19.12.2024 | Deutscher Bundestag / 20. WP / Sitzung 207 / Zusatzpunkt 6

Volker Wissing - Bundesverfassungsgericht (Änderung GG und BVerfGG), Abgeordnetengesetz

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Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Eine ganz breite Allianz von Abgeordneten dieses Hauses

(Stephan Brandner [AfD]: Die nennt man „Kartell“!)

hat hier Vorschläge vorgelegt, die das Bundesverfassungsgericht stärken und besser schützen werden. Das Jahr des 75. Geburtstages unserer Verfassung ist genau der richtige Zeitpunkt, das zu beschließen.

Das Grundgesetz sagt zum Bundesverfassungsgericht – das ist oft bemerkt worden – auffallend wenig. Aber ein so mächtiges Gericht, das sogar demokratisch zustande gekommene Gesetze für ungültig erklären kann, war ein Wagnis. Deshalb hat man im Parlamentarischen Rat mit einfachgesetzlichen Regeln angefangen und wollte sehen, wie es sich entwickelt.

Heute wissen wir: Das Bundesverfassungsgericht ist mit seinem Schutz der Grundrechte und seiner Kontrolle des Gesetzgebers zu einer Säule unserer politischen Ordnung geworden. Deshalb schreiben wir jetzt in unsere Verfassung, was sich über die Jahrzehnte so glänzend bewährt hat, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Ein Ausdruck der Erfolgsgeschichte des Bundesverfassungsgerichts war immer, dass die wechselnden Mehrheiten in diesem Haus nie versucht haben, das Gericht irgendwie auf Linie zu bringen oder an die kurze Leine zu nehmen.

(Zuruf von der AfD)

Aber wir lernen in diesen Zeiten, dass man darauf nicht mehr unbedingt setzen kann. Wir wollen das Bundesverfassungsgericht auch deshalb besser schützen, weil wir alle spüren, dass sich die Frage wieder stellt: Ist Deutschland als liberale Demokratie wirklich so gesichert, wie wir das lange geglaubt haben?

(Fabian Jacobi [AfD]: Sie tun alles dagegen! – Gegenruf des Abg. Stephan Brandner [AfD]: Ja, jeden Tag!)

Wir haben bei unseren ost- und mitteleuropäischen Nachbarn zum Teil beobachten können, wie Verfassungsgerichte unter Druck geraten – in Staaten, die sich nach 1989 gerade nach dem Vorbild des Karlsruher Gerichts starke Verfassungsgerichte gegeben haben. Solange deren Funktionsregeln einfachgesetzlich geändert werden können, sind Versuche nicht auszuschließen, sie vom Beschützer der Verfassung zum Erfüllungsgehilfen parlamentarischer Mehrheiten zu machen.

(Fabian Jacobi [AfD]: Das ist exakt das, was Sie hier tun! „Erdrückt“ nennt man das!)

Wir haben entsprechende Taktiken in Polen oder Ungarn beobachten können: etwa dem Gericht weitere Senate hinzuzufügen und sie dann mit politisch genehmen Juristen zu besetzen oder für den gleichen Zweck die Ruhestandsgrenze für Richter herunterzusetzen, um Freiraum für Getreue zu schaffen. Solche Entwicklungen wollen wir in Deutschland verhindern und dafür das Grundgesetz ändern.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Wir werden die zentralen Strukturvorgaben für das Gericht, die sich nach einhelliger Beurteilung bewährt haben, vom einfachen Gesetzesrecht auf die Ebene der Verfassung heben. Wir entziehen sie damit dem Zugriff einer einfachen politischen Mehrheit. Das Gericht zu sabotieren, wird künftig deutlich schwieriger werden.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der Abg. Clara Bünger [Die Linke])

Sabotieren könnte man natürlich auch die Wahlen von Verfassungsrichtern. Hierfür braucht man noch nicht einmal eine Mehrheit im Deutschen Bundestag, sondern nur ein Drittel der Stimmen im Bundesrat oder Bundestag. Und für einen solchen möglichen Fall schaffen wir deshalb einen Ersatzwahlmechanismus. Bundestag und Bundesrat wählen die Richter; dabei bleibt es. Aber sie sollen künftig gegenseitig einspringen können: Der Bundestag als Ersatzwahlorgan, wenn der Bundesrat blockiert sein sollte, und umgekehrt soll der Bundesrat einspringen können, wenn der Bundestag blockiert sein sollte.

(Beatrix von Storch [AfD]: Je nach den Mehrheiten! Wo es halt grad geht! Das ist so schamlos! Ruchlos! Geschichtsvergessen! – Zuruf des Abg. Fabian Jacobi [AfD])

Meine Damen und Herren, diese Vorschläge sind entwickelt worden – das ist schon angesprochen worden; aber ich will es auch noch mal betonen – in einer Art, die ich als vorbildlich für die Zusammenarbeit unter Demokratinnen und Demokraten empfinde. Das war in vielen Sitzungen eine Arbeitsatmosphäre, die von gemeinsamer Anstrengung und geteiltem Verantwortungsgefühl geprägt war. Dass die Demokratinnen und Demokraten dieses Hauses diese schwierigen Fragen sachlich und auf hohem Niveau über Partei- und Fraktionsgrenzen hinweg besprechen können, zeigt die Stärke und die Qualität unserer politischen Kultur.

Ich will dafür ausdrücklich danken und will uns allen wünschen, dass dieses wirklich vorbildliche Verhalten auch für die Debatten tragen möge, die uns in diesem Land noch bevorstehen.

Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Als Nächster hat das Wort für die CDU/CSU-Fraktion Dr. Günter Krings.

(Beifall bei der CDU/CSU)

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Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7619586
Wahlperiode 20
Sitzung 207
Tagesordnungspunkt Bundesverfassungsgericht (Änderung GG und BVerfGG), Abgeordnetengesetz
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