Esra LimbacherSPD - Regierungserklärung z. Jahreswirtschaftsbericht 2025
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Eines kann vorab, glaube ich, nicht unerwähnt bleiben: Wir alle haben gerade gelesen und vernommen, dass unsere ehemalige Bundeskanzlerin Angela Merkel sich ganz eindeutig dazu geäußert hat, wie das Abstimmungsverhalten der CDU/CSU-Fraktion gestern vonstattengegangen ist.
(Zuruf von der SPD: Hört! Hört!)
Sie hat sich davon distanziert.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Ich finde das bemerkenswert, weil sie den Anstand und die Courage aufbringt, die Sie offensichtlich gestern nicht aufgebracht haben. Deswegen will ich heute auch hier den Appell noch mal vorbringen. Am Freitag wollen Sie wieder genau das Gleiche machen, was Sie gestern getan haben, nämlich mit Stimmen von rechts außen ein Gesetz verabschieden.
(Thorsten Frei [CDU/CSU]: Wollen Sie nicht mal zum Thema sprechen?)
Ich rufe Ihnen zu: Stoppen Sie dieses Vorgehen! Hören Sie auf Dr. Angela Merkel! Es lohnt sich dieses Mal wirklich.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Liebe Kolleginnen und Kollegen, Anfang Januar hat der weltgrößte Vermögensverwalter BlackRock verkündet, dass er nunmehr aus klimafreundlichen und nachhaltigen Investitionen aussteigen würde. Nur wenige Tage später – nur wenige Tage später! – sagt ausgerechnet Friedrich Merz, er glaube jetzt nicht mehr an grünen Stahl. Was Herr Merz offenbar vergisst: Bei der deutschen Stahlindustrie geht es nicht um Aktien oder Investments,
(Jens Spahn [CDU/CSU]: Die Frage ist: Wo kommt der Stahl her!)
ums Zocken, bei dem die meiste Rendite für Hedgefonds oder Spekulanten rausspringt, sondern um Tausende Beschäftigte in unserem Land, Tausende Familien, Tausende Schicksale, die auf uns in der Politik setzen, damit sie eine Zukunft haben. Es geht nicht um das Aktienportfolio von Friedrich Merz und nicht um die Empfehlungen von BlackRock, sehr geehrter Herr Merz,
(Beifall der Abg. Jessica Rosenthal [SPD])
hier geht es um die Arbeitsplätze und die Schicksale von Menschen in unserem Land. Dieser Verantwortung muss jemand gerecht werden, der Bundeskanzler in dieser Bundesrepublik Deutschland werden will, liebe Kolleginnen und Kollegen.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Wenn Herr Merz sagt, er glaubt nicht an grünen Stahl, dann kann ich nur entgegnen: Glauben tut man in der Kirche. Eine Milliardeninvestition wird nicht auf Basis von Glaubensbekenntnissen ausgelöst. Ist Herr Merz schlauer als die Unternehmen? Ist er schlauer als die Beschäftigten, als die Banken, die die Kredite bewilligt haben, oder schlauer als der Ministerpräsident von NRW? Mit Sicherheit nicht! Deswegen sollten wir auch hier noch mal Friedrich Merz daran erinnern, wo die Verantwortung in diesem Land liegt, nämlich bei den Beschäftigten in der Stahlindustrie, die systemrelevant für uns alle ist.
Aber wenn ich hier heute als saarländischer Bundestagsabgeordneter sprechen darf, dessen Bundesland an Frankreich und Luxemburg grenzt, dann will ich einen weiteren Punkt ansprechen, mit dem Herr Merz, auch wenn er nicht mehr da ist, unsere Wirtschaft derzeit gerade bei uns zu Hause verunsichert: Ihre Pläne von Grenzschließungen an den Grenzen auch zu Frankreich und zu Luxemburg, also im Binnenmarkt der EU.
(Thorsten Frei [CDU/CSU]: Ihre Regierung hat ab dem 16. September Grenzkontrollen gemacht! Darum geht es!)
Unsere Region lebt geradezu davon, dass jeden Tag Tausende Pendlerinnen und Pendler diese europäischen Grenzen überqueren, um einkaufen zu gehen oder um den Arbeitsplatz im jeweils anderen Land zu erreichen. Diese Menschen sind auf schnelle, reibungslose Übergänge angewiesen. Sie brauchen keine zusätzlichen Schikanen.
(Thorsten Frei [CDU/CSU]: Sie verstehen es halt einfach nicht! Das ist das Problem! Sie bringen das eine mit dem anderen durcheinander!)
Aber ich will es mal mit den Worten einer anderen Person sagen. Diese Person sagt zu den Plänen von Herrn Merz – ich zitiere sie –:
„Sie stehen nicht nur für eine Einschränkung der europäischen Freizügigkeit, sondern auch für ein mangelndes Vertrauen in die grenzüberschreitende Zusammenarbeit.“
Das sage nicht ich, sondern der Oberbürgermeister von Saarbrücken, Mitglied der CDU.
(Josephine Ortleb [SPD]: Eben! Mensch!)
Und ich finde, er hat recht. Sie sollten mal auf ihn hören.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Dr. Malte Kaufmann [AfD]: Darum geht es doch gar nicht!)
Um es zusammenzufassen: Friedrich Merz hat keine Ahnung von der Stahlindustrie und keine Ahnung von der grenzüberschreitenden Realität in der Großregion.
(Dr. Malte Kaufmann [AfD]: Sie haben keine Ahnung!)
Auch deshalb gilt: Er sollte nicht Bundeskanzler werden.
Herzlichen Dank und Glück auf!
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7628725 |
Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 210 |
Tagesordnungspunkt | Regierungserklärung z. Jahreswirtschaftsbericht 2025 |