Lars CastellucciSPD - Migrationspolitik
Vielen Dank. – Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Bislang musste man in diesen Debatten, wenn man nach einem Redner der AfD sprach, erst mal etwas zu diesem Redner der AfD sagen. Mittlerweile passt aber zwischen Union und AfD kein Blatt Papier mehr.
(Alexander Hoffmann [CDU/CSU]: Eijeijei!)
Deswegen kann ich mich direkt der Union zuwenden.
(Beifall bei der SPD – Julian Pahlke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das Wahlprogramm ist dasselbe! – Gegenruf der Abg. Dr. Silke Launert [CDU/CSU]: Diese „Jeder ist Nazi“-Methode funktioniert nicht mehr!)
Meine sehr verehrten Damen und Herren, es ist eine traurige Tatsache, dass Menschen in vielen Ländern dieser Welt politisch verfolgt werden, weil Machthaber der Auffassung sind, sie hätten den falschen Glauben oder die falsche sexuelle Orientierung, das falsche Geschlecht. Wir sind der Auffassung, dass diese Menschen ein Recht haben, anderswo Schutz zu finden. Die Union stellt das Grundrecht auf Asyl infrage. Wir verteidigen das Grundrecht auf Asyl. Das ist der fundamentale Unterschied.
(Beifall bei der SPD – Detlef Seif [CDU/CSU]: Das stimmt aber nicht!)
Weiterhin gibt es Menschen, in deren Ländern Kriege oder Bürgerkriege wüten. Menschen, die vor Bomben und Terror fliehen, haben ebenfalls ein Recht, anderswo Schutz zu finden.
(Moritz Oppelt [CDU/CSU]: Wir reden da von ganz wenigen! Das ist doch Quatsch! – Weiterer Zuruf von der CDU/CSU: Dann ist das anderswo!)
Und wenn diese Kriege und Bürgerkriege andauern, bleiben die Menschen oft viele Jahre in der Fremde, fürchten um ihre Ehepartner, um die Kinder, die zurückbleiben mussten. Wir sind der Auffassung, dass die Familie ein schützenswertes Gut ist, dass Familien zusammengehören. Die Union will Familien dauerhaft auseinanderreißen.
(Alexander Hoffmann [CDU/CSU]: Was für eine Verkürzung! Sorry! Das ist Gutmenschenpopulismus, was Sie da machen, nichts anderes! Immer wieder dieselbe Schallplatte! – Alexander Throm [CDU/CSU]: Unerträglich! Wir wollen den subsidiären Schutz abschaffen!)
Verehrte Kolleginnen und Kollegen der Union, ich hoffe, die bevorstehenden Festtage bieten Ihnen Gelegenheit, ein wenig zur Besinnung zu kommen.
(Beifall bei der SPD sowie der Abg. Jamila Schäfer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Nebenbei: Wenn Sie die legalen Wege weiter beschneiden, werden Sie die illegale Migration nicht in den Griff bekommen. Im Gegenteil: Legale Wege eröffnen und so auch irreguläre Wege eindämmen, das ist der richtige Weg.
(Beifall bei der SPD)
Meine sehr verehrten Damen und Herren, es ist nicht mal ein halbes Prozent der Weltbevölkerung, das vom Flüchtlingswerk der Vereinten Nationen überhaupt als Flüchtlinge gezählt wird.
(Steffen Janich [AfD]: Die wollen alle nach Deutschland, oder was?)
Ich bin der festen Überzeugung, dass es der Weltgemeinschaft mit etwas gutem Willen gelingen kann, diesen Menschen, diesem halben Prozent der Weltbevölkerung, Schutz zu gewähren und ihre Menschenwürde zu gewährleisten. Das ist nicht nur moralisch geboten; das ist leistbar.
Entscheidend ist, dass wir mehr Länder dafür gewinnen, Verfolgten Schutz zu bieten. Und dafür brauchen wir eine neue Allianz, eine neue internationale Allianz für den Flüchtlingsschutz. Hier kommen auch Länder wie Ruanda ins Spiel, zu denen Sie jetzt heute Morgen gar nichts gesagt haben, aber die in Ihrem Antrag ja drinstehen. Sie von der Union plädieren dafür, dass sich Deutschland aus der internationalen Solidarität verabschiedet. Das ist ein Irrweg, der nur zu mehr Leid und Durcheinander führen wird. Wir stehen für Solidarität
(Steffen Janich [AfD]: Sie wollen die Tore öffnen!)
