Susanne MittagSPD - Änderung des Tierhaltungskennzeichnungsgesetzes
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir kehren mal zum zu beratenden Gesetzentwurf zurück; das hilft ja in der Debatte.
(Widerspruch bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Hier und heute behandeln wir eine entscheidende Frage: die Frage der Haltung der Verbraucherinnen und Verbraucher und damit auch der von uns – Verbraucherinnen und Verbraucher sind wir alle hier ja auch – gegenüber der Haltung von Tieren in der Landwirtschaft. Und das ist nicht zu hoch gegriffen: Sehr viele Verbraucherinnen und Verbraucher wollen sehr wohl wissen – nach aktuellen Umfragen so um die 85 Prozent; mal mehr, mal weniger –, wie unsere Nutztiere gehalten werden, wie sie ihr Leben verbracht haben, bevor sie dem Genuss zugeführt werden. Die Verbraucherinnen und Verbraucher wollen dies nicht nur beim Einkauf wissen, sondern auch beim Verzehr, sei es im Restaurant, im Imbiss, aber auch in Kantinen, Krankenhäusern, Pflegeheimen – auch da wird viel über gesunde und gute Ernährung gesprochen –, beim Onlineversand – der ist heutzutage nicht zu unterschätzen – und bei den weiteren Formen der Außer-Haus-Verpflegung.
Als Endverbraucher möchte ich doch zum Beispiel wissen, welche Zutaten und Zusatzstoffe in meinem Essen oder in den Produkten enthalten sind,
(Ingrid Pahlmann [CDU/CSU]: Zusatzstoffe?)
sei es aus Interesse oder wegen der Verträglichkeit.
(Max Straubinger [CDU/CSU]: Wir reden über Tierhaltungskennzeichnung!)
– Einfach zuhören, wenn es geht. – Auch das ist vor Jahren festgelegt worden und wird ohne Probleme durchgeführt. Weil aber im Bereich der Zusatzstoffe eine Freiwilligkeit nicht durchzusetzen war, ist die Notwendigkeit, das festzuschreiben, auch heute noch völlig unstrittig.
Die Vielzahl der existierenden Beschreibungen und Labels sorgt nicht für Vergleichbarkeit. Es gibt keine Transparenz. Sie sind alle privatwirtschaftlich und unterliegen auch keiner wie immer gearteten Systematik. Sie sind schlichtweg verwirrend. Da steigt keiner mehr durch.
(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Zuruf vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
– Könnte man machen, ja, weil es verwirrend ist für alle Verbraucher.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Die Vielzahl der Labels zeigt aber auch, wie hoch das marktwirtschaftliche Interesse an einer Klassifizierung und einem Label ist. Das sollte uns zum Nachdenken anregen.
Die Notwendigkeit einer einheitlichen und vereinfachenden Regelung ist aber nicht nur ein Bedürfnis von uns allen, sondern wird auch von der Zukunftskommission Landwirtschaft – jetzt zum zweiten Mal schon – und der Borchert-Kommission als notwendig erachtet. Dass dort allerhand Fachverstand Vorschläge dazu erarbeitet hat, das wird ja wohl keiner hier im Raum infrage stellen.
Selbstverständlich gab es auch unterschiedliche Auffassungen zu diesem Gesetz hinsichtlich der Umsetzung, etwa bei Praktikabilität, Verständlichkeit und Bürokratiearmut. Das wird ja immer gefordert, was auch nachvollziehbar ist. Deswegen wurde auch sehr lange verhandelt.
Es wurden Fachgespräche geführt, Experten und Expertinnen angehört, und es wurde auch verbessert. Das Ergebnis ist eine richtig große Bandbreite an sehr einfachen Möglichkeiten, um dem Informationsbedarf und dem Verbraucherschutz nachzukommen. Ob schriftlich, digital, einfach lesbar: Es muss nur umgesetzt und bereitgestellt werden. Jede Betreiberin und jeder Betreiber kann das – angepasst an die eigene jeweilige Betriebsform – selbst entscheiden. Das umfasst ein riesiges Portfolio. Es ist bürokratiearm.
(Ingrid Pahlmann [CDU/CSU]: Ach!)
Es kann sogar an der Theke, an der Kasse, auf der Speisekarte nur der Hinweis stehen, dass die Informationen zur Haltungsform auf Anfrage eingesehen werden können. Es gibt also wirklich eine Riesenbandbreite von Möglichkeiten; wir sind nämlich auf die Einwände eingegangen.
Von der immer wieder geführten Debatte – besonders eines Verbandes –, man könne die Speisekarten nicht andauernd ändern, sind wir jetzt richtig weit entfernt. Das hat sich schon aufgrund der vielfältig aufgeführten Informationsmöglichkeiten längst erledigt. Ein totes Pferd muss man nicht immer weiter reiten. Einfacher geht es wirklich nicht. Man muss es am Ende nur auch wollen. Und da stellt sich dann die Frage: Wer will das wirklich?
(Beifall bei der SPD sowie der Abg. Christina-Johanne Schröder [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Einen wichtigen Aspekt sollten alle, die sich in der öffentlichen Darstellung der Landwirtschaft immer sehr verbunden fühlen und noch Zweifel daran hegen, nicht außer Acht lassen: Die Kennzeichnung ist auch eine Werbung für die deutsche Landwirtschaft, eine Werbung für alle Produktions-, Verarbeitungs- und Vertriebsstufen. Diese Werbung kann mit dem heute eingebrachten Gesetz zeitnah für das Schwein losgehen. Die Landwirtinnen und Landwirte warten nicht nur darauf; sie sind auch darauf angewiesen, weil viele schon umgestellt haben, und sie fordern es berechtigterweise von uns ein.
Die Landwirte, die mutigerweise schon in die Zukunft investiert haben und nach diesen Regeln arbeiten, müssen auch Anerkennung erfahren,
(Max Straubinger [CDU/CSU]: Die Landwirte haben aufgehört!)
und die Vermarktbarkeit ihrer gekennzeichneten Produkte muss sichergestellt sein. Das ist ein Beitrag von uns allen hier, die von vielen immer gern und viel zitierte Verlässlichkeit für die Landwirtschaft zu sichern. Daran werden wir gemessen werden. Ich bin auf die weitere Debatte schon gespannt.
Die Rinder- und Milchviehwirtschaft sowie die Geflügelbranche warten ebenfalls darauf. Auch sie wollen Kennzeichnungen. Auch sie wollen in die Zukunft der Landwirtschaft eintreten. Es geht also nicht nur um Verbraucherinformation; es ist auch ein weiterer Schritt zur Sicherung des Tierwohlstandards bei uns und vor allem zur Zukunftssicherung der Landwirtschaft.
Im neuen Jahr geht die Debatte weiter. Ich hoffe, konstruktiv, sodass wir für die Landwirtschaft noch eine Mehrheit für die Verabschiedung dieses Gesetzentwurfs hinkriegen. Bis dahin haben wir hoffentlich ein wunderbares Weihnachtsfest, einen gesunden Rutsch ins neue Jahr. Kommen wir alle mit guten Nerven wieder!
Herzlichen Dank.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Für die FDP-Fraktion hat das Wort Carina Konrad.
(Beifall bei der FDP)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7619997 |
Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 208 |
Tagesordnungspunkt | Änderung des Tierhaltungskennzeichnungsgesetzes |