Stephan ThomaeFDP - Migrationspolitik
Vielen Dank. – Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Die Migrationspolitik des Jahres 2024 ist nicht mehr die gleiche wie die des Jahres 2021. Wir haben zu Beginn dieser Wahlperiode eine Migrationspolitik übernommen, in der es kein echtes Gesamtkonzept für eine Begrenzung und Steuerung von Migration gegeben hat.
(Lachen des Abg. Stephan Brandner [AfD] – Dr. Bernd Baumann [AfD]: Gibt es immer noch nicht! – Gegenruf des Abg. Stephan Brandner [AfD]: Genau!)
In der Zwischenzeit ist sehr, sehr vieles geschehen, um Migration besser zu steuern, besser zu kontrollieren und zu begrenzen.
(Stephan Brandner [AfD]: Klappt ja wunderbar!)
Ich möchte das Rückführungsverbesserungsgesetz erwähnen, dessen Wirkung ist, dass die Zahl der Abschiebungen jetzt um 20 Prozent, 25 Prozent gestiegen ist. Ich möchte das Asylverfahrensbeschleunigungsgesetz erwähnen, das dazu führte, dass die Asylgerichtsverfahren in Rheinland-Pfalz im Durchschnitt jetzt nur noch vier Monate dauern. Ich möchte erwähnen, dass wir die Bezahlkarte bundesweit eingeführt haben. Wir haben weitere sichere Herkunftsstaaten ausgewiesen. Wir haben erste Migrationsabkommen geschlossen.
(Stephan Brandner [AfD]: Wer ist eigentlich „wir“, Herr Thomae? Sind Sie noch in der Regierung, oder was?)
Wir haben gezeigt, dass auch Abschiebungen nach Afghanistan möglich sind. Wir haben Grenzkontrollen fortgesetzt und ausgeweitet. Und wir haben die GEAS-Reform in Europa durchgesetzt und anderes mehr.
Vieles von diesen Dingen trägt – das möchte ich mit Blick auf meine Fraktion sagen – sehr, sehr deutlich die Handschrift der FDP.
Die Kehrtwende, die Sie, die Union, jetzt fordern, ist eingeleitet. Dieser Weg muss jetzt sicherlich weiter beschritten werden.
(Andrea Lindholz [CDU/CSU]: Aber da hat die SPD ja eine ganz andere Auffassung dazu!)
Wir stehen nicht am Anfang einer Kehrtwende, wir stehen mittendrin, meine Damen und Herren.
(Beifall bei Abgeordneten der FDP – Alexander Throm [CDU/CSU]: Ich dachte, Sie haben die Ampel auch deshalb verlassen! Erzählt Ihr Vorsitzender hier Fake News?)
In diesen Tagen haben wir zwei Anträge zur Migrationspolitik vorliegen: den Antrag der CDU/CSU „Politikwechsel für Deutschland“ und den Antrag der FDP-Fraktion „Für eine neue Realpolitik in der Migration“, der gestern hier ohne Debatte beraten worden ist. Wenn man diese beiden Anträge nebeneinanderlegt, dann sieht man, dass es eine ganze Reihe von Ähnlichkeiten und Übereinstimmungen gibt, aber auch ein paar Unterschiede. Zwei oder drei Punkte möchte ich herausarbeiten:
Zunächst fällt mir auf, was in Ihrem Antrag fehlt. Darin wird nichts zur Arbeitskräfteeinwanderung, zur Einwanderung in den Ausbildungs- und Arbeitsmarkt in Deutschland gesagt.
(Andrea Lindholz [CDU/CSU]: Das ist ein völlig anderes Thema! Deshalb steht es da auch nicht mit drin!)
Wir wissen, dass wir Zuwanderung aus dem Ausland in den Arbeitsmarkt benötigen. Das ist in der Wirtschaft notwendig. Auch als Konsumenten können wir feststellen, dass es allenthalben an Arbeitskräften fehlt.
(Zuruf des Abg. Dr. Rainer Kraft [AfD])
Das ist ein Wirtschaftsthema, es ist aber auch ein Migrationsthema; denn wenn ich eine Alternative zu Einwanderung auf dem Fluchtweg anbiete, dann kann ich Migration, die nicht durch Krieg oder Bürgerkrieg verursacht ist, sondern stattfindet, weil jemand ein besseres Leben sucht, besser steuern und begrenzen. Ich biete eine Alternative zur Fluchtmigration an.
