Sebastian HartmannSPD - Migrationspolitik
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich denke, dass die Rede der Kollegin der Union deutlich gemacht hat, welche Schwierigkeiten die Union mittlerweile hat, sich mit ihrer sogenannten Migrations- und Asylpolitik nach rechts außen abzugrenzen.
(Beifall bei der SPD – Dr. Oliver Vogt [CDU/CSU]: Das war doch eben ganz klar! – Weitere Zurufe von der CDU/CSU)
Sie befinden sich in einem Fahrzeug, das in einer immer enger werdenden Sackgasse immer schneller fährt.
(Dr. Oliver Vogt [CDU/CSU]: Nicht zugehört, Herr Kollege Hartmann!)
Sie sind auf etwas eingegangen, was man in diesem Bundestag nicht tun sollte: Sie sind in die Falle der populistischen Stimmungsmache gelaufen.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Dr. Oliver Vogt [CDU/CSU]: Jetzt wollen wir es mal nicht übertreiben hier! – Weitere Zurufe von der CDU/CSU)
Aus dieser Sackgasse kommen Sie nicht raus; denn so sehr auch Ihr Antrag Begrenzung und Humanität im Asylrecht zum Thema hat – wenn man ihn liest, liest man Ausgrenzung, Abgrenzung, Abschottung, Schlagzeilen- und Symbolpolitik.
(Dr. Oliver Vogt [CDU/CSU]: Eine sehr selektive Wahrnehmung! – Dr. Irene Mihalic [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Frau Lindholz hat gesagt, da liest man humanitäre Verantwortung!)
Meine Damen und Herren, das kann nicht die Antwort der Union auf die grundlegenden Fragen unserer Zeit in der Asyl- und Migrationspolitik sein.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Dr. Bernd Baumann [AfD]: Das ist der Koalitionspartner der CDU!)
Sie haben im Koalitionsvertrag einiges entdeckt und benannt, es aber in einen völlig falschen Zusammenhang gerückt. Sie betreiben Fake News – ich sage Ihnen das in aller Deutlichkeit –, Sie betreiben Fake News. Wenn Sie über das modernste Staatsangehörigkeitsrecht reden, das wir in Deutschland jemals geschaffen haben,
(Alexander Throm [CDU/CSU]: Was ist daran modern? Das ist doch Unsinn! 80 Prozent der Bevölkerung sind dagegen!)
das wir erst vor Kurzem beschlossen haben, kann das nicht die Ursache dafür sein, dass in den vergangenen Jahren Millionen Menschen nach Europa geflohen sind; denn das neue Staatsangehörigkeitsrecht ist erst danach gekommen.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD)
Zweiter Punkt. Sie haben die zwei Hauptursachen der Migrationskrise nicht benannt.
(Stephan Brandner [AfD]: Angela Merkel und was noch?)
Es sind Putin in der Ukraine und Assad in Syrien, und sie werden verehrt von der AfD,
(Stephan Brandner [AfD]: Haben Sie schon zu Ende studiert, Herr Hartmann? Was macht denn eigentlich Ihr Jurastudium?)
die Assad und Putin doch immer wieder verteidigt hat, auch hier in diesem Haus. Es gehörte zur Union dazu, dass Sie genau das auch benennen; denn dieser Mann, Putin, ist für 1 Million und eine weitere Million Geflüchteter von den 3 Millionen, die in Deutschland zurzeit Aufenthaltsstatus genießen, verantwortlich.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Thorsten Frei [CDU/CSU]: Auch für die 400 000 Afghanen, oder wie? – Alexander Throm [CDU/CSU]: Deswegen wehren wir uns nicht, oder was? – Dr. Oliver Vogt [CDU/CSU]: Sie müssen auch mal die Pull-Faktoren anschauen!)
Dritte Ursache. Sie sind diejenigen, die mit Angela Merkel wesentliche Dinge in der Asyl- und Migrationspolitik nicht geregelt bekommen haben.
(Stephan Brandner [AfD]: Aha!)
Der damalige deutsche Innenminister, er war niemals in Europa unterwegs,
(Stephan Brandner [AfD]: Wo denn sonst? In Deutschland?)
als es darum ging, das europäische Asylrecht neu zu starten und dann dafür zu sorgen, dass es auf die gemeinsamen Herausforderungen auch eine europäische Antwort gibt.
(Dr. Oliver Vogt [CDU/CSU]: Heute spricht keiner mit den Deutschen!)
Angela Merkel und Horst Seehofer sind ja krachend gescheitert.
Wir haben das in der rot-grünen Regierung, in der Ampelregierung gemeinsam hinbekommen. Mehr Rücknahmeabkommen als jemals zuvor und ein Neustart im Gemeinsamen Europäischen Asylsystem,
(Zurufe von der CDU/CSU)
das sind Erfolge, die sind nicht wegzudiskutieren.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD)
Wir schaffen es, Rückführungen vorzunehmen, indem wir Rücknahmeabkommen schließen und effektiv vorgehen. Wir schieben die Verantwortung nicht ab. Aber die Länder – sie tragen die Verantwortung für Rückführungen – sind doch häufig unionsregiert.
(Andrea Lindholz [CDU/CSU]: Bei der SPD sind immer andere schuld!)
Viele Oberbürgermeisterinnen und Oberbürgermeister sowie Landräte gehören der Union an. Die haben Ihnen aufgeschrieben, dass sie keine Schlagzeilen wollen, sondern ernsthafte Zusammenarbeit und eine umfassende Entschuldung der Kommunen und entsprechende Unterstützung. Das wollen wir auf den Weg bringen. Es blockiert Markus Söder, wenn es darum geht, die Kommunen entsprechend zu unterstützen.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Alexander Throm [CDU/CSU]: Das sind die Altschulden der SPD in NRW! Darum geht’s!)
