30.01.2025 | Deutscher Bundestag / 20. WP / Sitzung 210 / Tagesordnungspunkt 10

Sara NanniDIE GRÜNEN - Abschluss der Beweisaufnahme im 1. UA (Afghanistan)

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Sehr geehrte Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir haben im Untersuchungsausschuss Afghanistan vom Ende her geschaut; denn das Ende in Afghanistan war dramatisch. Wir alle haben noch die Bilder vom Flughafen in Kabul im Kopf.

Ich möchte mit einem Zitat beginnen, einem Zitat der Menschenrechtsaktivistin Mahbouba Seraj: „Why did you have to run?“ Sie sagte später:

„I am so proud of your people, that at least you are looking into it. But please, look into it well.“

Untersucht gründlich, das war ihre Mahnung an uns. Und ich kann sagen: Das haben wir getan.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)

Und was ist nun die Antwort auf die Frage: „Why did you have to run?“? Ich glaube, es ist wichtig, das hier noch mal auszusprechen. Der wichtigste Teil der Antwort ist: Die USA haben unter der Präsidentschaft von Donald Trump mit den Taliban de facto ein Kapitulationsabkommen abgeschlossen. Donald Trump hatte allein zum Ziel, alle US-Truppen aus Afghanistan abzuziehen. Alles andere, was damit einhergeht, war ihm völlig egal. Es war nicht abgesprochen mit den Partnern, die auch in Afghanistan engagiert waren. Es war nicht abgesprochen mit der Republik Afghanistan. Und das hat auch das deutsche Engagement in eine, ich würde sagen, unvermeidbare Pfadabhängigkeit gebracht. Aber das will ich auch ganz klar sagen: Diese dramatischen Bilder und das, was im August 2021 passiert ist, wäre vermeidbar gewesen. Und genau darum haben wir uns auch in der Aufklärung bemüht.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP und des Abg. Dr. Ralf Stegner [SPD])

Ich möchte dem Kollegen Röwekamp zustimmen, wenn er sagt, dass eigentlich alle wesentlichen Informationen auf der Hand lagen. Die Bundesregierung wusste, dass die afghanischen Streitkräfte immer schwächer werden und insbesondere dann, wenn die Amerikaner abziehen, so schwach sind, dass sie den Taliban nicht mehr lange standhalten werden können. Die Bundesregierung wusste, wie die Raumgewinne der Taliban aussehen, wie sie selbst immer stärker wurden. Die Bundesregierung hat auch verstanden, dass das sogenannte Doha-Abkommen eine strukturelle Benachteiligung der Republik Afghanistan mit sich bringt, die sich nicht mehr ausgleichen lassen wird. Und die Bundesregierung wusste auch, dass je mehr Raum die Taliban einnehmen, umso größer die Gefahr ist für ehemalige oder Noch-Ortskräfte der Deutschen. All das wusste man, und vielleicht waren nicht bei jedem alle Informationen immer sofort da. Aber dass diese Informationen nicht rechtzeitig zusammengeflossen und zu Handlungen geführt haben, ist, glaube ich, kein technisches Problem gewesen. Es war kein Problem der Gremien. Es war ein Problem der mangelnden politischen Aufmerksamkeit.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

So richtig steht es mir nicht zu; ich spreche auch nur für mich, nicht für das ganze Haus: Aber an alle, die gelitten haben unter der Situation im August 2021, die mit Schmerz auf die Bilder aus Kabul geschaut haben: Es tut mir leid. Es tut mir wirklich leid.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP und der Abg. Gülistan Yüksel [SPD])

Aber ich kann ihnen auch ein Versprechen geben. Schon in den letzten drei Jahren gab es viele Kolleginnen und Kollegen in diesem Haus, die ihre Verantwortung in der Außen- und Sicherheitspolitik mit Blick auf das, was in Afghanistan passiert ist, sehr, sehr ernst genommen haben. Wir bemühen uns darum, zuzuhören, und vielleicht werden wir auch manchmal selbst nicht gehört. Aber wir machen unsere Arbeit so, dass so etwas nicht noch einmal passiert.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des Abg. Philipp Hartewig [FDP])

Mein Dank kommt jetzt trotzdem am Ende, aber ich habe auch noch eine Minute. Mein Dank gilt zuallererst all denjenigen, die in 20 Jahren Afghanistan-Engagement viele persönliche Entbehrungen auf sich genommen haben, seien es die Soldatinnen und Soldaten, seien es die Diplomatinnen und Diplomaten, die auch unter schwierigen Bedingungen gearbeitet haben, die Zivilangestellten, die Bundespolizistinnen und Bundespolizisten, die vielen Menschen, die für Nichtregierungsorganisationen in Afghanistan gearbeitet haben. Mein Dank gilt allen, die in Berlin und vor allem in Kabul in der heißen Phase im August unter Einsatz ihres Lebens dafür gesorgt haben, dass doch noch sehr viele Menschen gerettet werden konnten. Und mein Dank gilt auch allen, die trotz der mangelnden Aufmerksamkeit, die dieser Untersuchungsausschuss stellenweise erfahren hat, nicht weniger eifrig die Befragungen vorbereitet haben, durchgeführt haben, die sich durch die Dokumente gewühlt haben, und vor allem auch der Verwaltung, die uns dabei so stark unterstützt hat und jetzt wirklich einen ganz tollen Bericht vorgelegt hat, den wir mit unseren Fraktionsvoten noch mal flankieren.

Vielen Dank für die gute Zusammenarbeit. Der PUA zeigt: Es geht.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)

Und die nächste Rednerin ist Dr. Ann-Veruschka Jurisch für die FDP-Fraktion.

(Beifall bei der FDP)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7628886
Wahlperiode 20
Sitzung 210
Tagesordnungspunkt Abschluss der Beweisaufnahme im 1. UA (Afghanistan)
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