06.12.2024 | Deutscher Bundestag / 20. WP / Sitzung 204 / Zusatzpunkt 24

Ingrid PahlmannCDU/CSU - Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen

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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Sehr geehrte Gäste auf der Tribüne! Jede dritte Frau in Deutschland wird im Laufe ihres Lebens Opfer physischer und/oder sexueller Gewalt. So weit die offiziellen Zahlen; aber wir wissen alle: Die Dunkelziffer ist erheblich größer. Jedes Jahr fallen auch Hunderte Frauen und Mädchen Tötungsdelikten zum Opfer, fast jeden Tag eine. Diese Zahlen sind unerträglich, und doch sind sie nur die Spitze des Eisbergs. Wir reden über Frauen, die in ihrer Partnerschaft, in ihrem familiären Umfeld Tag für Tag leiden, aber auch über Kinder, die in gewaltgeprägten Familienverhältnissen aufwachsen. Häusliche Gewalt betrifft alle gesellschaftlichen Schichten. Sie zerstört Leben, Familien und Zukunftsperspektiven.

Wir begegnen dieser Tragödie viel zu oft mit Schweigen, Wegschauen oder Stigmatisierung der Opfer. Das darf nicht länger so bleiben. Einen wichtigen Schritt hin zur Sichtbarkeit hat das Frauenhaus in Gifhorn in meinem Wahlkreis gemacht: Bewusst raus aus der Abgeschiedenheit am Stadtrand, mitten rein ins Zentrum der Stadt – um sichtbar zu werden, aber auch, um den Schutz durch die Öffentlichkeit einer belebten Fußgängerzone zu haben.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Wenn wir heute über den Antrag der Union ebenso wie über den Gesetzentwurf von Rot-Grün sprechen, dann freue ich mich, dass dieses bedrückende und drängende Thema endlich hier bei uns im Bundestag angelangt ist. Aber gleichzeitig bin ich auch echt entsetzt, wie lange sich die vormalige Ampelregierung eben nicht sonderlich engagiert mit diesem Thema auseinandergesetzt hat.

Nun kurz vor Toresschluss den Gesetzentwurf mit verkürzten Fristen und ohne wirklich intensive Beteiligung der Zivilgesellschaft und der Länder durchzudrücken, ist billig.

(Ulle Schauws [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Stimmt doch nicht!)

Denn, ehrlich: Die Länder und Kommunen müssen mit dem Gesetzentwurf auch mal wieder Enormes vollbringen. Ging das nicht früher?

(Beifall bei der CDU/CSU)

Sie machen jetzt Druck, obwohl Sie das Thema in den vergangenen drei Jahren längst hätten erledigen können. Denn dass das Gesetz notwendig ist, das haben Sie heute gehört. Das hat nie einer bestritten.

(Zuruf der Abg. Dr. Irene Mihalic [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Wir haben über die mangelnde Umsetzung der Istanbul-Konvention, auch über die Kritik des Europarats gesprochen. Es fehlt an einer flächendeckenden Ausstattung mit Frauenhäusern, an angemessenen Ressourcen und konsequenten Maßnahmen.

Es braucht erstens den Ausbau von Schutz- und Unterstützungseinrichtungen, damit jede Frau, die Schutz sucht, diesen auch erhält, unabhängig von ihrer finanziellen Situation und ihrem Wohnort. Schutz vor Gewalt darf keine Frage des Geldes sein.

Zweitens brauchen wir aus unserer Sicht aber auch eine konsequente Prävention. Häusliche Gewalt beginnt oft subtil, mit verbaler Manipulation und mit psychischer Unterdrückung.

Drittens. Die Täter müssen konsequent zur Verantwortung gezogen werden. Strafverschärfungen sind notwendig genauso wie verpflichtende Antiaggressionsprogramme und eine elektronische Überwachung zur Durchsetzung von Annäherungsverboten.

Das sind unsere Punkte, die eingearbeitet werden müssen.

(Zuruf der Abg. Nicole Höchst [AfD])

Liebe Zuhörerinnen und Zuhörer, unsere Frauenhäuser sind überlastet, unterfinanziert und können längst nicht allen Schutzsuchenden helfen. Ich nutze die Gelegenheit und danke dem Team des Gifhorner Frauenhauses rund um Frau Evers stellvertretend für alle in Frauenhäusern und Beratungsstellen Engagierten für das unglaubliche Engagement.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Danke auch vor allem für ihre emotionale Stärke, den Frauen in ihrer Not beizustehen, obwohl diese Schicksale oft genug bis ins Mark erschüttern.

Es gibt darüber hinaus weitere Herausforderungen, über die wir offen sprechen müssen. Frauen verlassen oftmals zusammen mit kleinen Kindern wegen Gefahr für Leib und Leben ihr gewohntes Umfeld. Sie geben auch Kita- und Schulplätze auf. Aber es gibt in unserem Land Regionen, in denen es nicht möglich ist, den Frauen bezahlbaren Wohnraum zu vermitteln oder den Kindern eben auch problemlos Kita- und Schulplätze zuzuweisen. Wir brauchen definitiv die Länder und Kommunen an unserer Seite. Auch darüber müssen wir sprechen, auch diese komplexen Probleme gehören angepackt. Setzen wir uns gemeinsam ein für Schutz, Hilfe und Gerechtigkeit, aber nicht unter diesem neu aufgebauten Zeitdruck.

Ich danke Ihnen für Ihr Zuhören. Das war wahrscheinlich meine letzte Rede hier im Deutschen Bundestag. Ich bedanke mich bei allen, die mich in meiner Arbeit in den vergangenen Jahren unterstützt haben: bei meinem Büroteam, ohne das vieles nicht gelaufen wäre, das mich immer wieder aufgebaut hat, das für gute Stimmung gesorgt hat, bei allen weiteren Mitarbeitern in den AGs und Ausschussbüros, beim Parlamentsdienst, bei meinen Kollegen in der Fraktion, aber auch darüber hinaus, bei meiner Familie, die oft auf mich verzichtet hat, und nicht zuletzt bei den vielen, vielen Menschen in meinem Wahlkreis Gifhorn – Peine, die mich immer unterstützt und getragen haben.

Es war mir eine außerordentliche Ehre und Freude, dem Deutschen Bundestag, wenn auch mit Unterbrechung, insgesamt sieben Jahre angehört zu haben. Nun ist es genug. Ich sage Adieu und aufrichtig Dank für die tolle Zeit und wünsche der nächsten Regierung gutes Gelingen.

Ich danke Ihnen.

(Beifall)

Frau Pahlmann, auch ich wünsche Ihnen gutes Gelingen für all das, was Sie sich noch vorgenommen haben. Vielen Dank für Ihre Arbeit und alles Gute für die Zukunft!

(Beifall)

Als Nächste hat das Wort für die SPD-Fraktion Jasmina Hostert.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7619115
Wahlperiode 20
Sitzung 204
Tagesordnungspunkt Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen
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