20.12.2024 | Deutscher Bundestag / 20. WP / Sitzung 208 / Zusatzpunkt 30

Benjamin StrasserFDP - Aktuelle Stunde: Mögliche Einflussnahme der Präsidenten der Verfassungsschutzämter

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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Gestern, am 19. Dezember, jährte sich zum achten Mal der schreckliche Anschlag auf dem Berliner Breitscheidplatz. Das ist ein Tag, der uns mahnt, dass unser Rechtsstaat und unsere Demokratie verletzlich sind. Sie standen wahrscheinlich noch nie so unter Druck wie heute: von außen durch China und Russland, die nicht nur spionieren, sondern gezielte Desinformationskampagnen in Deutschland fahren, aber auch durch Extremistinnen und Extremisten im Inneren, nicht nur islamistische Terroristen, sondern auch Rechtsextreme.

(Zuruf der Abg. Beatrix von Storch [AfD])

Wir reden über 200 Tote, Frau von Storch, seit dem Jahr 1990 in Deutschland: Opfer des Nationalsozialistischen Untergrunds, die Opfer von Halle und Hanau oder des Anschlags auf das Münchner Olympia-Einkaufszentrum. Und mögen sie in den 90er-Jahren noch Baseballschläger und Springerstiefel getragen haben, so organisieren sie sich heute anders: in Nadelstreifen, in wohlfeilen Thinktanks wie dem Institut für Staatspolitik von Götz Kubitschek, der dann wieder Björn Höcke sehr eng berät, in verschiedenen anderen Vereinen und, ja, auch in der AfD.

Eine wehrhafte Demokratie muss sich das nicht bieten lassen, muss nicht zulassen, dass diese Feinde der Demokratie einfach so weitermachen. Deswegen ist es gut, dass es in einer liberalen Demokratie auch so etwas wie einen Verfassungsschutz gibt.

(Beifall bei der FDP sowie der Abg. Carmen Wegge [SPD] – Beatrix von Storch [AfD]: Warum gibt es das?)

Den Vorwurf, Frau von Storch, den Sie ja heute erhoben haben und der aus Thüringen kommt, ist in der Tat hart. Der Vorwurf, dass der Verfassungsschutzpräsident von Thüringen ein Gutachten zur Frage der Verfassungswidrigkeit der AfD unterdrückt habe, indem er dem Verfasser körperliche Gewalt angedroht habe, ist ein harter Vorwurf.

(Zuruf von der FDP: Ja! – Zuruf der Abg. Beatrix von Storch [AfD])

Aber da gibt es in einem Rechtsstaat Verfahren dazu, und deswegen dürfen wir zu Recht auch erwarten – und das haben Sie verschwiegen –, dass die Dienstaufsichtsbehörde, nämlich das Thüringer Innenministerium, jetzt in einem Disziplinarverfahren aufklärt, ob an diesen Vorwürfen tatsächlich etwas dran ist oder nicht,

(Beatrix von Storch [AfD]: Nichts ist da dran!)

und wenn etwas dran ist, dann muss es in der Tat Konsequenzen geben.

Aber Sie sind ja etwas ganz anderem auf der Spur. – Frau von Storch hat jetzt nämlich etwas ganz Großes herausgefunden. Das ist für Frau von Storch nämlich der Beweis, dass der Verfassungsschutz gelenkt sei.

(Beatrix von Storch [AfD]: Nee, der ist ganz unabhängig! Fach- und Rechtsaufsicht gibt es nicht!)

Was Frau von Storch Ihnen aber, liebe Zuschauerinnen und Zuschauer, nicht sagt, ist, dass der Verfassungsschutz in Deutschland an Recht und Gesetz gebunden ist.

(Beatrix von Storch [AfD]: Jedes staatliche Handeln ist an Recht und Gesetz gebunden, auch das weisungsgebundene!)

Sie können in § 3 des Bundesverfassungsschutzgesetzes nachlesen, was seine Aufgabe ist.

Vor allem können Sie von der AfD sich juristisch gegen die Einstufung der AfD als rechtsextremer Verdachtsfall wehren.

