Lamya KaddorDIE GRÜNEN - Innere Sicherheit - Bekämpfung von Kriminalität
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Abgeordnete! Sehr geehrte Zuhörerinnen und Zuhörer! Es ist eine absolute Schande, was gestern hier passiert ist. Und, ehrlich gesagt, ich habe auch ein Problem damit, wie wir hier nach nur vier Reden schon miteinander sprechen. Es sollte uns allen – allen, auch uns! – wirklich zu denken geben. Es ist nicht gut, so zu reden.
(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der SPD)
Die Union hat hier gestern unter Führung von Friedrich Merz gezeigt, dass auf ihre Worte eigentlich kein Verlass mehr ist.
(Lachen des Abg. Alexander Throm [CDU/CSU])
Sie können nun noch so oft beteuern, dass es auf gar keinen Fall und niemals eine Zusammenarbeit mit der AfD geben würde.
(Alexander Throm [CDU/CSU]: Das ist an Scheinheiligkeit nicht zu überbieten! – Mechthilde Wittmann [CDU/CSU]: Sie haben das selbst bereits bei einer Abstimmung im Herbst getan!)
Der Dammbruch ist aber erfolgt, die Schleusen sind geöffnet. Ihr Wort ist damit also nichts mehr wert; denn niemand glaubt Ihnen mehr, dass Sie es beim nächsten Mal nicht doch wieder genauso machen mit der AfD – so wie es Ihre Kolleginnen und Kollegen in Österreich vormachen.
(Marc Henrichmann [CDU/CSU]: Die Rede passt aber nicht zur Einleitung!)
Ich bin echt absolut entsetzt, dass ich Ihnen das sagen muss. Wer die AfD verhindern will,
(Christoph de Vries [CDU/CSU]: … der muss Sie abwählen! – Alexander Throm [CDU/CSU]: … muss die Probleme lösen!)
der kann nun definitiv nicht mehr auf die Union zählen, meine Damen und Herren.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD – Mechthilde Wittmann [CDU/CSU]: Der muss Sie abwählen, damit die nicht noch mehr wählen!)
CDU/CSU verhelfen der AfD, einer Partei, gegen die ein Großteil in diesem Haus und in der Gesellschaft ein Parteiverbotsverfahren – die Debatte kommt ja heute noch – anstrebt, zu einer wirklichen Machtoption. Dass das auch noch genau 80 Jahre nach der Befreiung von Auschwitz geschieht, ist für mich unerträglich, und das sollte es für alle sein. Was ist das auch von Ihnen von der Union immer wieder beschworene „Nie wieder!“ dann eigentlich noch wert? Es hält ja noch nicht mal einen Tag:
(Tino Chrupalla [AfD]: Kommen Sie mal zur Sache!)
Gestern Morgen war das Gedenken an das Ende der Schreckensdiktatur der Nazis, und am Abend jubelt die AfD über einen vermeintlichen Triumph, weil Sie ihnen in die Falle getappt sind.
Hohes Haus, die Gratulation geht raus an die AfD. Sie haben es nicht nur geschafft, die Union vor sich her zu treiben; Sie haben es auch geschafft, CDU und CSU auf Ihre Seite zu ziehen. Worauf Sie seit Jahren unermüdlich hinarbeiten und was Sie regelmäßig mit Ihren Aussagen und auch Ihren Anträgen versuchen, hat nun endlich funktioniert.
(Tino Chrupalla [AfD]: Kommen Sie mal zum Thema! – Volker Münz [AfD]: Gehen Sie mal auf die Morde in Magdeburg und Aschaffenburg ein! Das interessiert die Bürger!)
Armes Deutschland!
Dieser größte politische Sündenfall seit 1949 ist eine gewaltige Gefahr für unseren Zusammenhalt und für die innere Sicherheit in diesem Land.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Union, AfD und auch große Teile der FDP geben allen Ernstes Rechtsextremisten, Rassisten und Nazis in diesem Land das Signal, sie hätten recht und Mehrheiten zur Durchsetzung ihrer Positionen seien möglich. Wie kann man so etwas tun, liebe Union?
