30.01.2025 | Deutscher Bundestag / 20. WP / Sitzung 210 / Zusatzpunkt 6

Sabine GrützmacherDIE GRÜNEN - Cum-Ex-Geschäfte

Lade Interface ...
Anmelden oder Account anlegen






Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Erst mal: Wer Cum-ex für eine geniale Steuergestaltungsidee hält, der hält wahrscheinlich auch die AfD für demokratisch. Aber das ist ein anderes Thema.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Jetzt, wo Sie das C in Ihrem Namen neu interpretieren müssen, fällt Ihnen pünktlich zum Wahlkampf Cum-ex ein – wie schön!

(Heiterkeit bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Herr Hauer, Sie wollten über Olaf Scholz sprechen, nicht über Cum-ex und Cum-cum, ausschließlich über Olaf Scholz. Das ist deutlich geworden.

(Matthias Hauer [CDU/CSU]: Was hat denn Frau Paus zu Herrn Scholz gesagt?)

Vorweg: Cum-ex-Geschäfte waren nie legal. Kein Bürger käme auf die Idee, einen Pfandbon zu kopieren, mehrfach einzulösen und das dann als Gesetzeslücke zu verkaufen; denn was watschelt und quakt wie eine Ente, ist eine Ente, und ein Betrug bleibt ein Betrug.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD – Michael Schrodi [SPD]: Schön erklärt! Schönes Bild!)

Herr Merz sagte 2018 in der „Süddeutschen Zeitung“, dass solche Geschäfte unmoralisch seien. Zitat: „Dieser Meinung war ich schon immer und habe dies auch immer zum Ausdruck gebracht.“

(Michael Schrodi [SPD]: Richtig!)

Zur Aufklärung gehört ein vollständiges Bild. Wer Cum-Ex ernsthaft aufklären will, darf nicht nur auf Warburg schauen – denn das sind 90 Millionen Euro –,

(Fritz Güntzler [CDU/CSU]: Nein, das sind 127 Millionen!)

sondern muss das gesamte Netzwerk beteiligter Akteure in den Blick nehmen.

Wir sollen auf Experten hören? Sehr gerne. Die NGO Finanzwende – schon vielfach zitiert – wollte von Friedrich Merz wissen, ob zum Beispiel Mayer Brown – das ist die Kanzlei, für die er bis Ende 2021 als Senior Counsel tätig war – Mandanten dabei geholfen hat, ihre Cum-ex-Gewinne juristisch durchzusetzen, oder ob sich er als Aufsichtsratsmitglied der HSBC Trinkhaus von 2010 bis 2019 dafür eingesetzt hat, dass die Bank rechtlich gegen Cum-ex-Akteure vorgeht,

(Dr. Johannes Fechner [SPD]: Aha!)

oder ob er Hinweisen nachgegangen ist, dass BlackRock möglicherweise an Cum-cum-Geschäften beteiligt war.

(Fritz Güntzler [CDU/CSU]: Das hätte man alles im Untersuchungsausschuss klären können, den ihr nicht wolltet! – Michael Schrodi [SPD]: Und was hat er gesagt? Nichts! Schweigen! – Gegenruf des Abg. Fritz Güntzler [CDU/CSU]: Erinnerungslücke!)

Das ist nur eine Auswahl an Fragen. Ich vermisse die Antworten.

Aber was ich in Ihrer Anfrage und bei Ihrer gesamten Politik ebenfalls vermisse, ist das Thema Cum-cum; denn das ist der große Bruder von Cum-ex. Hier beläuft sich der finanzielle Schaden auf 28 Milliarden Euro, doppelt so hoch wie bei Cum-ex. Liegt es vielleicht daran, dass es ein CDU-Finanzminister war, der 2016 die Länder angewiesen hat, die illegalen Cum-cum-Milliarden nicht zurückzuholen? Auch das kann man bei Finanzwende nachlesen.

(Fritz Güntzler [CDU/CSU]: Das stimmt ja nicht!)

Finanzwende ist wirklich ein Fundus. Also, liebe Zuhörerinnen und Zuhörer, lesen Sie da gerne nach.

(Matthias Hauer [CDU/CSU]: Was sagen Sie denn zum Untersuchungsausschuss?)