(Zuruf der Abg. Beatrix von Storch [AfD])

Das ist übrigens der Unterschied zur DDR oder zu Russland. In Russland können Sie den FSB nicht verklagen. In Deutschland können Sie das, und das haben Sie auch getan; das begrüße ich ja auch.

(Zuruf der Abg. Beatrix von Storch [AfD])

Jetzt schauen wir uns doch einfach mal das letzte Urteil an, das es gibt, vom Oberverwaltungsgericht Münster. Es hatte zu entscheiden, ob der Verfassungsschutz Sie zu Recht als rechtsextremen Verdachtsfall eingestuft hat. Nachdem das Gericht Tausende von Belegen geprüft hat, hat es Folgendes geschrieben:

(Beatrix von Storch [AfD]: Nichts haben sie geprüft!)

Die Einstufung und Beobachtung der AfD als Verdachtsfall war und ist auch materiell rechtmäßig.

(Zuruf des Abg. Karsten Hilse [AfD])

Bei der AfD lagen und liegen tatsächliche Anhaltspunkte dafür vor, dass sie Bestrebungen verfolgt, die gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung gerichtet sind. – Das Gericht weiter:

„Es besteht der begründete Verdacht, dass es den politischen Zielsetzungen jedenfalls eines maßgeblichen Teils der Klägerin“

– also Ihnen –

„entspricht, deutschen Staatsangehörigen mit Migrationshintergrund nur einen rechtlich abgewerteten Status zuzuerkennen, weil es zu ihren zentralen politischen Vorstellungen gehört, dass es eine von der Staatsangehörigkeit unabhängige ‚ethnisch-kulturelleʼ Volkszugehörigkeit gibt, die von entscheidender Bedeutung für die Bewahrung der deutschen Kultur und Identität ist und es deshalb rechtfertigt, bei rechtlichen Zuordnungen danach zu unterscheiden, ob und gegebenenfalls aus welchem Kulturraum deutsche Staatsangehörige und deren Eltern zugewandert sind.

Dies stellt eine nach Art. 3 Abs. 3 GG unzulässige Diskriminierung aufgrund der Abstammung dar, die mit der Menschenwürdegarantie des Art. 1 Abs. 1 GG nicht zu vereinbaren ist.“

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und der Abg. Canan Bayram [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] – Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Unabhängige Gerichte!)

Unabhängige Gerichte haben das geurteilt, Frau von Storch. Und Sie haben jetzt nach Belegen gefragt. Ich will Ihnen einen letzten Beleg geben, damit Sie es nachlesen können. Sie finden das auf Seite 4 415 der Gerichtsakte.

Hans-Thomas Tillschneider, AfD-Landtagsabgeordneter und stellvertretender Landesvorsitzender in Sachsen-Anhalt, erklärte, bei der deutschen Fußballnationalmannschaft handele es sich nicht um eine – Zitat – „echte Nationalmannschaft“, sondern um eine – Zitat – „bunt zusammengewürfelte Söldnertruppe der Deutschland AG“.

(Beatrix von Storch [AfD]: Wegen dieses Schwachsinns muss die AfD verboten werden! Vollkommen klar! Ein Irrer! AfD verbieten! Klar!)

Also, ohne Reichsbürgerverschwörung geht es bei Ihnen nicht. Herr Tillschneider greift dabei insbesondere Nationalspieler mit türkischen Wurzeln an und bezeichnet sie als – Zitat – „Türken mit deutschem Pass“.

Liebe Frau von Storch, mehr gibt es eigentlich nicht zu sagen. Sie sind ein rechtsextremer Verdachtsfall, und das ist auch gut so!

Vielen herzlichen Dank.

(Beifall bei der FDP, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Josef Oster [CDU/CSU])

Als Nächster hat das Wort für die AfD-Fraktion Dr. Michael Kaufmann.

(Beifall bei der AfD)

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Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7620033
Wahlperiode 20
Sitzung 208
Tagesordnungspunkt Aktuelle Stunde: Mögliche Einflussnahme der Präsidenten der Verfassungsschutzämter
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