts mehr getan.
(Beifall bei der SPD – Zuruf des Abg. Jörn König [AfD])
Meine Damen und Herren, die AfD will es ernsthaft leichter machen, Politikerinnen und Politiker zu beleidigen; es soll weniger Strafen geben.
(Stephan Brandner [AfD]: Ja! § 185 gilt für alle!)
Wissen Sie, mein Sohn ist jetzt eineinhalb Jahre alt und lernt gerade sprechen. Als Vater aus Oberschwaben muss ich aufpassen, dass ich mit den Schimpfwörtern jetzt ein bisschen spare, weil ich nicht will, dass seine ersten Worte Beleidigungen sind.
(Mike Moncsek [AfD]: Das bringt er schon aus dem Kindergarten mit!)
Und jetzt kommen Sie und schlagen vor, dass es leichter sein soll, seinen Vater zu beleidigen.
(Stephan Brandner [AfD]: Also, mit anderthalb Jahren muss er sich keine Sorgen machen! – Mike Moncsek [AfD]: Wir sind schon immer beleidigt worden!)
Ihr Antrag hat ganz viele Schwächen. Ich fände es gut, wenn wir uns als Abgeordnete als Erstes fragen: Was vermitteln wir hier eigentlich unseren Kindern? – Das sollte es nicht sein.
(Beifall bei der SPD sowie des Abg. Philipp Hartewig [FDP])
Mein Sohn und ich teilen denselben Nachnamen. Ich finde ihn schön und bin auf ihn stolz. Aber als ich 1994 in den Kindergarten gekommen bin – so wie mein Sohn jetzt in den Kindergarten gekommen ist –, war das kein Nachname, mit dem man da sonderlich viel Spaß hatte. „ Mesarosch, Megafrosch!“ – da kann man was mit anfangen und brutal kreativ sein. Das finden manche witzig; aber Kindern tut das weh.
Was hat das mit Ihrem Antrag zu tun?
(Stephan Brandner [AfD]: Gar nix!)
Wir müssen verstehen, dass es nicht die Schuld der Kinder war, die mich damals beleidigt haben – das betrifft viele Millionen weitere Kinder in Deutschland –; das haben sie von zu Hause mitgebracht. Und auch zu Hause hat sich das niemand ausgedacht, sondern dieser Hass und diese Diskriminierung sind eine gesellschaftliche Krankheit, die es schon immer gab und leider immer geben wird, aber die sich mal weiter ausbreitet und mal weniger.
Sie mit Ihrem Vorgehen hier in diesem Haus tragen dazu bei, dass sich das ausbreitet. Sie geben hier das Vorbild, dass es okay ist, Leute zu beleidigen, dass es nicht so schlimm ist, Politikerinnen und Politiker zu beleidigen,
(Stephan Brandner [AfD]: Das ist nicht schlimmer, als normale Bürger zu beleidigen! – Jörn König [AfD]: Das ist eine reine Unterstellung!)
dass es immer irgendwelche Gründe gibt, beleidigend gegenüber Leuten zu sein, deren Nachnamen man komisch findet, die vielleicht woanders herkommen, die ein anderes Geschlecht haben, die anders aussehen oder die einfach nicht ins Weltbild passen. Das nimmt hier seinen Ausgang, und deswegen werden wir das genau hier stoppen.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Mike Moncsek [AfD]: Was hat das denn jetzt mit Habeck zu tun? Nichts!)
Ich glaube, jeder, der einen Funken Anstand im Leib hat, erkennt, wie falsch dieser Antrag ist, wie albern.
(Stefan Keuter [AfD]: Das ist kein Antrag! Wir sind in einer Aktuellen Stunde! So langsam müsste das mal funktionieren!)
Aber er ist eben nicht nur albern, sondern dahinter steht eine faschistische Strategie, die auch Ihre Vorgängerorganisationen vor 100 Jahren genutzt haben, um eine Demokratie zu zerstören, und damals ist das leider gelungen.
(Stephan Brandner [AfD]: Wen meinen Sie denn damit?)