in Europa und über Europa hinaus, und das ist der richtige Weg.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD)
Meine Damen und Herren, der Anteil der weltweit Geflüchteten in Europa ist mit Beginn des Angriffskrieges Russlands gegen die Ukraine von 10 auf immerhin 20 Prozent gestiegen. Und mit dem Ende der Coronapandemie ist das Reisen nicht nur für uns alle wieder möglich und leichter geworden, sondern auch, ja, für Migrantinnen und Migranten und für Flüchtlinge. Diese steigenden Zahlen sind eine Herausforderung für alle, die haupt- und ehrenamtlich mit diesen Fragen zu tun haben, allen voran für die Städte und Gemeinden. Deshalb, werte Kollegen von der Union, hat die Koalition, hat die Bundesregierung ja gegengesteuert, und zwar erfolgreich. Die Zahl der Asylanträge ist im Jahresvergleich um fast 30 Prozent zurückgegangen,
(Zuruf des Abg. Christoph de Vries [CDU/CSU])
in den letzten Monaten sogar um die Hälfte. Während Sie immer die gleichen untauglichen Vorschläge zu Papier bringen, bekommen Sie gar nicht mit, dass unsere Maßnahmen längst wirken.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Alexander Hoffmann [CDU/CSU]: Eijeijeijeijei!)
Meine Damen und Herren, wenn Sie Zeuge eines Unfalls im Straßenverkehr sind, wenn der Nachbar krank ist oder wenn es eben um die Aufnahme von Geflüchteten geht, dann gibt es einen guten Grundsatz im Leben, und der heißt: Helfen, soweit Hilfe
(Alexander Throm [CDU/CSU]: … notwendig ist! – Lachen bei Abgeordneten der FDP)
möglich ist. Niemand soll sich überfordern. Deshalb ist es richtig, für eine Begrenzung der Zahlen einzutreten. Aber wir sollten umgekehrt auch tun, was in unseren Möglichkeiten liegt. Bitte vergessen wir nicht: Es geht um Menschen und um Mitmenschlichkeit. Das ist auch ein Thema, das hier angesprochen werden muss. Durch diese Brille müssen wir das Thema einmal sehen.
Es geht um Mitmenschlichkeit, aber es geht leider auch um ein Geschäft: Allzu oft bestimmen Schlepper und Schleuser, wer es bis zu einem sicheren Ort schafft. Das kann selbstverständlich so nicht bleiben. Wir müssen die internationale polizeiliche Zusammenarbeit weiter verbessern, damit uns nicht nur die kleinen Fische, sondern auch die Hintermänner in die Fänge gehen. Entscheidend ist aber, dass Menschen Alternativen haben, dass sie sich den Schleppern und Schleusern nicht anvertrauen müssen. Deswegen: Wir müssen ausbauen, was es an sicheren und legalen Wegen für Menschen auf der Flucht gibt.
Dann ist richtig, dass derjenige, der keinen Schutzstatus bekommt, in sein Heimatland zurückkehren muss. Bei diesen Rückführungen sind wir in den letzten beiden Jahren deutlich besser geworden. Um 20 bis 30 Prozent ist die Zahl der Rückführungen, auch der freiwilligen Rückkehr, gesteigert worden. Es gilt, in diesem Bereich schlicht Recht und Ordnung durchzusetzen. Aber dass kaum ein Tag vergangen war, seitdem der Diktator Assad sein Heimatland verlassen hatte, und Sie schon sagten: „Bitte schön, die Syrer können jetzt alle wieder zurück“, das fand ich unangemessen und unanständig.
(Beifall bei der SPD sowie des Abg. Julian Pahlke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Es ist richtig: Wenn im Heimatland wieder Sicherheit herrscht, dann gelten unsere Gesetze, und die besagen, dass man dann wieder zurückkehren muss. Aber davon sind wir im Moment noch weit entfernt, dazu ist die Lage noch zu unklar.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, das Gemeinsame Europäische Asylsystem, Migrationsabkommen, sichere Herkunftsstaaten, Grenzkontrollen: Diese Regierung hat tatkräftig gehandelt, sie hat erfolgreich gehandelt. Es ist noch nicht alles gut.
Herzlichen Dank, Herr Kollege.
Aber auf diesem Weg sollten wir beherzt weitergehen.
Ich wünsche Ihnen frohe Festtage.
(Beifall bei der SPD)
Der Kollege Detlef Seif hat das Wort für die CDU/CSU.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7619958 |
Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 208 |
Tagesordnungspunkt | Migrationspolitik |