30.01.2025 | Deutscher Bundestag / 20. WP / Sitzung 210 / Zusatzpunkt 8

Renate KünastDIE GRÜNEN - Feststellung der Verfassungswidrigkeit der AfD

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Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Nach dem gestrigen Tag ist es heute noch richtiger, über dieses Thema zu reden.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD – Stephan Brandner [AfD]: Wollen Sie die CDU verbieten, oder was?)

Ich möchte uns allen sagen – auch in die CDU/CSU- und die FDP-Fraktion rein –:

(Stephan Brandner [AfD]: Aha!)

Es gibt Tage, da sind wir als Mitglieder dieses Hohen Hauses nicht einfach nur Fachabgeordnete, sondern müssen Courage zeigen.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der SPD – Zurufe von der AfD: Oh!)

Courage zeigen heißt, die Instrumente, die zur Verteidigung der Demokratie im Grundgesetz und im Bundesverfassungsgerichtsgesetz aufgeschrieben wurden, auch anzuwenden, meine Damen und Herren. Dafür kann es kein zu früh oder zu spät geben.

Ich danke Marco Wanderwitz, dass er das Thema auf die Agenda gesetzt und lange daran gearbeitet hat.

(Stephan Brandner [AfD]: Ich finde das auch prima!)

Vielleicht hätten wir es noch früher im Plenum haben müssen. Aber eines ist doch klar: Wir können uns nicht davor drücken, meine Damen und Herren.

Im Grundgesetz wurde der Parteiendemokratie aus gutem historischen Grund mit dem Satz: „Die Parteien“ – also Mehrzahl – „wirken bei der politischen Willensbildung des Volkes mit“, eine besondere Rolle gegeben,

(Beatrix von Storch [AfD]: Auch der Opposition!)

auch dabei, wie wir hier repräsentativ ins Haus kommen. Im Grundgesetz wird aber auch gesagt, dass eine Partei verfassungswidrig sein kann. Schauen Sie sich die Geschichte an! Konstantin Kuhle hat darauf rekurriert; ich komme aber zu einem anderen Ergebnis. So wie früher Abgeordnete in der Krolloper und im Reichstag Mut hatten, müssen auch wir jetzt mal sagen: Wir warten nicht ab. – Es kann doch nicht sein, dass die NPD zu klein war, um verboten zu werden, und die jetzt hier zu groß sind, meine Damen und Herren.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der Linken sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Wir haben die Verantwortung, das ganze Land in den Fokus zu rücken. Wir sind nur unserem „Gewissen unterworfen“; das steht ja auch im Grundgesetz. Und ich sage Ihnen mal, wenn ich mir die AfD angucke: Ich habe gar nicht so viel Zeit, um hier alles darzustellen, was die AfD macht. Sie macht das Land lächerlich.

(Lachen bei Abgeordneten der AfD – Stephan Brandner [AfD]: Das schaffen Sie schon! Frau Baerbock ist gar nicht bei uns!)

Sie macht so ziemlich alle Prinzipien der freiheitlich-demokratischen Grundordnung lächerlich, meine Damen und Herren.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des Abg. Marco Wanderwitz [CDU/CSU])

Ihr Ziel ist gezielte Desinformation, und Desinformation ist was anderes als Fake News oder so, die man einfach hier und da mal raushaut.

(Stephan Brandner [AfD]: Das ist ja interessant!)

Diese Desinformation hat das Ziel, dieses Land zu zerstören. Es hat angefangen – das muss ich dem Journalismus zurufen – mit dem Wort „Lügenpresse“, mit dem man die Menschen irritiert und digital zugeschüttet hat, damit sie am Ende niemandem mehr trauen, nur noch dem, der Emotionen aufhetzt. Aber dahinter steht die Idee, dass keiner mehr an die drei oder vier Gewalten glauben soll.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Sie sind – das ist schon gesagt worden – mittlerweile zu guten Teilen das Sprachrohr eines anderen Staates – mindestens Russlands, vielleicht auch schon Chinas –

(Stephan Brandner [AfD]: USA auch noch!)

und so scharf, dass selbst Marie Le Pen sagt: Mit denen möchten wir nichts zu tun haben.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Wir wissen: Die AfD hat sich seit ihrer Gründung 2013 zunehmend radikalisiert.

(Stephan Brandner [AfD]: Ach was! – Beatrix von Storch [AfD]: Jeden Tag!)

Jetzt, finde ich, kommt es wirklich darauf an – das finden wir, die den Antrag, auf dem ich auch stehe, unterschrieben haben –, dass wir mal anfangen, ernsthaft den Schritt zu gehen,

(Beatrix von Storch [AfD]: „Anfangen, ernsthaft den Schritt zu gehen“!)

zu prüfen, ob diese zwei Worte im Grundgesetz zutreffen: Kann und muss man rechtlich sagen, dass die AfD darauf aus ist, die freiheitlich-demokratische Grundordnung und die Institutionen in diesem Land

(Stephan Brandner [AfD]: … wiederherzustellen?)

zu zerstören, meine Damen und Herren?

