Markus HerbrandFDP - Cum-Ex-Geschäfte
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Seit nunmehr sieben Jahren arbeiten wir uns am Erinnerungsvermögen von Olaf Scholz ab. Vor mittlerweile viereinhalb Jahren kam dabei die letzte Neuigkeit bezogen auf den Bundeskanzler ans Tageslicht. So erinnerte sich Olaf Scholz plötzlich doch an mehrere Treffen mit Herrn Olearius, dem Chef der Warburg Bank. Konkrete Inhalte konnte er nicht benennen, weil – Sie ahnen es – sein Gedächtnis an dieser Stelle Lücken aufweisen würde.
(Heiterkeit des Abg. Torsten Herbst [FDP])
Nun also der nächste Versuch, den möglichen Verfehlungen des ehemaligen Ersten Hamburger Bürgermeisters und Ex-Finanzministers und heutigen Bundeskanzlers auf die Spur zu kommen. Die vorliegende Große Anfrage der CDU/CSU umfasst 36 Fragen und Unterfragen. Inhaltlich werden vorrangig Sachverhalte abgefragt, die entweder bereits Bestandteil parlamentarischer Anfragen waren und entsprechend wirklich keine Neuigkeiten erwarten lassen, oder es handelt sich um Fragen, die ganz erkennbar in die Zuständigkeit der Hamburger Senats- und Finanzverwaltung fallen. Insgesamt kann sich die Unionsfraktion, zumindest aus meiner Sicht, nicht viel von ihrer eigenen Anfrage versprochen haben.
Das liegt zum einen an den genannten Unzulänglichkeiten bei den Fragestellungen, zum anderen ist aber auch das Mitwirken der Bundesregierung und des für die Antwort federführenden Bundesfinanzministeriums enttäuschend. So mag es zwar den parlamentarischen Gepflogenheiten entsprechen, bei 80 Prozent der Fragen entweder auf Drucksachennummern von Antworten auf vergangene Anfragen oder alternativ auf geheime Verschlusssachen zu verweisen. Vertrauen in den Aufklärungswillen der Bundesregierung wird damit allerdings wirklich nicht hergestellt.
Mir ist unbegreiflich, warum man sich durch die knappen und zum Teil überhaupt nicht auf die konkrete Fragestellung eingehenden Antworten erneut dem Generalverdacht von Mauschelei und Hinterzimmerabsprachen preisgibt. Olaf Scholz betreibt diese kontraproduktive Heimlichtuerei und die Salamitaktik bei der Informationspolitik von Anfang an. Im Ergebnis profitiert offenkundig weder die SPD noch Bundeskanzler Scholz, der im Beliebtheitsranking so weit abgeschlagen ist, dass selbst Tino Chrupalla und Nancy Faeser von oben auf ihn herabschauen.
(Heiterkeit des Abg. Fritz Güntzler [CDU/CSU] – Zuruf des Abg. Dr. Jens Zimmermann [SPD])
Ähnlich falsch ist aber auch das Vorgehen der Union. Sie erstellen einen Fragenkatalog, von dem Sie genau wissen, dass er keine neuen Erkenntnisse mit sich bringen wird.
(Matthias Hauer [CDU/CSU]: Wo ist denn Ihr Fragenkatalog?)
Sie fordern darüber hinaus einen Untersuchungsausschuss und wissen genau, dass Olaf Scholz seine berühmten Gedächtnislücken bis dahin ganz sicher nicht geschlossen haben wird. Das zeigen im Übrigen auch seine Aussagen im aktuell laufenden Untersuchungsausschuss der Hamburger Bürgerschaft.