Integration ist die Grundlage unseres gesellschaftlichen Friedens. Wir haben zu Beginn der Ampelregierung, zum Ende der Regierungszeit Angela Merkels, die Situation vorgefunden, dass über 300 000 Menschen vollziehbar ausreisepflichtig waren. Wir haben pragmatisch gehandelt,
(Lachen bei Abgeordneten der CDU/CSU – Zuruf des Abg. Alexander Throm [CDU/CSU])
als wir erkannt haben: Eine große Zahl dieser Menschen spricht unsere Sprache, ist gut integriert, zahlt Steuern. Sie haben ein Chancen-Aufenthaltsrecht bekommen, und sie haben es genutzt. Es sind Menschen, die in unserer Gesellschaft einen Beitrag leisten.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Zuruf von der CDU/CSU: Nein, überhaupt nicht! – Stephan Brandner [AfD]: Wie viele sind das denn? Nennen Sie mal Fakten!)
Es sind auch unionsgeführte Regierungen gewesen, die Fachkräfte angeworben haben in den 50er- und 60er-Jahren.
(Thorsten Frei [CDU/CSU]: Ja, Fachkräfte! – Zuruf von der AfD: Was hat das denn mit Asyl zu tun?)
Es muss uns zu denken geben, dass Millionen von Menschen in diesem Staat über Jahrzehnte leben, Steuern zahlen, einen Beitrag zu unserer Gesellschaft leisten und keinen Weg in das Staatsangehörigkeitsrecht gefunden haben.
(Andrea Lindholz [CDU/CSU]: Was sind das denn für Fake News?)
Wir haben jetzt ein modernes Staatsangehörigkeitsrecht geschaffen. Wir verstecken uns dahinter nicht.
(Zuruf des Abg. Thorsten Frei [CDU/CSU])
Wenn Sie weiter meinen, dass Sie mit diesem Kurs nach rechts außen irgendeine Mehrheit in diesem Parlament finden,
(Lachen des Abg. Dr. Bernd Baumann [AfD])
dann merken Sie, dass rechts von Ihnen gelacht wird.
(Dr. Bernd Baumann [AfD]: Genau! Über Sie! Das ist der Koalitionspartner der CDU! Da sieht man den ganzen Betrug! – Zuruf des Abg. Thorsten Frei [CDU/CSU])
Ist das Ihr Angebot für diese entscheidende Wahl am 23. Februar? Ich wage, es zu bezweifeln.
Liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger, fallen Sie nicht auf die einfachen Antworten der Populisten, die immer wieder grundfalsch sind, herein!
(Stephan Brandner [AfD]: Welche sind denn falsch? Erzählen Sie mal!)
Wer glaubt, dass in dieser Zeit der Nationalstaat die alleinige Lösung ist, der verkennt, dass in Europa gemeinsam gehandelt werden kann,
(Stephan Brandner [AfD]: Funktioniert doch nicht! – Andrea Lindholz [CDU/CSU]: Darauf warten wir jetzt seit elf Jahren! – Dr. Oliver Vogt [CDU/CSU]: Dann fangen Sie doch mal endlich an mit dem Handeln!)
wenn es um ein gemeinsames europäisches Asylrecht geht. Wer glaubt, dass wir eine der internationalen Krisen allein, nationalstaatlich, lösen können, der irrt.
(Dr. Oliver Vogt [CDU/CSU]: Aber nur die Verantwortung abschieben, geht auch nicht!)
Und wer darüber hinwegtäuscht, dass die Länder und der Bund gemeinsam die Verantwortung tragen, und daraus nur eine Diskussion zwischen dem Bund und den Ländern machen will, der irrt.
Deswegen, meine Damen und Herren, ist dies der Moment, Bilanz zu ziehen. Was die Union mit ihrer zuspitzenden Rhetorik geschafft hat, ist, zur Verhärtung in diesem Land beizutragen. Keiner Ihrer Vorschläge, der in diesem Antrag enthalten ist, hat irgendeine direkte Auswirkung auf unser Zusammenleben – außer zu spalten, außer den Populismus voranzutreiben.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD)
Wir werden diesen Antrag entschieden ablehnen,
(Stephan Brandner [AfD]: Sie sollten den Schuh ausziehen und auf das Pult hauen! Studieren Sie erst mal zu Ende, Herr Hartmann!)
weil wir der Auffassung sind, dass man nicht nach rechts außen wegkippen darf, sondern gemeinsam daran arbeiten kann, dieses Land zusammenzuführen, wo andere spalten wollen; dass wir die Ursachen – Putin in der Ukraine und Assad in Syrien; die Verehrer sitzen bei der AfD – gemeinsam benennen können. Das haben wir pragmatisch getan angesichts der Herausforderungen dieser Zeit.
(Dr. Oliver Vogt [CDU/CSU]: Deshalb sind die Zustimmungswerte auch so hoch, astronomisch hoch!)
Wir freuen uns auf den Tag der Entscheidung, den 23. Februar, weil wir für eine humane Politik werben werden, für Rechtsstaatlichkeit und Ordnung; denn das gehört zusammen.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Stephan Brandner [AfD]: Mein Gott, war das schlecht!)
Als Nächster hat das Wort für die FDP-Fraktion Stephan Thomae.
(Beifall bei der FDP)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7619949 |
Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 208 |
Tagesordnungspunkt | Migrationspolitik |