Bärbel Bas - Antrag des Bundeskanzlers gemäß Art. 68 GG
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr verehrte Damen und Herren Abgeordnete! Der Bundeskanzler hat am 6. November den Bundesfinanzminister entlassen, und daraufhin hat die FDP die Regierung verlassen. Ich finde, diese Entscheidung von Olaf Scholz war richtig. Und ich will ausdrücklich sagen: Ich finde, sie verdient auch Respekt.
(Beifall bei der SPD)
Denn die Bürgerinnen und Bürger können jetzt entscheiden, in welche Richtung es in diesem Land gehen soll.
(Zuruf des Abg. Jens Spahn [CDU/CSU])
Wir wissen mittlerweile auch, dass dieser Schritt nach einer Phase der bewussten, verantwortungslosen Destruktion durch die Liberalen in dieser Regierung erfolgt ist, meine sehr verehrten Damen und Herren.
(Beifall bei der SPD – Jens Spahn [CDU/CSU]: Ist das die Bewerbungsrede für den SPD-Vorsitz, oder was wird das? – Dorothee Bär [CDU/CSU]: Also, ich bin „Team Saskia“!)
– Ich rede hier als Ministerpräsidentin des Saarlandes und Mitglied des Bundesrates.
(Jens Spahn [CDU/CSU]: Bewerbungsrede für den SPD-Vorsitz!)
Und wenn die Einigkeit zwischen CDU und CSU so groß ist wie die Einigkeit zwischen Frau Esken und mir, dann sind Sie schon einen großen Schritt weiter, meine sehr verehrten Damen und Herren.
(Beifall bei der SPD – Friedrich Merz [CDU/CSU]: Eijeijei! Das ist ein Missbrauch des Rederechts! – Dorothee Bär [CDU/CSU]: Das sagt man immer, bevor man jemandem das Messer in den Rücken rammt!)
Der Bundeskanzler hat heute die Vertrauensfrage gestellt, um damit den Weg zu vorgezogenen Bundestagswahlen freizumachen. Auf diesen Zeitpunkt haben CDU und CSU immer verwiesen,
(Friedrich Merz [CDU/CSU]: Millionen Menschen in Deutschland!)
wenn es darum ging, in Gespräche darüber einzutreten, was in diesem Parlament noch auf den Weg gebracht werden kann. Ich fand, das war eine vertretbare Haltung. Heute haben wir allerdings gehört, dass der Fraktionsvorsitzende der CDU/CSU in einer der wichtigsten Fragen für dieses Land – nämlich in einer energiepolitischen Frage – seine Überlegungen schon abgeschlossen hatte, bevor die Gespräche dazu überhaupt stattgefunden haben,
(Friedrich Merz [CDU/CSU]: Woher wissen Sie das denn?)
just an dem Tag, an dem die Vertrauensfrage überhaupt erst gestellt worden ist, meine sehr verehrten Damen und Herren.
(Beifall bei der SPD)
Ich hätte Sie an der Stelle gerne beim Wort genommen; denn natürlich ist das alles auch Teil des Wahlkampfes, und natürlich geht es im Wahlkampf darum, die unterschiedlichen Politikangebote deutlich zu machen. An einigen Stellen sind diese vielleicht gar nicht so unterschiedlich, wie es hier im Moment den Anschein hat. Und möglicherweise gibt es in Fragen, die überhaupt keinen Aufschub mehr dulden, jetzt schon Einigkeit, und zwar in einer Breite, wie man sie sich kaum vorstellen kann. Als Richtschnur dafür empfehle ich einen Blick in die Beschlüsse des Bundesrates, in die Beschlüsse der Ministerpräsidentenkonferenz. Dort kann man sehen, dass 16 Ministerpräsidenten aus 12 unterschiedlichen Regierungskonstellationen mit 8 beteiligten Parteien in der Lage waren, eine gemeinsame Linie in Bezug auf die Energiepolitik und die Hilfen für die Automobilwirtschaft in Deutschland zu finden. Das ist eine gute Grundlage, um nicht auf morgen etwas zu vertagen, was heute schon entschieden werden muss.
(Beifall bei der SPD)
Ich bin sogar der Auffassung, dass schon lange hätte entschieden werden können.
