Michael MeisterCDU/CSU - Steuerpolitik
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist mit Sicherheit sinnvoll, dass wir Themen wie den Solidaritätszuschlag, den Grundfreibetrag, die kalte Progression oder die Entfernungspauschale diskutieren. Allerdings bin ich der Meinung, dass man das in einem gewissen Kontext tun muss. Deshalb rate ich dazu, sich einmal die Gegenfinanzierungsvorschläge der Kollegen der AfD anzuschauen.
(Heiterkeit des Abg. Alexander Hoffmann [CDU/CSU])
Da wird vorgeschlagen, dass wir die Zahlungen an die Europäische Union einstellen, und zwar komplett. Das heißt im Klartext: Die AfD schlägt in ihren Anträgen den Austritt aus der Europäischen Union vor. Ich bin der Meinung: Die Europäische Union hat uns in Deutschland sieben Jahrzehnte Frieden gesichert. Das setzt die AfD aufs Spiel.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD, des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP – Jörn König [AfD]: Wenn wir nicht zahlen, werden wir angegriffen, oder wie?)
Ich möchte in Freiheit, demokratisch und in der westlichen Wertegemeinschaft leben.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Das haben Sie nicht verstanden, und das bringen Sie in Ihren Anträgen zum Ausdruck. Man kann nicht isoliert über irgendeinen Betrag im Steuerrecht diskutieren, sondern man muss den Kontext, in dem Sie denken, klarmachen, und der ist vollkommen daneben, meine Damen und Herren.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD, des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Dann, lieber Kollege Gottschalk, haben Sie eben erklärt, Sie wollten den Grundfreibetrag auf 15 000 Euro anheben. Nach meinem Verständnis ergibt sich der Grundfreibetrag, indem man das Existenzminimum zugrunde legt und daraus das steuerliche Existenzminimum ableitet. Das machen Sie nicht. Sie gehen einfach hin und nennen populistisch eine Zahl – 15 000 Euro –, die in keiner Weise irgendwo hergeleitet ist. Das ist Populismus pur, hat aber mit sachlicher Steuerpolitik überhaupt nichts zu tun.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD, des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Jetzt müssen wir eine Einordnung der Themen, die ich vorhin genannt habe, vornehmen. Wir haben aktuell keinen Bundeshaushalt, und wir reden über riesige Beträge – auf der Grundlage Ihrer Debattenbeiträge sind das hohe zweistellige Milliardenbeträge –, die dann als Steuereinnahmen ausfallen. Bevor ich entscheide, möchte ich zunächst einmal sehen, wie man das in eine vernünftige Haushaltsplanung einordnet.
(Zuruf des Abg. Michael Schrodi [SPD])
Solange wir keinen Haushalt haben, können wir über diese Fragen nicht seriös entscheiden. Das ist die erste Bemerkung.
Der zweite Punkt. Wir müssen das Thema in die Steuerpolitik einordnen. Dann kann man sehr wohl über den Solidaritätszuschlag reden. Kollege Marvi, Sie haben eben über den Solidaritätszuschlag gesprochen. Aber Sie haben vergessen, zu erwähnen, dass nicht nur die Reichen, sondern auch die Sparer und die Unternehmen den Solidaritätszuschlag zahlen. Ihre Denkweise führt die Volkswirtschaft dieses Landes in den Abgrund.
(Beifall bei der CDU/CSU – Michael Schrodi [SPD]: Eijeijei!)
Wir haben seit zwei Jahren kein Wachstum, weil Sie dort, wo wir im Wettbewerb stehen, wo in Deutschland dringend investiert werden müsste, einfach sagen, dass ein bisschen was gezahlt werden soll. Es wäre viel besser, wenn die Betreffenden das Geld hier am Standort investieren würden, als es in die Steuerkasse einzuzahlen. Ihr Finanzminister Olaf Scholz hat einen riesigen Fehler gemacht, als er diesen Rest-Soli hat stehen lassen.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Meine Damen und Herren, natürlich können wir auch darüber diskutieren, ob wir Leistung stärker belohnen müssen. Das ist eine vollkommen richtige Überlegung.
(Tim Klüssendorf [SPD]: Was ist denn Leistung? Leistung bemisst sich nicht am Einkommen, Herr Meister!)
Wir müssen, wenn wir über Leistung diskutieren, auch überlegen, wie wir mit der Entfernungspauschale umgehen, gerade wenn man an Menschen im ländlichen Raum denkt und nicht nur an diejenigen, die in Ballungszentren leben. Deshalb ist diese Diskussion notwendig und richtig. Aber, Herr Kollege Gottschalk, man kann nicht einfach einen Betrag von 50 Cent nennen; das ist wieder eine gegriffene Zahl, ohne jegliche Begründung.
(Abg. Kay Gottschalk [AfD] meldet sich zu einer Zwischenfrage)
Man muss das Ganze dann natürlich in ein Konzept für den ländlichen Raum einbetten; denn nicht die Einzelmaßnahme ist entscheidend, sondern die Einbettung in ein Gesamtkonzept.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Dann haben Sie in Ihren Anträgen über die kalte Progression gesprochen. Steigende Preise in Kombination mit dem linear-progressiven Steuertarif dürfen nicht zu zusätzlicher Belastung führen. Entsprechende Maßnahmen haben wir heute Morgen im Finanzausschuss gemeinsam beschlossen. Wir gleichen die kalte Progression für 2025 und 2026 aus; das ist auch richtig. Was Sie hier vorschlagen, ist allerdings kein Ausgleich, sondern ein Automatismus. Sie wollen, dass der Deutsche Bundestag gar nicht mehr entscheidet. Jetzt muss man mal durchdenken, was es eigentlich bedeutet, wenn das Parlament nicht mehr entscheidet, wenn es diese Hoheit abgibt. Dann arbeiten wir inflationstreibend. Und wenn wir inflationstreibend arbeiten, dann leiern wir genau das an, was wir eigentlich bekämpfen wollen, nämlich die Wirkung der Inflation im Steuertarif.
(Stefan Keuter [AfD]: Aber bei den Diäten wollen Sie den Automatismus! Sich selbst die Taschen vollmachen, klar!)
Deshalb sind Sie falsch unterwegs. Populismus nützt nichts. Wir brauchen eine sachlich ausgerichtete Politik in diesem Land.
Danke schön.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Die nächste Rednerin ist Katharina Beck für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7619564 |
Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 206 |
Tagesordnungspunkt | Steuerpolitik |