Ann-Veruschka JurischFDP - Abschluss der Beweisaufnahme im 1. UA (Afghanistan)
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr verehrte Damen und Herren! Die Debatte heute markiert einen inhaltlichen Endpunkt des Untersuchungsausschusses Afghanistan. Es war mir eine große Ehre, an diesem wichtigen Projekt mitwirken zu dürfen.
Warum war dieser Untersuchungsausschuss so wichtig? Er war wichtig, um den Menschen gerecht zu werden, die wir in Afghanistan zurückgelassen haben. Er war wichtig, um den Menschen gerecht zu werden, die unter Einsatz ihres Lebens und ihrer persönlichen Sicherheit vor Ort ihren Dienst geleistet haben. Der Untersuchungsausschuss war wichtig, um Lehren für die Zukunft zu ziehen, vor allem auch mit Blick auf strukturelle Defizite, die gefährlich sind für unser Land. Der Untersuchungsausschuss war wichtig, um auch politische Verantwortlichkeiten festzustecken.
Es sind einige Fehler oder zumindest Fehleinschätzungen gemacht worden, die sich aber vor allem auch durch mangelhafte Prozesse und Strukturen zu einem größeren Problem ausgeweitet haben. Ich möchte drei wichtige Ergebnisse aus Sicht der FDP-Fraktion hervorheben:
Erstens. Es gab ein gerüttelt Maß an Wunschdenken an einigen Orten bei gleichzeitig fehlender Planung für realistischere Szenarien und auch das Verschleppen von Planung, weil man an Wunschvorstellungen festgehalten hat.
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Um es ganz konkret zu sagen: Das Auswärtige Amt ist davon ausgegangen, dass ein Friedensprozess mit den Taliban sinnvoll, möglich und auch erfolgversprechend sei, und ebenso, dass man auch die USA davon überzeugen könne, an diesem Friedensprozess festzuhalten und entsprechend umzuplanen. Das BMZ ging davon aus, auch ohne den Schutz der Amerikaner mit Entwicklungsprojekten im Land bleiben zu können. Beides waren aus unserer Sicht Fehleinschätzungen.
Zweitens. Es hat sich gezeigt, dass es in der Bundesregierung ganz unterschiedliche Lagebilder gibt, die aber an keinem Ort aufgelöst und zusammengeführt werden. Wie schon gesagt, haben Auswärtiges Amt und BMZ einerseits den Friedensprozess und die Umstimmbarkeit der Amerikaner für realistisch gehalten. Das BMVg und die Bundeswehr andererseits haben den Zeitpunkt des Abzugstermins im Doha-Abkommens für sich als Planungsgrundlage genommen und entsprechend geplant. Der BND hat richtigerweise ein Emirat 2.0, also die Rückkehr der Taliban, als das wahrscheinlichste Szenario prognostiziert. Die Kanzlerin Merkel hat gesagt, sie brauche dafür gar keinen BND. Ihr sei auch klar gewesen, dass die Taliban zurückkehren würden. Aber passiert ist nichts. Nirgendwo wurden unterschiedliche Lagen geeint. Vor allem wurde auch eine alternative Planung für den Fall, dass ein Wunschszenario, auf das man hinarbeitet, scheitert, nicht gemacht. Es war auch keine ordnende Rolle des Kanzleramts in diesen Punkten feststellbar.
Drittens. Das sicherheitspolitische Denken steckt in Deutschland immer noch in den Kinderschuhen. Wir sind bei Informationen und Kapazitäten sehr stark von den USA abhängig, und wir haben es uns da ein Stück weit zu bequem gemacht. Es wird nicht konsequent mit Szenarien und Wahrscheinlichkeiten gearbeitet. Es fehlt auch bei politischen Entscheidern ein wirklich fundiertes Verständnis für die Begrifflichkeiten, die der BND für Eintrittswahrscheinlichkeiten benutzt; und das ist hochgradig gefährlich.
(Beifall bei der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Ich möchte an dieser Stelle zwei unser insgesamt 13 Handlungsempfehlungen herausstellen, die wir als Freie Demokraten machen:
Erstens. Ich bin nach der Arbeit dieses Untersuchungsausschusses zutiefst überzeugt: Wir brauchen ein besseres strategisches Frühwarnsystem und robuste Strukturen und Prozesse zum Einen von Lagebildern und Entwickeln von Strategien. In einem Satz: Wir brauchen einen nationalen Sicherheitsrat.
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und des Abg. Joachim Wundrak [AfD])
Zweitens. Persönliche Verantwortungsübernahme und der Mut zur Eigenverantwortung bei Beamten sollten konsequent und auch wirklich honoriert werden. Das ist bisher offensichtlich nicht der Fall, vor allem auch nicht im Auswärtigen Amt. Deswegen habe ich mich persönlich für die nachträgliche Ehrung von einigen Schlüsselpersonen mit dem Bundesverdienstkreuz eingesetzt. Ohne den Mut auch von Zivilisten neben dem der vielen Soldatinnen und Soldaten wäre alles noch schlimmer gekommen. Ihnen gilt unser Dank.
(Beifall bei der FDP, der CDU/CSU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)
Ich möchte meinen Dank auch an alle Beteiligten für ihren großen persönlichen Einsatz in diesem Untersuchungsausschuss aussprechen. Ich kann Ihnen allen versichern: Es hat sich gelohnt. Wir haben gemeinsam eine wirklich wichtige Arbeit geleistet und bringen diese nun zu einem guten Abschluss.
Abschließend noch mal mein Ceterum censeo als Freie Demokratin: Afghanistan hat gezeigt, wir brauchen einen nationalen Sicherheitsrat.
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Das war jetzt auf die Sekunde. Vielen Dank. – Der nächste Redner ist Stefan Keuter für die AfD-Fraktion.
(Beifall bei der AfD)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
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Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 210 |
Tagesordnungspunkt | Abschluss der Beweisaufnahme im 1. UA (Afghanistan) |