Deshalb bitte ich Sie, wirklich noch einmal ernsthaft darüber nachzudenken; ich appelliere geradezu an Sie. Wir alle müssen vor Unternehmerinnen und Unternehmer, vor Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer treten, die in den letzten Wochen wirkliche Horrornachrichten verkündet bekommen haben.
(Hermann Gröhe [CDU/CSU]: Drei Jahre!)
Und wir werden ihnen im Zweifelsfall erklären müssen, warum bis Mai dieses Jahres nicht die notwendigen Signale ausgesendet worden sind, um das zu fördern, was hier eben eingefordert worden ist, nämlich Wirtschafts- und Wachstumsimpulse, Klarheit für Investitionen in diesem Land.
(Friedrich Merz [CDU/CSU]: Wer hat denn die Mehrheit gehabt?)
Dazu gehören, Herr Merz, wettbewerbsfähige Strompreise. Das ist keine neue Erkenntnis, aber man muss sie möglich machen.
(Friedrich Merz [CDU/CSU]: Dort ist die Regierung!)
Ja, auch ich hätte mir gewünscht, dass dies schon lange passiert wäre. Aber das ist kein Grund, es jetzt nicht zu tun, wenn es dafür eine Einigkeit gibt.
(Beifall bei der SPD)
Diese können Sie herstellen. Da können Sie sich mit auf den Weg machen. Erklären Sie vor den Werkstoren, warum Sie es nicht getan haben, meine sehr verehrten Damen und Herren.
(Beifall bei der SPD – Thorsten Frei [CDU/CSU]: Dann machen Sie sich auf den Weg bei CCS und CCU! Da sind wir in der zweiten/dritten Lesung!)
Diese Entscheidungen sind möglich. Mit einer Entscheidung im Haushaltsausschuss kann man auf Gelder zurückgreifen, die zur Verfügung stehen. Diese Gelder sind notwendig, um Menschen in diesem Land, die – bedauerlicherweise in vielen Fällen noch nicht mal zu Unrecht – glauben, dass ihre Arbeitsplätze gefährdet sind, Sicherheit geben zu können. Das wollen Sie offenkundig nicht; zumindest das ist am heutigen Tage sehr deutlich geworden.
Die übrigen Aussagen zur Energiepolitik waren sehr unkonkret. Der alleinige Hinweis darauf, dass man sagt, man will alle Energieträger in diesem Land nutzen, hilft noch niemandem in diesem Land.
(Friedrich Merz [CDU/CSU]: Sehr konkret!)
Sie wissen ganz genau: Selbst wenn man wieder zur Kernenergie zurückkehren würde, wäre dies nicht die notwendige schnelle Antwort, die wir jetzt brauchen. Insofern: Täuschen Sie die Menschen in diesem Land nicht! Es braucht Antworten jetzt und nicht irgendwann in 10 oder 15 Jahren, meine sehr verehrten Damen und Herren.
(Beifall bei der SPD – Zuruf von der SPD: Richtig! – Friedrich Merz [CDU/CSU]: Sie haben drei Jahre Zeit gehabt!)
Stattdessen über die Ästhetik von Windkraftanlagen zu philosophieren, hilft nicht; denn alle in diesem Land wissen mittlerweile, dass der Ausbau der erneuerbaren Energien nicht nur eine Frage des Klimaschutzes und der Ökologie ist, sondern ein harter Wirtschaftsfaktor.
(Lachen des Abg. Jürgen Braun [AfD])
Mittlerweile sind wir an einem Punkt angekommen, an dem wir mit jedem Euro, den wir dort investieren, Arbeitsplätze und Klima gleichzeitig schützen können. Das ist der Punkt, auf den wir hingearbeitet haben. Das darf man nicht gefährden mit einer falschen Energiepolitik in diesem Land.
(Beifall bei der SPD)
Deshalb appelliere ich an Sie: Bringen Sie die Entlastung bei Strompreisen und Netzentgelten mit auf den Weg! Das ist es, was Unternehmerinnen und Unternehmer jetzt erwarten.
(Jens Spahn [CDU/CSU]: Zu wenig! Zu spät! – Friedrich Merz [CDU/CSU]: Dafür hätten Sie drei Jahre Zeit gehabt!)
Das ist es, was jetzt auf den Weg gebracht werden muss.
Das Gleiche gilt im Übrigen für die Automobilindustrie. Auch zum Hochlauf der Elektromobilität gibt es einen dezidierten Beschluss aller 16 Ministerpräsidenten. Das, was wir dort beschlossen haben, kann doch von den hier anwesenden Parteien, die dort mit vertreten waren, nicht plötzlich als falsch erachtet werden, meine sehr verehrten Damen und Herren. Das kann ich niemandem erklären; ich befürchte, Sie auch nicht. Deshalb sollten wir es auch nicht so tun.
(Beifall bei der SPD)
Ich will einen weiteren inhaltlichen Punkt ansprechen, bei dem ich nicht ganz verstehen kann, warum die Argumentation auseinandergeht. Ich finde es gut und ich finde es richtig, dass in diesem Haus die Kraft gefunden worden ist, beim Thema „Resilienz des Bundesverfassungsgerichts“ etwas auf den Weg zu bringen. Ich finde auch die Begründung richtig. Ich verstehe nur nicht ganz, warum die gleiche Begründung bei der Frage, wie wir hochverschuldete Kommunen in diesem Land unterstützen können – auch dafür braucht man ja eine Änderung der Verfassung –, nicht im gleichen Maße greift.
(Friedrich Merz [CDU/CSU]: Weil von der Koalition gar nichts kam, Frau Rehlinger!)
Wir haben jetzt noch die Möglichkeit, hier mit einer Zweidrittelmehrheit kommunal verhafteter Parteien ein existenzielles Problem für die Menschen in diesem Land zu lösen.
(Thorsten Frei [CDU/CSU]: Nein! Drei Länder!)
Bei der kommunalen Handlungsfähigkeit erleben die Menschen, ob ein Staat funktioniert oder nicht. Häufig erleben sie nur, wie noch entschieden wird, dass die Gebühren erhöht werden und die Musikschule trotzdem geschlossen wird. Auch da gilt das gleiche Argument: Zweidrittelmehrheit – wie beim Verfassungsgericht. Auch da kann ich nicht verstehen, warum Sie diesen Weg nicht mitgehen, meine sehr verehrten Damen und Herren.
(Beifall bei der SPD – Thorsten Frei [CDU/CSU]: Ist das Ihre Landespolitik, oder was?)
Sie bezweifeln, dass es ohne die Zweidrittelmehrheit geht. Deshalb muss man das auf diesem Wege machen.
Das Gleiche gilt im Übrigen – es ist heute gesagt worden – für die Schuldenbremse, meine sehr verehrten Damen und Herren. Kaputte Infrastruktur bedeutet auch Schulden; denn am Ende des Tages schulden wir den Kindern ihre Zukunft.
(Beifall bei der SPD)
Deshalb geht es nicht darum, die Schuldenbremse abzuschaffen, sondern es geht um das gezielte Ermöglichen von Investitionen, die für die Zukunftsfähigkeit dieses Landes unerlässlich sind.
(Thorsten Frei [CDU/CSU]: Nein! Ihnen geht es um Schulden!)
Das darf man nicht falsch darstellen. Um nichts anderes geht es an dieser Stelle, meine sehr verehrten Damen und Herren.
(Beifall bei der SPD)
Abschließend. Ja, es stimmt, man sollte Dinge nicht tun, nur weil Wahlkampf ist. Aber umgekehrt gilt auch: Das Richtige nicht zu tun, weil Wahlkampf ist, ist auch keine Politik, auf der ein Segen liegt. In diesem Sinne: Herzlichen Dank und Glück auf!
(Anhaltender Beifall bei der SPD – Thorsten Frei [CDU/CSU]: Es ist halt bloß das Falsche, was Sie sagen! – Jens Spahn [CDU/CSU]: Ich würde sagen, das mit dem SPD-Vorsitz klappt! – Friedrich Merz [CDU/CSU]: Gute Bewerbungsrede!)
Als Nächster hat das Wort für die AfD-Fraktion Tino Chrupalla.
(Beifall bei der AfD)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7619377 |
Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 205 |
Tagesordnungspunkt | Antrag des Bundeskanzlers gemäß Art. 68 GG |