Ich sage Ihnen mal, um was es da nicht geht: nicht darum, dass der eine oder andere über dieses oder jenes redet oder hier ständig dazwischenruft.

(Beatrix von Storch [AfD]: Oh ja! Verbieten!)

Artikel 1 Absatz 1: „Die Würde des Menschen ist unantastbar.“ Das ist eine der Garantien unseres Grundgesetzes, die zentrale Bestimmung der freiheitlich-demokratischen Grundordnung, nach der jeder Mensch Würde und Respekt hat. Das ist die Frage, die wir prüfen müssen. Und dann müssen wir natürlich prüfen, ob wir als möglicher Antragsteller – der Bundesrat oder die Bundesregierung könnten das auch – den Schritt gehen, diesen Antrag zu stellen.

Ich sage Ihnen: Es gibt jede Menge Tatsachen, die dafürsprechen, diesen Weg des Nachdenkens zu gehen. Die AfD hat national-völkische Vorstellungen davon, wer zu diesem Volk gehört.

(Fabian Jacobi [AfD]: Und Sie haben Wahnvorstellungen!)

Ja, das Kunstwerk „Der Bevölkerung“ da drüben kritisieren Sie.

(Stephan Brandner [AfD]: „Dem deutschen Volke“ steht in der anderen Richtung! Sagen Sie was dazu!)

Sie reden über Remigration, über Menschen, die nicht sogenannte Biodeutsche sind. Aber alle anderen kommen auch noch dran, und ich weiß nicht, wie viele aus diesem Haus. Ihre Vorstellung ist Gewaltherrschaft wie in Russland und China, und Sie betreiben all das planvoll, meine Damen und Herren.

(Dr. Michael Kaufmann [AfD]: Wahnvorstellungen haben Sie!)

Wer von uns wollte denn hier sagen, dass am Ende Bildung, Waffenrecht, Medienkompetenz oder Ähnliches ausreichen würden?

(Stephan Brandner [AfD]: Ihre Redezeit ist um, Frau Künast! Ihre Zeit hier im Parlament auch!)

Das wird nicht ausreichen! Ich weiß aber umgekehrt – das ist mein letzter Gedanke hier –,

(Stephan Brandner [AfD]: Das merkt man: der allerletzte Gedanke!)

dass, selbst wenn der Verfassungsschutz sagt: „Sie sind extremistisch“, dies Verfassungsfeindlichkeit ist. Das erfüllt noch nicht die hohe Hürde der Verfassungswidrigkeit, meine Damen und Herren, die wir für ein Antragsverfahren brauchen. Es ist fünf vor zwölf, mindestens; in manchen Regionen Deutschlands ist es fünf nach zwölf. Selbst Kommunalbeamte haben Angst, ihren Job zu machen. Das zerstört die Grundfeste unserer Gesellschaft.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der FDP und der Linken)

Mein letzter Satz, Frau Präsidentin, ist – den richte ich an der Stelle auch an Konstantin Kuhle –: „Schaden von ihm wenden“ ist der Eid, den man hier normalerweise leistet. Schaden von ihm wenden!

(Zuruf des Abg. Stephan Brandner [AfD])

Und ich sage denen, die sich nicht verstanden fühlen, eines: Wenn man sich nicht verstanden fühlt – die Kritik nehme ich gerne an –,

(Stephan Brandner [AfD]: Das ist aber ein sehr, sehr langer letzter Satz!)

dann ist man deshalb nicht rechtsextrem und greift nicht andere Menschen an, sondern man kritisiert die Politik.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des Abg. Marco Wanderwitz [CDU/CSU])

Ich freue mich, –

Ein langer Satz.

(Stephan Brandner [AfD]: Ja, ein sehr langer Satz! Fast zwei Minuten drüber!)

– dass Andreas Jung und Alexander Föhr aus der CDU und Johannes Arlt aus der SPD unseren Antrag auch unterstützen. Gehen wir den ersten Schritt und verteidigen wir die Demokratie!

Kollegin.

Wenn Sie dem nicht zustimmen,

(Stephan Brandner [AfD]: Das gibt es doch nicht! Wie lange darf die denn?)

können Sie unserem Prüfauftrag zustimmen, Herr Kuhle.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN, der SPD und der CDU/CSU)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7629148
Wahlperiode 20
Sitzung 210
Tagesordnungspunkt Feststellung der Verfassungswidrigkeit der AfD
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