Und auch das stimmt: Zu allen anderen Fragen rund um Cum-ex gab es schon einen Untersuchungsausschuss hier im Bundestag. Dieser endete mit dem folgenden gemeinsamen Fazit von Union und SPD – ich zitiere –:
„Die zuständigen Behörden in Bund und Ländern und unter ihnen nicht zuletzt das BZSt“
– Bundeszentralamt für Steuern –
„haben in den letzten Jahren vorbildlich Cum/Ex-Fälle bearbeitet und bereits ausgezahlte Steuern zurückgeholt beziehungsweise eine Auszahlung der Kapitalertragsteuer nicht vorgenommen. Mit dieser Arbeit hat das Amt maßgeblich dazu beigetragen, dass die tatsächliche Schadenshöhe nur einen Bruchteil der öffentlich immer wieder kolportierten 12 Milliarden Euro ausmachen dürfte.“
Das ist ein interessantes Fazit, wenn man bedenkt, welche Legendenbildung mit der vorliegenden Großen Anfrage versucht wird. Außerdem heißt es – ich zitiere erneut –:
„Dieser Untersuchungsausschuss war nicht erforderlich. Alle Vorwürfe sind widerlegt, mit denen seine Einsetzung begründet wurde. Der Ausschuss hat die Überzeugung gewonnen, dass in den Behörden, aus denen er Akten beigezogen und Zeuginnen und Zeugen gehört hat, sachgerecht und pflichtgemäß gearbeitet wurde.“
Während Sie also in den GroKo-Jahren von 2013 bis 2021, verehrte Kollegen von der Union, und sogar im Abschlussbericht des Untersuchungsausschusses kein böses Wort über Fehler bei der Aufarbeitung von Cum-ex-Betrügereien oder über mögliche Verfehlungen von Olaf Scholz verloren haben, fällt Ihnen nun zufälligerweise drei Wochen vor der Bundestagswahl ein, dass man das Thema noch mal platzieren könnte.
Fakt ist: Die Anfrage löst kein einziges der drängenden Probleme in unserem Land.
(Dr. Mathias Middelberg [CDU/CSU]: Doch! Die Entsorgung des Bundeskanzlers! Die wird damit geklärt!)
Verstehen Sie mich bitte nicht falsch: Auch ich habe Fragen. Auch ich erwarte die Übernahme von Verantwortung und harte Strafen. Ich bezweifle aber, dass wir diese Ziele mit der wiederholten Aufstellung von Fragenkatalogen erreichen, und wir erreichen sie auch nicht mit der Wiederholung offenbar nicht belegbarer Vorwürfe. Denn diese zu belegen, haben schon seit vielen Jahren viele versucht, darunter zahlreiche und namhafte Journalisten.
Olaf Scholz – das dürfte unbestritten sein – würde auch bei einer erneuten Befragung genau das wiederholen, was er seit vielen Jahren dazu sagt. Ganz offensichtlich hat die Unionsfraktion diese Einschätzung zumindest in den GroKo-Jahren vollumfänglich geteilt. Anders kann ich mir nicht erklären, warum das Gespräch des Finanzausschusses am 1. Juli 2020 mit Olaf Scholz zum Cum-ex-Komplex und seinen möglichen Handlungen vonseiten der CDU/CSU extrem antriebslos geführt worden ist.
(Dr. Johannes Fechner [SPD]: Genau! Keine Frage!)
Das zeigt das Kurzprotokoll der Sitzung deutlich.
Hier kann man nachlesen, dass die Union genau zwei Fragen gestellt hat. Diese beziehen sich allerdings nicht auf die persönliche Verantwortung des damaligen Bundesfinanzministers, sondern auf die Höhe bisher geleisteter Rückzahlungen sowie auf den Status quo möglicherweise weiterhin bestehender Betrugsmaschen. Darüber hinaus wird vor allem die Bundesregierung gelobt. Liebe Kolleginnen und Kollegen der Union, bitte nehmen Sie es mir nicht übel, aber echter Aufklärungswille sieht wirklich anders aus, und das wissen Sie auch. Der war damals schlicht nicht vorhanden.
Auch können wir beobachten, dass der unabhängige Rechtsstaat an dieser Stelle funktioniert. Die Mühlen der Justiz mögen langsam mahlen, an Gründlichkeit sind sie aber kaum zu überbieten. Inzwischen sind viele Urteile gesprochen, viele Milliarden Euro wurden zurückgefordert und auch zurückgezahlt, persönlich Verantwortliche sind zu Haft- und Bewährungsstrafen verurteilt worden; und das ist gut so.
Der Dank hierfür gilt vor allem den Mitarbeitenden aus Justiz- und Ermittlerkreisen. Die für die Justiz zuständigen Bundesländer müssen hier weiter investieren. Mehr Manpower, bessere technische Ausstattung, erweiterte Zugriffsrechte: Das sind die Schlüssel für weitere Strafen und Urteile.
Mit Anfragen und Antworten, wie wir sie hier heute vorliegen haben, erreichen wir nichts. Scheindebatten für den Wahlkampf sind angesichts der ernsten Lage, in der sich unser Land befindet, eher Wasser auf die Mühlen der Falschen. Weder Union noch SPD sollten dieses Geschäft betreiben.
Vielen Dank.
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Katharina Beck hat das Wort für Bündnis 90/Die Grünen.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7628741 |
Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 210 |
Tagesordnungspunkt | Cum-Ex-Geschäfte |