Parsa MarviSPD - Mehr Netto vom Brutto
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Antwort auf die Rede des Kollegen der AfD kann man in einem Satz zusammenfassen: Das Ende Europas ist das Ende der deutschen Wirtschaft. Punkt!
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Kay Gottschalk [AfD]: Völliger Blödsinn!)
Jetzt zum Antrag der FDP. Die in Ihrem Wahlprogramm versprochenen Entlastungen – wir finden sie im Kern in diesem Antrag wieder – werden für die öffentlichen Haushalte zusätzliche Ausgaben von 138 Milliarden Euro mit sich bringen. Fast die Hälfte der Mindereinnahmen wird bei den Ländern und den ohnehin schon stark belasteten Kommunen anfallen.
Sie haben sich ja in den letzten Tagen sehr kritisch mit den für Sie sehr negativ ausgefallenen Berechnungen des ZEW beschäftigt, welche Einkommen Sie in Wahrheit mit Ihrem Programm im Blick haben. Ich kann Ihnen durchaus bestätigen, dass das bei den Bürgerinnen und Bürgern schon ein großes Thema für die Wahlentscheidung ist. Die 138 Milliarden Euro, die Ihre Wahlversprechen kosten, diese Zahl stammt jedenfalls gar nicht vom ZEW, sondern vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung. Ich hoffe, Sie können wenigstens bei diesem Institut methodisch mitgehen. Der DIW-Forscher Stefan Bach bescheinigt Ihren Forderungen sogar noch höhere Kosten, Kosten in Höhe von 188 Milliarden Euro. Zitat – mit Erlaubnis der Präsidentin –: „Die @fdp lässt es … so richtig krachen.“ Ich glaube, das war nicht als Kompliment gemeint.
Es gibt nur noch eine politische Kraft, die bei solchen Kosten der Wahlversprechen mithalten kann, und das ist die AfD, mit 149 Milliarden Euro. Es gibt da eine Gemeinsamkeit: Es fehlt jeweils eine seriöse Gegenfinanzierung. In Ihrem Parlamentsantrag finde ich keine einzige Aussage zur Gegenfinanzierung. Und das DIW nennt Ihr Programm „fiskalisch utopisch“.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Und wenn, zumindest in Ihrem Wahlprogramm, vage Priorisierungen im Kernhaushalt in Aussicht gestellt werden, dann muss man immer gleich Angst haben, dass Sie damit eigentlich tiefe Einschnitte in das soziale Netz meinen. Wenn ich mir zum Beispiel das Statement der Präsidentin des Familienunternehmerverbandes gestern im „Morgenmagazin“ anschaue – und die steht Ihnen nahe; ich glaube, sie ist sogar Mitglied bei Ihnen –, dann sehe ich: Das läuft auf Forderungen nach weniger Beschäftigung im öffentlichen Dienst hinaus. Wenn ich mir Ihre „Privat vor Staat“-Fantasien bei den sozialen Sicherungssystemen so anschaue und allein schon an die private Krankenversicherung denke, bei der es für viele Betroffene hinten heraus brutal teuer wird, dann erkenne ich: Die Umsetzung Ihrer Ideologie und Ihres Programms bedeutet am Ende für viele in diesem Land viel weniger Netto vom Brutto.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD)
Bei Ihnen ist es so: Bestverdiener sollen offensichtlich entlastet werden, zum Beispiel durch die Streichung des Soli. Aber andere sollen dafür die Zeche zahlen.
Da liegt ein ganz wesentlicher Unterschied zu uns. Wir wollen Millionen Normalverdiener/-innen mit kleinen und mittleren Einkommen entlasten. Aber wir machen zwei wesentliche Aussagen: Wir wollen unsere Entlastungsvorschläge für 95 Prozent der Steuerzahler/-innen gegenfinanzieren durch eine höhere Belastung der wirklich hohen Einkommen, zum Beispiel von Alleinstehenden mit Einkommen von mehr als 140 000, mehr als 200 000 oder 300 000 Euro.
Ich habe in Olav Guttings Rede gehört, dass Deutschland ärmer würde.
(Olav Gutting [CDU/CSU]: Jeden Tag!)
Dabei ist es doch so, dass das Geldvermögen in diesem Land auf ein Rekordniveau von 9,3 Billionen Euro angestiegen ist. Aber es ist extrem ungleich konzentriert.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Zuruf des Abg. Olav Gutting [CDU/CSU])
1 Prozent der Bürger besitzt ein Drittel des Vermögens in diesem Land. Deswegen ist es richtig, zur Gegenfinanzierung an die wirklich hohen Erbschaften und Vermögen heranzutreten.
Erstens. Unsere Entlastungen sind seriös durchgerechnet, gegenfinanziert und gerecht in der Verteilungswirkung; denn sie kommen den allermeisten normalverdienenden Menschen in diesem Land zugute.
(Beifall bei der SPD sowie des Abg. Bruno Hönel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Zweitens. Uns ist ein handlungsfähiger Staat wichtig. Ja, da muss es in der Praxis viel mehr Vereinfachung geben, auch für die Steuerpflichtigen, zum Beispiel durch vorausgefüllte Steuererklärung. Dagegen haben wir gar nichts.
Wir sind aber entschieden gegen massive Entlastungen für Spitzenverdiener und Konzerne mit entweder einem Wachstumsversprechen auf Pump, das Herr Vogel hier vorgetragen hat – klassische Voodoo-Ökonomie –, oder einem Staat, der dann in seinen Kernleistungen, auf die viele Menschen in diesem Land angewiesen sind, wegkonsolidiert wird. Und wir haben wenigstens eine Idee davon, dass für die Beschäftigten nicht immer „Mehr Netto vom Brutto“ das einzige Kriterium ist.
Wenn ich mir die Aussage in Ihrem Antrag anschaue, die stärkere steuerliche Absetzbarkeit von Betreuungskosten würde insbesondere für Frauen die Ausweitung des Arbeitsangebots ermöglichen, dann entgegne ich: Vor allem die Ausweitung der Investitionen in die Kinderbetreuung, in Infrastruktur und Personal würde hier weiterhelfen.
(Beifall bei der SPD)
Aber stattdessen warten Sie mit wenig volkswirtschaftlichem Sachverstand in Ihrem Programm nur mit dem eisernen Festhalten an der Schuldenbremse und damit an einer Investitionsbremse auf. Insofern: Nein zu diesem wohlklingenden Antrag. Er ist völlig unseriös und unausgegoren.
Vielen Dank.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Claudia Raffelhüschen hat das Wort für die FDP-Fraktion.
(Beifall bei der FDP sowie des Abg. Johannes Steiniger [CDU/CSU])
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7628803 |
Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 210 |
Tagesordnungspunkt | Mehr Netto vom Brutto |