Wie Sie andeuten, gibt es diesen Paragrafen nicht, weil Politiker mehr wert wären oder weil da das Strafmaß einfach besonders hoch sein muss.
(Stephan Brandner [AfD]: Sondern?)
Ihn gibt es, weil, wenn
(Stefan Keuter [AfD]: „Weil, wenn“!)
wir Politikerinnen und Politiker bei ihrer Amtsausübung, bei ihrer Arbeit beleidigen, wir nicht nur ihr persönliches Ansehen in den Dreck ziehen, sondern auch das Amt. Das wollen Sie strategisch ausnutzen; denn Menschen sind Ihnen sowieso egal.
(Maja Wallstein [SPD]: Richtig! – Mike Moncsek [AfD]: Wahnsinn! Wahnsinn! – Weiterer Zuruf von der AfD: Was für ein Blödsinn!)
Aber es ist Ihr Kalkül, diese Demokratie und alle, die sie verteidigen, in den Dreck zu ziehen, weil dann diejenigen aus dem Weg geräumt sind,
(Maja Wallstein [SPD]: Genau!)
die für Substanz stehen, die sich Leuten in den Weg stellen, die eben andere beleidigen.
(Stephan Brandner [AfD]: Müssen Sie mal strukturieren, die Erzählerei da! Mein Gott! Wo ist denn da der rote Faden?)
Und wenn die Substanz weg ist, dann hat die Stunde der Substanzlosen endlich geschlagen, und dann können Sie Ihren Hass ungezügelt verbreiten.
(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Und bevor dieser Eindruck entsteht: Es geht hier nicht nur um meinen Sohn, es geht hier nicht nur um mich, und es geht nicht nur um uns Bundestagsabgeordnete.
(Jörn König [AfD]: Nein! Es geht um § 188!)
Es geht auch um jede Gemeinderätin, jeden Gemeinderat, um jede Bürgermeisterin, jeden Bürgermeister. Zu viele von ihnen haben heute Angst, ihr Amt auszuüben oder es überhaupt noch anzutreten. Verursacher sind Menschen wie Sie,
(Mike Moncsek [AfD]: Nee! Falsch! Ganz falsch!)
die nicht durch Zufall beleidigen, sondern aus Kalkül, weil Sie die Leute draußen haben wollen. Und das lassen wir nicht zu.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP – Mike Moncsek [AfD]: Das ist ganz falsch, was Sie jetzt gesagt haben!)
Wissen Sie, ich bin kein Ethikprofessor,
(Stephan Brandner [AfD]: Ach so! Ich dachte, schon!)
und ich habe jetzt hier sehr analytisch argumentiert.
(Lachen bei der AfD)
Wenn ich mir anschaue, wie Sie hier sitzen, mit Ihrer Verächtlichkeit, der Arroganz und dem Hass, den Sie hier hineinbringen,
(Stephan Brandner [AfD]: Oje, oje!)
an einen Ort, der mir heilig ist, muss ich sagen: Ich würde Sie beleidigen wollen.
(Zuruf der Abg. Dunja Kreiser [SPD])
Kollege.
Aber ich tue es nicht, weil ich es für einen Fortschritt halte, dass wir uns heute nicht mit Gewalt, nicht mit Worten, sondern mit Argumenten bekämpfen.
(Beifall bei der SPD – Stefan Keuter [AfD]: Frau Präsidentin möchte Sie sprechen! – Jochen Haug [AfD]: Dann sagen Sie das mal der Antifa!)
Und wenn Sie keine Argumente haben, dann verlassen Sie diesen Saal, und kommen Sie nicht mehr zurück!
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Mike Moncsek [AfD]: Wir kommen hier bald mit der doppelten Menge! Bald mit der doppelten Menge werden wir in zwei Monaten hier sitzen! – Stefan Keuter [AfD]: Unfassbar! Wäre der mal beim Poetry-Slam geblieben, dieser Vogel!)
Das Wort hat der Kollege Axel Müller für die CDU/CSU-Fraktion.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7619092 |
Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 204 |
Tagesordnungspunkt | Aktuelle Stunde: Abschaffung Paragraf 188 StGB - Politikerbeleidigung |