(Zuruf des Abg. Maximilian Mordhorst [FDP])
Überraschend kommt das freilich nicht; denn eigentlich schon seit Monaten ist zu sehen, wie die Union immer stärker die migrations- und innenpolitischen Anträge der AfD kopiert bzw. abschreibt. Auch in der Sprache nähern Sie sich der AfD an.
(Christoph de Vries [CDU/CSU]: Reden Sie nicht so einen Quatsch!)
Das hat auch nichts mehr mit Ernstnehmen der Sorgen und Ängste der Bürgerinnen und Bürger zu tun, sondern das hilft bloß der AfD in ihrem Narrativ und verbessert ihre Umfragewerte.
Sehr geehrte Damen und Herren, innere Sicherheit für Menschen in Deutschland erreichen wir durch ehrliche Auseinandersetzung mit den Abläufen in unseren Behörden und dem offensichtlichen Vollzugsproblem,
(Dr. Christian Wirth [AfD]: Fangen Sie doch mal an!)
kurzum: mit einer evidenzbasierten Innenpolitik und nicht einer so emotionalisierten, wie Sie sie gerade hier dargelegt haben.
Das bedeutet natürlich, dass wir endlich genug Geld in unsere Sicherheitsbehörden, in Personal und Ausstattung, investieren,
(Beifall der Abg. Marlene Schönberger [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
entschieden gegen Extremismus aufstehen und wirken, mit Repression, ja, aber auch mit Prävention und Deradikalisierung und dem Schutz – dem umfassenden Schutz! – unserer kritischen Infrastruktur. Das alles wurde über die letzten Jahrzehnte, also ausgerechnet unter primär unionsgeführten Regierungen, versäumt.
Wir sind das angegangen, soweit es Recht und Gesetz eben doch zulassen.
(Christoph de Vries [CDU/CSU]: Sie sind nix angegangen! Das Land ist so unsicher wie lange nicht mehr! Das sind doch Paralleluniversen inzwischen!)
Es herrscht erst Sicherheit in diesem Land, wenn alle Menschen in Sicherheit leben können. Das betrifft Besucherinnen und Besucher des Weihnachtsmarktes in Magdeburg, die Ärztinnen und Ärzte, die Pflegekräfte, die selbstlos in Magdeburg in den Krankenhäusern zur Stelle waren, als die Verletzten vom Weihnachtsmarkt eintrafen. Das betrifft die Kinder in Aschaffenburg – das können Sie uns noch so oft vorhalten; wahrscheinlich freuen Sie sich, dass es endlich mal migrantische Kinder waren, damit Sie sich schützend vor sie stellen können; ist ja nicht so, dass uns das wundert,
(Widerspruch bei der AfD – Mechthilde Wittmann [CDU/CSU]: Das reicht jetzt aber! – Marc Henrichmann [CDU/CSU]: Das ist aber nicht anständig!)
das machen Sie doch dauernd –, deren Kindergartengruppe angegriffen wurde, den Mann, der eingegriffen hat und dafür mit seinem Leben bezahlte, und das betrifft die zwölfjährige Fatima, die sich als afghanisch-stämmiges Mädchen für die Taten eines Attentäters entschuldigen wollte, weil sie dummerweise die gleiche Herkunft hat.
(Tino Chrupalla [AfD]: Ekelhaft! Das ist Rassismus!)
Erst wenn sie alle, wenn wir alle zusammenstehen und uns in diesem Land frei von Gewalt und Hass entfalten können,
(Ingo Bodtke [FDP]: Hätten wir längst schon haben können!)
erst dann herrscht wahrlich innere Sicherheit.
Vielen Dank.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD – Steffen Janich [AfD]: Ekelhaft! – Weitere Zurufe von der AfD – Gegenruf der Abg. Lamya Kaddor [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie haben es mir vorgemacht mit dem „ekelhaft“! Sie sind doch ein richtig gutes Vorbild! – Enrico Komning [AfD]: Das war ja Hass und Hetze!)
Ich bitte, dass wir alle, die wir zu dieser Debatte in diesem Hause sind, uns mäßigen. – Manuel Höferlin ist der nächste Redner, und zwar für die FDP-Fraktion.
(Beifall bei der FDP)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7628838 |
Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 210 |
Tagesordnungspunkt | Innere Sicherheit - Bekämpfung von Kriminalität |