Wissen Sie, wer zuerst gehandelt hat? Tatsächlich Ihr heiß geliebter Olaf Scholz. Ein halbes Jahrzehnt ist genug Zeit, um illegale Milliarden in Sicherheit zu bringen. Herzlichen Dank und beste Grüße von der organisierten Finanzkriminalität!

Generell muss man fragen: Warum wurde Deutschland unter der Union zum Geldwäscheparadies?

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Warum wurden offensichtliche Probleme nicht ambitionierter angegangen? Warum hatte die Financial Intelligence Unit nach dem von der Union veranlassten Umzug ins Finanzministerium massive Probleme?

(Matthias Hauer [CDU/CSU]: Weil Herr Scholz Finanzminister war!)

Und warum konnte man jahrelang Wohnungen, Häuser und ganze Straßenzüge mit Koffern voll Bargeld kaufen, während die Mieten dadurch explodierten?

(Zuruf des Abg. Matthias Hauer [CDU/CSU])

– Gerade eben haben Sie etwas zur SPD zum Thema Brüllen gesagt. Das gilt für Sie genauso.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Sie haben jahrelang trotz FATF-Prüfung keine dieser Milliarden zurückgeholt; dabei wäre das Sicherheits- und Finanzpolitik gewesen.

Auch wenn jetzt einige von „All-in“ sprechen: Wir sind hier nicht beim Poker, und wir wollten auch kein Monopoly spielen. Wir wollten in der damaligen Koalition endlich aufräumen, und das haben wir auch zum Teil. Wir haben die FIU reformiert, wir haben ein Kontrollgremium eingerichtet, wir haben endlich den Kauf von Immobilien mit Bargeld verboten; diesen Wahnsinn konnte ich in meinem Wahlkreis wirklich niemandem erklären. Damit Deutschland nicht länger das zweite Wohnzimmer der italienischen Mafia und der „Place to be“ für Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung ist, hat die Ampelregierung auch das Finanzkriminalitätsbekämpfungsgesetz vorgelegt. Es ist bedauerlich, dass etwas, was für Finanzminister Christian Lindner noch Goldstandard und Gamechanger war, für die FDP jetzt ein links-grüner Kompromiss ist; denn wir haben in der Ampel hart, aber fair und unter den Fachpolitikern inhaltlich konstruktiv verhandelt.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Trotzdem sind wir gestern vom ehemaligen Finanzminister „Steigbügelhalter der AfD“ genannt worden. Mich persönlich trifft das, und ich sage Ihnen, was ein wirklicher Steigbügel ist: In Zeiten der Krisen und knapper Kassen auf Milliarden zu verzichten, das ist ein Steigbügel. Das ist nicht verantwortungsvoll; das ist Zündeln mit dem Haushalt und mit der Demokratie. Das Finanzkriminalitätsbekämpfungsgesetz, gemeinsam mit einer umfassenden Aufklärung zu Cum-ex, Cum-cum und Nachfolgemodellen, die es auch gibt, das kann Milliarden zurückbringen. Die Bekämpfung von Finanzkriminalität ist kein Punkt auf einer Wahlkampf-Bingo-Karte. Sie ist ein gesellschaftlicher Auftrag, und demokratische Parteien sollten ihn erfüllen.

(Markus Herbrand [FDP]: Sie hatten doch Zeit dafür!)

Zur Demokratie muss ich sagen: Was sagen Sie Menschen wie Albrecht Weinberg, der wegen des Abstimmungsverhaltens sein Bundesverdienstkreuz zurückgegeben hat? Und was sagen Sie Menschen, die keinen deutschen Namen haben, wie zum Beispiel einem Freund von mir – er ist Ingenieur –, der in Stuttgart bei Daimler aufhören möchte?

(Alexander Hoffmann [CDU/CSU]: Ich brauche von Ihnen keine Vorträge und Belehrungen! Meine Frau ist Halbtürkin! Meine halbe Verwandtschaft hat Migrationshintergrund! Dieses ständige Moralisieren hier! Das ist übergriffig!)

Was sagen Sie den Unternehmen, die diese Leute verlieren? Das sind die Fragen, die Sie sich stellen sollten!

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)

Frauke Heiligenstadt hat das Wort für die SPD-Fraktion.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7628760
Wahlperiode 20
Sitzung 210
Tagesordnungspunkt Cum-Ex-Geschäfte
00:00
00:00
00:00
00:00
Keine
Automatisch erkannte Entitäten beta