18.12.2024 | Deutscher Bundestag / 20. WP / Sitzung 206 / Zusatzpunkt 2

Norbert RöttgenCDU/CSU - Aktuelle Stunde zur Lage in Syrien

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Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Zunächst zu Ihnen, Herr Kotré: Ja, es stimmt, es gibt schlechte Nachrichten für die AfD: Assad ist gestürzt, und Putin ist in Syrien und auch in der gesamten Region entmachtet.

(Konstantin Kuhle [FDP]: So ist es!)

Das bedauern Sie. Wir freuen uns darüber mit den Syrerinnen und Syrern, die befreit worden sind.

(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP)

Es ist gut, dass dieser Unterschied deutlich gemacht worden ist.

(Dr. Christian Wirth [AfD]: Sie sind doch nicht mehr bei Verstand!)

Innerhalb von Tagen – anderthalb Wochen! – hat sich die Situation in Syrien und damit im gesamten Nahen Osten vollkommen verändert. Das ist phänomenal. Innerhalb von Tagen ist eine Diktatur, die 54 Jahre geherrscht hat, mit dem Sturz von Assad beendet worden.

(Tino Chrupalla [AfD]: „Beendet worden“? Das wollen wir mal sehen!)

13 Jahre Bürgerkrieg, brutales Abschlachten der eigenen Bevölkerung, Töten und Foltern sind innerhalb von wenigen Tagen beendet worden.

(Stephan Brandner [AfD]: Von einem Schwerverbrecher!)

Es gehört auch dazu, hier auszusprechen, dass wir alle – alle! – von dieser Entwicklung völlig überrascht wurden.

(Beatrix von Storch [AfD]: Mal wieder!)

Wir müssen, glaube ich, uns auch zu Bewusstsein bringen, wie oft wir wahrscheinlich in scheinbaren Gewissheiten leben und dass wir oft weniger wissen, als wir annehmen.

(Beatrix von Storch [AfD]: Ach! – Stephan Brandner [AfD]: Wo waren denn unsere Geheimdienste eigentlich?)

Assad ist gestürzt, und mit ihm – das ist auch schon gesagt worden – sind auch zwei der destabilisierenden staatlichen Akteure in dieser Region entmachtet worden; sie sind die beiden großen Verlierer.

(Beatrix von Storch [AfD]: Jetzt kommt die große Demokratie und der Rechtsstaat!)

Das iranische Regime und Putins Russland sind nun draußen;

(Konstantin Kuhle [FDP]: So ist es!)

und das ist eine weitere sehr gute Nachricht.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Es ist jetzt in beidem, im Land und in der Region, auf einmal eine völlig neue Offenheit da, mit der keiner gerechnet hat. Diese Offenheit hat drei Elemente, zu denen ich kurz etwas sagen möchte.

Das erste Element der neuen Offenheit in Syrien und der Region ist begründete Hoffnung. Es gibt ein verbreitetes Interesse an einer Stabilitätsentwicklung in Syrien – innerhalb des Landes. Im Land ist keine einzige Gruppe in der Lage, alle anderen zu dominieren. Das heißt, ein Prozess des Ausgleichs, der Teilhabe scheint unausweichlich, und das ist eine gute Voraussetzung dafür,

(Stephan Brandner [AfD]: Bürgerkrieg!)

dass ein politischer Prozess von innen heraus stattfindet. Diese neuen, sich entwickelnden Machthaber setzen auch auf uns, auf den Westen. Sie setzen nicht mehr auf Iran, sie setzen nicht auf Russland, sondern sie setzen auf den Westen für humanitäre Hilfe, wirtschaftliche Entwicklung, administrative Unterstützung. Das ist erst mal gut.

(Zuruf der Abg. Beatrix von Storch [AfD])

Wir haben es jetzt auch mit Akteuren in der Region zu tun, die zum Teil ambivalente Interessen haben. Das ist die Türkei; das ist Israel. Aber auch diese beiden Staaten in der Nachbarschaft haben unter dem Strich ein Stabilitätsinteresse.

(Steffen Kotré [AfD]: Wunschdenken!)

Nur in ein sich stabilisierendes Syrien wird die Türkei einige der 3 Millionen Syrer, die sich in der Türkei als Flüchtlinge aufhalten, zurückschicken können. Auch andere Staaten – Saudi-Arabien, die arabische Welt und andere – haben ein Stabilisierungsinteresse. Das ist eine völlig neue Situation, aus der man was machen kann.

Das zweite Element sind Vorsicht und Besorgnis. HTS als die militärisch bedeutsamste Einheit unter denjenigen, die Assad gestürzt haben, hat dem Terrorismus und al-Qaida vor Jahren abgeschworen.

(Steffen Kotré [AfD]: Oh! Sicher? – Beatrix von Storch [AfD]: Ja, klar!)

Sie reden weiterhin so, sie verhalten sich auch so.

(Stephan Brandner [AfD]: Die sind quasi Feministinnen geworden!)

Aber das ist keine Gewissheit; sie haben nicht der islamistischen Ideologie abgeschworen. Das ist ein bestehendes Element von Besorgnis, das wir haben müssen.

(Steffen Kotré [AfD]: Mal wieder?)

Und dass sich einige auch mehr Macht nehmen wollen auf Kosten anderer, dass also Machtkonflikte entstehen, kann keiner ausschließen. Es ist eine offene Lage, keine gesicherte Situation, die wir haben.

Das dritte und abschließende Element, zu dem ich etwas sagen möchte, betrifft Möglichkeiten und Chancen, die jetzt durch die Offenheit entstanden sind. Hier muss dann zum Ende der Legislaturperiode auch gefragt werden: Was hat die deutsche Außenpolitik in den letzten drei Jahren getan, damit wir jetzt Einfluss auf die Entwicklung nehmen können?

(Sara Nanni [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das hat Annalena Baerbock am Anfang ihrer Rede ausgeführt!)

Was hat die deutsche Nahostpolitik in den letzten drei Jahren erreicht?

(Zuruf von der SPD: Sehr viel! – Steffen Kotré [AfD]: Nix!)

Jetzt reisen alle nach Damaskus; jetzt reisen alle nach Ankara. Wir können auch drei Beamte für einen Tag dorthin schicken. Das ist nichts Besonderes. Es ist jetzt auch nicht gefragt, dass wir europäische Logik und Rationalität dorthin exportieren, sondern wir hätten vorher in Beziehungen investieren müssen.

(Lamya Kaddor [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Haben wir doch gemacht, Herr Röttgen! Andauernd!)

Da ist leider ein Vakuum.

(Beifall bei der CDU/CSU – Lamya Kaddor [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das stimmt nicht!)

Die Nahostpolitik dieser Bundesregierung war ein Vakuum. Es ist nichts erreicht worden, und darum brauchen wir –

Vielen Dank.

– auch auf diesem wichtigen Gebiet einen Politikwechsel, –

Die Redezeit ist vorbei. Vielen Dank.

– der Deutschland in dieser Region strategisch engagiert.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Michael Georg Link [Heilbronn] [FDP] – Zurufe vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das Wort hat Lamya Kaddor für Bündnis 90/Die Grünen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7619479
Wahlperiode 20
Sitzung 206
Tagesordnungspunkt Aktuelle Stunde zur Lage in Syrien
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