18.12.2024 | Deutscher Bundestag / 20. WP / Sitzung 206 / Zusatzpunkt 2

Michael Georg LinkFDP - Aktuelle Stunde zur Lage in Syrien

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Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Sturz des Assad-Regimes – es ist gesagt worden – kam, wenn wir ehrlich sind, sehr überraschend. Gewünscht ja, vor allem bei einem so extrem brutalen Regime. Aber ich erinnere mich noch gut, wie noch vor wenigen Wochen die Rückkehr Assads in die Arabische Liga von einigen Anhängern gefeiert wurde und alle dachten, er sitzt fest im Sattel. Nein, das zeigt auch uns: Hinterfragen ist manchmal wichtig. Wir müssen verstehen, dass der Weg, der vor Syrien liegt – ob nationale Aussöhnung oder Bürgerkrieg; beides ist möglich –, noch schwer wird; denn der gemeinsame Nenner, der Sturz Assads, ist jetzt erreicht. Ob der Friede hält? Wir wissen es nicht. Wir müssen alles dafür tun. Diplomatie ist gefordert – in der Tat.

Deshalb ist es auch gut, als ersten Schritt diesen Acht-Punkte-Plan des Auswärtigen Amtes zu sehen. Aber es wäre wichtig, dass die Bundesregierung jetzt insgesamt dringend und engstens über alle Ressorts hinweg – Innen wie Außen, Wirtschaft wie Finanzen – in diesem Bereich zusammenarbeitet – übrigens ein weiteres Beispiel für eine Situation, in der ein Nationaler Sicherheitsrat eine sinnvolle Einrichtung wäre.

(Beifall bei der FDP sowie des Abg. Dr. Norbert Röttgen [CDU/CSU])

Es braucht jetzt engste Abstimmung, gerade unter den EU-Partnern. Kaja Kallas hat sehr wichtige erste Schritte dazu auf europäischer Ebene gemacht. Und klar, auch dort sind sich nicht alle von Anfang an einig. Aber sie geht in die richtige Richtung.

Es ist deutlich geworden, dass wir sagen müssen: Wir erwarten von der HTS auch weiterhin Signale der Mäßigung. – Ja, bisher kommen sie. Wir wissen aber nicht, ob auch sie in Zukunft überhaupt die tonangebende Kraft bleibt. Ihr Anführer Al-Dschaulani hat auch wichtige Äußerungen im Verhältnis zu Israel gemacht. Bemerkenswert, dass er palästinensische Kräfte aufrief, jetzt nicht gegen Israel zu agieren.

Und lassen Sie mich sehr deutlich sagen – weil vorhin am Rande Israel so ein bisschen kritisiert wurde, ohne es wörtlich so zu nennen –: Meine Fraktion, die FDP und ich, wir haben vollstes Verständnis dafür, dass Israel in dieser gefährlichen Situation die Waffenlager der syrischen Armee zerstört.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Das ist eine Frage der Konsequenz. Wenn wir über das Existenzrecht und die Staatsräson Israels reden, dann sollten wir uns nicht an Israel abarbeiten, sondern auch verstehen, dass Israel diese Gelegenheit beim Schopfe packen muss.

(Zuruf von der SPD)

Ich würde mir übrigens auch wünschen, dass wir noch stärker über Iran und Russland reden. Ich glaube, es ist wichtig, dass wir alles tun, um zu verhindern, dass Russland seine militärischen Basen behalten kann.

(Dr. Norbert Röttgen [CDU/CSU]: Ja!)

Russland ist, Kollege Röttgen, momentan weitgehend raus; aber die Versuche laufen schon wieder, auf beide Basen zurückzukehren. Wir sollten alles tun – und das wäre eine Erwartung, die wir klar an die Bundesregierung äußern –, um sich hier ganz klar und deutlich zu positionieren, damit Russland und der Iran dort nicht mehr den Fuß in die Tür bekommen,

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

auch nach all dem, was Kollege Kuhle etwa zu Migration als Waffe sagte.

Wir erwarten aber selbstverständlich auch – in der Tat –, dass die ethnischen und religiösen Minderheiten geschützt werden: Jesiden, Kurden, Alawiten, Schiiten, die Christen, also die vielen großen christlichen Gruppen. Zudem ist natürlich auch ganz wichtig: Es muss eine Zukunft für die Kurden in Syrien geben. Es kann nicht sein, dass Erdoğan über einen versteckten Stellvertreterkrieg schrittweise, Stück um Stück die kurdische Bevölkerung in Syrien entweder zerstören oder aus Syrien herausdrängen will.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Dauerhaften Frieden kann es in Syrien nur mit Beteiligung der Kurden geben. Auch da sollten wir ganz deutlich sein.

Wie gesagt, mit der Vertreibung Assads sind große Chancen da. Ich glaube aber, dass wir deshalb genau jetzt auch den Druck auf das iranische Regime erhöhen müssen. Es ist intern nicht mehr legitimiert. Es ist nach außen aggressiv. Jetzt sollten wir gemeinsam mit den Partnern und mit Israel alles tun, um den Druck auf Iran weiter zu erhöhen. Gleiches gilt für Putin. Wir sollten den Druck auf Putin erhöhen und verhindern, dass er, wie gesagt, wieder Fuß fasst.

Deshalb lassen Sie mich noch mal sehr deutlich zu den Kollegen der SPD sagen: Sie sprechen immer davon, Eskalationen im Verhältnis zu Putin zu verhindern. Dabei unterschlagen Sie, dass es Putin ist, der – ob in Syrien oder in der Ukraine, ob in Zentralafrika oder an anderen Orten – in seinem bis zur Obsession gesteigerten Feldzug gegen alles Westliche ständig weiter eskaliert. Er eskaliert, nicht wir.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Der Weg zum Frieden, Kolleginnen und Kollegen – und den wollen wir vor allem –, ob in der Ukraine oder in Syrien, führt nicht über Nachgiebigkeit gegenüber Putin, sondern nur darüber, dass wir ihm diplomatische und militärische Stoppsignale setzen.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP)

Darauf aber warten wir seitens der Bundesregierung vergeblich; hier würden wir ein deutlich entschlosseneres Handeln der Bundesregierung erwarten.

Ein friedliches Syrien nach Assad ist möglich, aber nur ohne Einmischung Russlands und des Iran und nur, wenn die Türkei Syriens Integrität respektiert. Dafür erwarten wir entschlossenes Handeln –

Vielen Dank.

– der Bundesregierung.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Das Wort für Die Linke hat Janine Wissler.

(Beifall bei der Linken)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7619485
Wahlperiode 20
Sitzung 206
Tagesordnungspunkt Aktuelle Stunde zur Lage in Syrien
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