Manfred TodtenhausenFDP - Wirtschaftswende für Deutschland
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist wahrscheinlich meine letzte Rede, die ich hier halten werde, und ich werde viele und vieles vermissen, aber eins jedoch nicht – ganz und gar nicht –, und zwar den Populismus und die Unwahrheiten der AfD.
(Beifall bei der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU)
Keine andere Fraktion hat mehr Ordnungsrufe bekommen als die AfD. Sie missachten dieses Haus – und es ist Ihnen egal. Und Sie missachten die Möglichkeiten, die Sie haben – und es ist Ihnen egal. Da sitzen bei so einem wichtigen Thema gerade mal sieben People und hören zu. Und die AfD zeigt Probleme auf, ohne echte Lösungsvorschläge zu nennen.
Das sieht man auch an Ihrem Antrag, dessen Titel das Wort „Wirtschaftswende“ enthält. Ja, wir brauchen eine Wirtschaftswende. Aber eins sage ich Ihnen: Man schafft keine Wirtschaftswende mit nur drei Punkten. Dafür braucht man mehr.
(Widerspruch bei Abgeordneten der AfD)
Was ist mit einem Jahressteuerabbaugesetz? Was ist mit der Stärkung der beruflichen Bildung? Was ist mit der Entbürokratisierung des deutschen Steuergesetzes? Was ist mit dem Fachkräftemangel? Was ist mit flexiblen Arbeitszeitmodellen? Was ist mit der Anpassung der Ladenöffnungszeiten? Was ist mit dem flexiblen Renteneintritt? Was ist mit der umfassenden Digitalisierung? Ich könnte so fortfahren mit alldem, was da nicht drinsteht.
Ich habe hier im Plenum schon einmal erläutert, wieso die Wirtschaftspolitik der AfD nicht nur unverantwortlich ist, sondern auch äußerst schädlich für unser Land wäre.
(Beifall bei der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)
Davor warnen auch die Wirtschaftsverbände: Die AfD würde unsere gut integrierten Fachkräfte aus dem Land jagen. – Das hat Frau Weidel erst am Montag hier noch gesagt. In ein Land nach den Vorstellungen der AfD würden auch keine dringend benötigten Fachkräfte kommen. Außerdem würde die Vereinbarkeit von Familie und Beruf massiv eingeschränkt.
(Zuruf des Abg. Kay Gottschalk [AfD])
Deutschland würde außer aus der NATO auch aus dem europäischen Binnenmarkt aussteigen. Es gäbe kein Freihandelsabkommen mehr. Das sind nur ein paar Beispiele von vielen. Und: Unsere Russlandfreunde würden uns noch ganz andere Probleme bereiten.
(Beatrix von Storch [AfD]: Alles geschenkt!)
Die Wirtschaftspolitik der AfD bedeutet Rückschritt und gefährdet die Zukunft unseres Landes.
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD, der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Sie würde unsere Wirtschaft schwächen und Deutschland international isolieren.
(Beatrix von Storch [AfD]: Wer ist denn verantwortlich für den Zustand jetzt, hä?)
Wir brauchen genau das Gegenteil: eine Wirtschaftspolitik, die an unser Land und unser Potenzial glaubt, eine Wirtschaftspolitik, die positiv ist, die den Unternehmern die Freiheit gibt, zu wachsen und sich weiterzuentwickeln.
(Zurufe von der AfD)
– Wenn die schreien, habe ich recht.
(Beifall bei der FDP und der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Meine heutige Rede halte ich aber ausnahmsweise als einer der wenigen Handwerker hier im Haus, und sie richtet sich an 5,6 Millionen Handwerkerinnen und Handwerker und deren Familien. Wir sind Handwerker aus Leidenschaft. Hier im Haus sind leider zu wenig von uns vertreten; das muss man sagen.
(Zuruf von der FDP: Bleib hier! – Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD)
Hier im Haus wissen leider auch nur wenige, was Handwerk wirklich braucht.
(Zuruf von der AfD: Doch, wir haben einen! Er gehört zu den Handwerksmeistern! – Gegenruf des Abg. Enrico Komning [AfD]: Der sitzt ganz oben!)
Hier denken viele, dass der Handwerker gerne im Büro sitzt. Nein, er sitzt nicht gerne im Büro. Er findet es auch nicht toll, Formulare und Dokumentationen auszufüllen. Er wäre lieber auf der Baustelle. Er wäre lieber bei seinen Kunden. Er wäre lieber bei seinen Mitarbeitern. Dafür brennen wir Handwerker, und das machen wir gerne.
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD, der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Doch das ist immer seltener möglich; denn zu viel Bürokratie hindert uns daran.
(Zurufe der Abg. Kay Gottschalk [AfD] und Beatrix von Storch [AfD])
Das sind die Steine, die den Unternehmen in den Weg gelegt werden. Diese Steine zwingen uns Handwerker am Wochenende ins Büro, anstatt die Zeit mit der Familie zu verbringen. Diese Steine muss die Politik schnellstens aus dem Weg räumen, um die dringend benötigte Wirtschaftswende für unser Land zu schaffen.
(Beifall bei der FDP)
Wir haben einiges erfolgreich in der Koalition erreicht: die Exzellenzinitiative Berufliche Bildung, das Wachstumschancengesetz. Und dafür möchte ich mich auch bedanken bei den Kollegen aus der Koalition: Sandra Detzer, Maik Außendorf – ich müsste eigentlich alle nennen –, natürlich Hannes Walter. Wir haben stets gut und vertrauensvoll miteinander gearbeitet. Aber wir haben nicht genug erreicht, wir haben nicht genug geschafft; gerade im Wirtschaftsbereich hätten wir besser sein können.
(Beifall bei der FDP)
Im Sommer haben wir uns innerhalb der Koalition auf die Wirtschaftsinitiative verständigt. Doch selbst dieses Paket, das noch weit entfernt von dem ist, was unser Land wirklich braucht, kam nicht voran.
Es ist nun an der Zeit, sich neu aufzustellen. Deutschland braucht eine Richtungsentscheidung. Die wird es am 23. Februar 2025 geben.
Liebe Kolleginnen und Kollegen hier im Parlament, aber auch im Land, in den Büros, auf den Baustellen und an den Werkbänken, es war mir eine große Ehre, hier im Bundestag als Abgeordneter und auch als Vertreter des Handwerks zu sein. Ich bin Abgeordneter aus Leidenschaft, und ich bin Handwerker aus Leidenschaft. Sie merken, ich bin gerührt. Ich bin dankbar dafür, dass ich diese beiden Leidenschaften hier miteinander verbinden durfte. Wer schon einmal eine Veranstaltung von Handwerkern erlebt hat, weiß, wie man sich dort verabschiedet: Gott schütze die Demokratie, Gott schütze das ehrbare Handwerk!
Vielen Dank.
(Beifall bei der FDP, der SPD, der CDU/CSU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Matthias W. Birkwald [Die Linke])
Source | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
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Electoral Period | 20 |
Session | 207 |
Agenda Item | Wirtschaftswende für Deutschland |