19.12.2024 | Deutscher Bundestag / 20. WP / Sitzung 207 / Zusatzpunkt 6

Konstantin KuhleFDP - Bundesverfassungsgericht (Änderung GG und BVerfGG), Abgeordnetengesetz

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Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wir beraten heute im Parlament in zweiter und dritter Lesung einen wichtigen Schritt zur Erhöhung des Schutzes des Bundesverfassungsgerichts. Und wir tun das nicht im luftleeren Raum,

(Stephan Brandner [AfD]: Sonst könnten wir ja hier nicht sitzen!)

sondern wir tun das in einer Zeit, in der Autokraten auf der ganzen Welt versuchen, Verfassungsgerichte als wichtige rechtsstaatliche Institutionen zu beschädigen. Und das ist kein Wunder; denn es sind die Institutionen des Rechtsstaats, die erst aus einer Demokratie eine liberale Demokratie machen. Es sind Institutionen wie das Bundesverfassungsgericht, die dazu beitragen, dass die Macht in Deutschland und auch anderswo an das Recht gebunden ist. Das macht aus Deutschland eine liberale Demokratie.

(Zuruf von der AfD: Ah!)

Deswegen geht es bei dieser Änderung auch darum, den Charakter unseres Landes und unserer Staatsordnung als liberale Demokratie festzuschreiben und zu verteidigen, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Dr. Günter Krings [CDU/CSU] – Zuruf des Abg. Fabian Jacobi [AfD])

Es ist übrigens kein Wunder, dass Viktor Orbán in Ungarn das System, das er dort errichtet, als illiberale Demokratie bezeichnet. Und es ist auch kein Wunder, dass die Ideologen um den russischen Machthaber Wladimir Putin das System in Russland als – Zitat – souveräne Demokratie bezeichnen,

(Fabian Jacobi [AfD]: Wie nennt man das, was Sie hier in Deutschland veranstalten? Gelenkte Demokratie? – Zuruf der Abg. Dr. Irene Mihalic [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

weil es immer darum geht, den besonderen Charakter als liberale Demokratie, der sich in westlichen Demokratien, der sich in europäischen Staaten herausgebildet hat, zu beschädigen und kaputtzumachen. Auch deswegen bringen wir diese Änderung heute auf den Weg.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wenn man das Grundgesetz heute neu schreiben würde, wenn man sich heute zusammensetzen würde und eine Verfassung für unser Land schreiben würde, dann würde man ganz selbstverständlich Aspekte und Punkte aus der heute vorliegenden Änderung ins Grundgesetz reinschreiben. Das zeigt noch mal, dass es das Bundesverfassungsgericht selbst gewesen ist,

(Zuruf des Abg. Fabian Jacobi [AfD])

das sich seine Akzeptanz und sein Ansehen in den letzten Jahren seit seiner Einrichtung im Jahr 1951 erkämpft hat.

Es war zum Zeitpunkt der Gründung der Bundesrepublik und zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des Grundgesetzes keineswegs ausgemacht, dass das Bundesverfassungsgericht diese wichtige Stellung in unserem Staatsgefüge einnehmen würde. Das ist denjenigen zu verdanken, die in diesem Gericht über viele Jahre und Jahrzehnte gearbeitet haben. Es ist der Unabhängigkeit der Richterinnen und Richter zu verdanken, dass das gelungen ist. Deswegen ist das heute eine wichtige Nachzeichnung der Rechtsentwicklung mit Blick auf die Institution Bundesverfassungsgericht.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Ich will mich ganz herzlich bedanken bei allen Kolleginnen und Kollegen aus den Fraktionen der demokratischen Mitte.

(Stephan Brandner [AfD]: Genießen Sie Ihre letzte Rede, Herr Kuhle!)

Ich will mich aber auch bedanken bei all denjenigen, die als Sachverständige mitgewirkt haben und heute auch teilweise hier sind. Ich will mich bei denjenigen bedanken, die uns aus dem Journalismus, aus der Wissenschaft begleitet haben, uns Tipps gegeben haben und dieses wichtige Vorhaben mit vorangebracht haben.

Ich will aber auch darauf hinweisen, dass die heutige Änderung keine Garantie für den Bestand der liberalen Demokratie in sich trägt. Was wir heute machen, ist eine Erhöhung des Schutzes des Bundesverfassungsgerichts. Was wir heute auf den Weg bringen, ist eine Festschreibung, ist eine Sicherung des Charakters unserer Staatsordnung als liberale Demokratie. Aber die eigentliche Garantie für den Bestand dieser Verfassungsordnung muss von den Menschen selber kommen. Ohne den Rückhalt in der Bevölkerung geht es nicht.

Man muss es so klar sagen: Man kann die freiheitlich-demokratische Grundordnung und auch die liberale Demokratie nicht dauerhaft gegen den Willen der Mehrheit der Menschen in unserem Land schützen. Deswegen kommt es auf uns alle an, auch in der Bevölkerung, also bei den Menschen, dafür zu werben, dass Institutionen wie das Bundesverfassungsgericht ihr Ansehen, den Respekt und auch die Akzeptanz behalten. Dafür braucht es eine gesunde Streitkultur in diesem Land.

(Lachen des Abg. Fabian Jacobi [AfD])

Dafür braucht es Respekt für andere Meinungen. Und dafür braucht es – das will ich abschließend in dieser Debatte auch sagen – mehr Engagement in politischen Parteien. Darauf kommt es an.

(Zurufe der Abg. Fabian Jacobi [AfD] und Beatrix von Storch [AfD])

Ohne Engagement in politischen Parteien trocknet die liberale Demokratie in Deutschland allmählich aus. Und ohne dieses Engagement oder die Entscheidung bei Wahlen, breit getragen in der Bevölkerung, wird sich die liberale Demokratie auf Dauer nicht sichern lassen, auch wenn wir heute einen wichtigen Beitrag zum Schutz dieser Verfassungsordnung leisten.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU)

Als Nächster hat das Wort für die AfD-Fraktion Stephan Brandner.

(Beifall bei der AfD sowie der Abg. Robert Farle [fraktionslos] und Thomas Seitz [fraktionslos])

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Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7619590
Wahlperiode 20
Sitzung 207
Tagesordnungspunkt Bundesverfassungsgericht (Änderung GG und BVerfGG), Abgeordnetengesetz
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