(Stephan Brandner [AfD]: Das heißt: „Türen auf!“, anstatt die Türen zuzumachen!)
Deswegen ist Arbeitskräfteeinwanderung – gesteuert, reguliert, geordnet – ein Weg, um Migration besser zu steuern und zu begrenzen. Das ist also in zweierlei Hinsicht ein wichtiger Punkt, in wirtschaftlicher, aber auch in migrationspolitischer Hinsicht, meine Damen und Herren. Das ist ein wichtiger Teil unseres Antrags, der dem Antrag der Union ganz und gar fehlt.
Ein zweiter Punkt, den ich herausarbeiten will, ist das Thema Einbürgerung. Das ist bei Ihnen ein neuralgischer Punkt, auf den Sie immer hinweisen. Vor allem, glaube ich, geht es Ihnen um die beiden Punkte der doppelten Staatsangehörigkeit und der verkürzten Wartefrist, also die beschleunigte Einbürgerung, früher nach acht bzw. sechs Jahren, jetzt nach fünf bzw. drei Jahren. Ich glaube, Sie treibt da die Angst, dass damit ein Pullfaktor ausgelöst wird.
(Stephan Brandner [AfD]: Natürlich! Was denn sonst? – Andrea Lindholz [CDU/CSU]: Die Voraussetzungen sind doch gesunken!)
Aber sehen Sie diese verbesserte Einbürgerung doch mal als einen Anreiz für die Arbeitskräfteeinwanderung.
(Andrea Lindholz [CDU/CSU]: So ein Quatsch!)
Wir brauchen in unserem Land Arbeitskräfte aus dem Ausland.
(Andrea Lindholz [CDU/CSU]: Wir brauchen weniger Bürokratie!)
Aber wir haben gewisse Nachteile im weltweiten Wettbewerb um die klügsten Köpfe und um die fleißigsten Hände: die Sprache, komplizierte Verfahren und auch, dass wir kein klassisches Einwanderungsland mit einer Einwanderungskultur sind. Wir brauchen dann mindestens auf anderem Gebiet gewisse Anreize, um Menschen, die bei uns arbeiten wollen, die sich bei uns ausbilden lassen wollen, Anreize zu bieten, nach Deutschland zu kommen, und da kann ein modernes Einbürgerungsrecht durchaus ein Werbemittel sein, um deutlich zu machen: Wir geben auch ein Aufstiegsversprechen.
(Zuruf der Abg. Dr. Silke Launert [CDU/CSU])
Wer zu uns kommen möchte, um bei uns zu arbeiten, sich ausbilden zu lassen, etwas zum Gelingen dieser Gesellschaft beizutragen, dem wollen wir es einfacher machen, es besser machen. Deswegen ist die Einbürgerung ein Element der Arbeitskräfteeinwanderung.
Als dritten Punkt möchte ich die Drittstaatenabkommen ansprechen, weil Sie die in Ihrem Antrag auch thematisieren. Da sind wir ja bereits dran. Es gab eine ganze Reihe von Expertenanhörungen, die aber gezeigt haben: Es ist rechtlich, politisch, faktisch sehr kompliziert. Ich bin aber der Meinung, wir sollten dies versuchen. Nur muss es auch wirklich auf soliden Grundlagen stehen. Versuche mit Ruanda, mit Albanien haben ersichtlich nicht gut funktioniert. Deswegen brauchen wir einen klaren Findungsprozess. Wir brauchen ein gut ausgehandeltes Drittstaatenaabkommen, mit dem wir zeigen können: Das kann funktionieren: rechtsstaatliche und menschenwürdige Unterbringungsmöglichkeiten in anderen Staaten. Hier würde ich empfehlen, den Aufgabenbereich des Sonderbevollmächtigten Joachim Stamp, der momentan Migrationsabkommen aushandelt, zu erweitern; er könnte auch für die Aushandlung von Drittstaatsabkommen eingesetzt werden.
(Julian Pahlke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Oder abgesetzt!)
Ich danke Ihnen und wünsche einen schönen Advent und ein frohes Weihnachtsfest. Vielen Dank.
(Beifall bei der FDP – Sebastian Hartmann [SPD]: Sehr gute Idee!)
Als Nächste hat das Wort für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Filiz Polat.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Helge Lindh [SPD])
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7619950 |
Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 208 |
Tagesordnungspunkt | Migrationspolitik |