Britta HaßelmannDIE GRÜNEN - Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Es passiert alle drei Minuten. Alle drei Minuten erleben eine Frau oder ein Mädchen häusliche Gewalt in unserem Land. Das bedeutet: Allein in der Zeit, während wir diese Debatte führen, könnte es 23 Frauen treffen. Das ist eine schockierende Situation. Das ist die Realität in Deutschland, und dieser Zustand ist nicht hinnehmbar.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD, der CDU/CSU und der FDP)
Im letzten Jahr wurden insgesamt mehr als 180 000 Frauen Opfer häuslicher Gewalt. Hinter jeder dieser Zahlen, meine Damen und Herren – das wissen wir, und das eint uns, weil wir seit vielen Jahren in den Fachausschüssen des Deutschen Bundestages mit Nichtregierungsorganisationen, Unterstützungsinitiativen, Frauen, die in Frauenhäusern arbeiten, Betroffenenorganisationen darüber diskutieren, was das eigentlich real bedeutet –, steht eine Frau, die verletzt, geschlagen, körperlich oder psychisch missbraucht oder sogar getötet wird: von ihrem Partner, dem Vater oder von anderen nahestehenden Menschen. Und immer wieder sehen Frauen diese Täter und sind mit ihnen konfrontiert.
Körperliche Gewalt, sexualisierte Gewalt, psychische Gewalt, geschlechtsspezifische digitale Gewalt – das alles erleben Frauen und Mädchen in diesem Land. Einem Land, das als Fundament Grundgesetz und Rechtsstaatlichkeit hat. Deshalb sind wir als Staat in der Verantwortung, Frauen Schutz zu bieten, und das tun wir nicht in ausreichendem Maße.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP)
Meine Damen und Herren, als ich in den Deutschen Bundestag kam, war mein erster Ausschuss der Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend.
(Leni Breymaier [SPD]: Meiner auch!)
Schon da haben wir darüber geredet, dass die Situation und die mangelnde Versorgung durch Frauenhäuser in unserem Land so keinen Bestand haben dürfen.
Meine Damen und Herren, ich bin seit 2005 Mitglied des Deutschen Bundestages. Bisher ist es zwischen Bund und Ländern nicht gelungen, in einem Gewalthilfegesetz die Finanzierung und die Sicherung von Zufluchtsorten zu verankern, weil sich Bund und Länder – wie in einem Verschiebebahnhof – nicht über die Zuständigkeiten einigen können und keinen gemeinsamen Anknüpfungspunkt finden konnten. Wir können keiner Frau in diesem Land glaubhaft begründen, meine Damen und Herren, warum wir das nicht schaffen.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP)
Es hat nichts damit zu tun, ob die Union mit der SPD oder mit der FDP regiert hat oder ob wir, Bündnis 90/Die Grünen, Regierungsverantwortung hatten. Es ist ein beschämender Befund. Wir haben es bisher einfach gemeinsam nicht geschafft, eine solche Sicherung zu bieten, obwohl sie zwingend notwendig ist.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)
Denn keine Frau, die das erleidet, was ich gerade beschrieben habe, und sich – mit welchem Mut, welcher Verzweiflung – aus dieser Situation herausbegibt, darf dann zu hören bekommen: Wir haben keinen Platz, dich an diesem Zufluchtsort, in diesem Schutzraum aufzunehmen; denn wir haben einfach nicht genug Platz. – Deshalb appelliere ich an alle: Wir brauchen jetzt dringend ein Gewalthilfegesetz. Alle Gespräche zwischen Bund und Ländern sind geführt, und der Bund darf sich nicht aus der Verantwortung ziehen.
Meine Damen und Herren gerade von der CDU/CSU und der FDP, ich habe Ihre Antragsinitiativen gesehen, ich kenne auch Ihren Standpunkt, ich kenne auch Ihr Ringen um all das, was ich gerade angesprochen habe. Ich bitte Sie im Interesse der Frauen und der Mädchen in diesem Land, Ja zu einer klaren Zusage des Bundes zu sagen, Verantwortung zur Mitfinanzierung zu übernehmen. Das sollten wir jetzt entscheiden. Wir sind der Istanbul-Konvention seit 2018 verpflichtet, aber wir lösen das bisher nicht ein.
Lassen Sie uns das in den parlamentarischen Beratungen gemeinsam zum Ende bringen im Interesse der betroffenen Frauen; denn sie haben Zuflucht und Schutz verdient.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)
Es ist ihr Recht, von diesem Staat besser geschützt zu werden.
Vielen Dank.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie des Abg. Knut Gerschau [FDP])
Als Nächste hat das Wort für die CDU/CSU-Fraktion Silvia Breher.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7619105 |
Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 204 |
Tagesordnungspunkt | Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen |