18.12.2024 | Deutscher Bundestag / 20. WP / Sitzung 206 / Zusatzpunkt 2

Jürgen HardtCDU/CSU - Aktuelle Stunde zur Lage in Syrien

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Danke schön, Herr Präsident. – Liebe Kolleginnen und Kollegen! Auch ich bedanke mich für die Gelegenheit, dass wir über dieses total wichtige Thema Syrien auch in diesen aktuellen aufgeregten Zeiten sprechen.

Vorab wollte ich nur eine Anmerkung machen. Ich glaube, die Ministerin hat sich gerade versprochen;

(Stephan Brandner [AfD]: Das kommt öfter mal vor!)

so habe ich es verstanden. Sie hat gesagt, der Verteidigungsminister wäre im Iran gewesen. Sie meinte, im Irak.

(Annalena Baerbock, Bundesministerin: Ich habe gesagt „im Irak“!)

– Dann habe ich das falsch verstanden, Entschuldigung. Dann nehme ich das zurück. Ich wollte das nur klarstellen.

(Agnieszka Brugger [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Von der Opposition sehr aufmerksam!)

Wenn wir einen Verteidigungsminister hätten, der in den Iran reist, dann hätten wir wahrscheinlich den falschen Verteidigungsminister.

Es gibt angesichts dieser unerwarteten, überraschenden Entwicklung in Syrien mit Sicherheit drei Verlierer, und um keinen dieser Verlierer ist es meines Erachtens irgendwie schade.

Das ist erstens das Putin-Regime in Moskau, das es nicht geschafft hat, sein vermutlich gegebenes Versprechen „Wir stützen dich, Assad“ zu halten. Das war ja vor vielen Jahren der Gamechanger an der Seite Assads, dass Russland ihm gegen sein Volk beigesprungen ist und dieses Terrorregime mit unterstützt hat. Das Putin-Regime hat es nicht geschafft, es zu halten.

Auch der Iran, der zweite große Verlierer, hat es mit seinen Kräften nicht geschafft, dieses Regime und damit diese Autobahn Richtung Mittelmeer, Richtung Israel entsprechend zu nutzen. Es ist ein großer Gewinn, dass sowohl Russland als auch der Iran jetzt in dieser Region offensichtlich weniger zu sagen haben werden.

Es ist auch ein großer Gewinn – jetzt spreche ich den dritten Verlierer an, um den ich nicht traurig bin –, dass die Hisbollah in diesem Syrien hoffentlich und vermutlich nicht ein solches Rückzugsgebiet hat, wie das früher der Fall gewesen ist. Insofern ist das ein guter Tag gewesen, nicht nur für die Menschen in Syrien, die endlich von diesem Terrorregime befreit sind, für die Gefangenen, die aus den Gefängnissen befreit werden konnten, sondern auch für die ganze Region, ja für die ganze Welt.

Es ist natürlich absolut nicht sicher, wie das Ganze weitergeht. Deswegen kommt es auf uns an. Ich sage: Deutschland hat aus zwei Gründen ein besonderes Interesse an einer guten, friedlichen Entwicklung Syriens: zum einen, weil wir für das Existenzrecht Israels stehen und weil wir eine Stabilisierung in der Region auch ganz besonders aus dem Grunde wollen, dass Israel in seiner Existenz geschützt ist, und zum Zweiten, weil wir so viele geflüchtete Syrerinnen und Syrer bei uns im Land haben, die das Land unter Assad verlassen mussten.

Beides bringt mich dazu, zu fordern, dass wir hier in Deutschland eben über den genannten Acht-Punkte-Plan hinaus eine konkrete, stärkere initiative Rolle übernehmen. Wir sollten in der Europäischen Union beschließen, dass es eine Taskforce gibt unter hochrangiger Leitung, vielleicht sogar unter Leitung von Frau Kallas oder vielleicht auch eines deutschen politischen Vertreters. Diese Leitung sollte nicht nur diese acht Punkte gegenüber der Regierung in Damaskus vortragen, sondern auch viele andere Erwartungen, die wir damit knüpfen. Davon will ich einige nennen:

Der Prozess der zukünftigen Entwicklung Syriens muss aus meiner Sicht ein inklusiver sein. Syrien ist immer ein multikultureller, ein multiethnischer Staat gewesen, und es geht darum, dass dort Muslime, aber eben auch Nichtmuslime gemeinsam an den politischen Geschicken des Landes mitwirken. Ich füge hinzu: Auch die mindestens 200 000 Palästinenserinnen und Palästinenser, die Flüchtlinge in Syrien sind, müssen etwas von diesem Prozess haben.

Zweitens müssen wir natürlich sicherstellen, dass es weder die Hisbollah noch der IS noch jemand anders schafft, von diesem Syrien aus wieder Terror gegen die Welt auszuüben.

Zum Dritten finde ich, dass wir von diesem Staat, der ja Hauptproduzent und Haupthändler der Droge Captagon gewesen ist – 5 bis 7 Milliarden Dollar hat Assad mit der industriellen Produktion dieser Droge eingenommen –, und von der politischen Führung Syriens erwarten dürfen, die Produktion dieser Droge umgehend einzustellen und ihren Vertrieb zu stoppen, um damit einen Beitrag zum Schutz der Menschen auf der Welt zu leisten.

Eine ganz wichtige Frage mit Blick auf die Flüchtlinge. Unter Assad war die Situation so, dass diejenigen, die aus dem Land geflüchtet waren, zum großen Teil enteignet wurden. Teilweise wurde ihnen auch ihre Staatsbürgerschaft entzogen. Wenn wir in irgendeiner Weise den Boden dafür bereiten wollen, dass sich Syrerinnen und Syrern vielleicht entscheiden, nach Hause zu gehen,

(Stephan Brandner [AfD]: Was heißt denn da „vielleicht“?)

dann muss natürlich sichergestellt werden, dass sie einen entsprechenden Rechtsstatus bekommen.

Ich finde, diese Fragen sollte man ganz offensiv und konkret vortragen, nicht in der Erwartung, sofort eine Antwort zu bekommen, sondern um sicherzustellen, dass die syrische Regierung weiß: Das sind die Fragen, die wir an sie richten.

Dann brauchen wir noch mehr Initiative, nicht nur in Richtung Türkei, sondern, wie ich finde, auch gegenüber der arabischen Welt. Mein Vorschlag wäre, dass Sie in den nächsten Tagen nach Riad, nach Abu Dhabi, in andere Städte der arabischen Welt reisen und mit den Regierungen sprechen, um auszuloten, wie man vielleicht eine gemeinsame europäisch-westliche, türkische, arabische Initiative hinbekommt, die das Regime ermutigt, den Weg einer rechtsstaatlich-demokratischen Veränderung zu gehen

(Stephan Brandner [AfD]: Das klappt sowieso nicht!)

und nicht am Ende zurückzufallen – was natürlich auch möglich ist –, sodass Syrien am Ende ein undemokratischer, diktatorischer Staat wird. In diesem Sinne haben Sie unsere Unterstützung.

Danke schön.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)

Vielen Dank, Herr Kollege Hardt. – Als nächste Rednerin hat das Wort die Bundesministerin für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, Svenja Schulze.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7619470
Wahlperiode 20
Sitzung 206
Tagesordnungspunkt Aktuelle Stunde zur Lage in Syrien
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