Linda TeutebergFDP - Feststellung der Verfassungswidrigkeit der AfD
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich zitiere das Bundesverfassungsgericht:
„Das Grundgesetz geht davon aus, dass nur die ständige geistige Auseinandersetzung zwischen … den politischen Ideen und damit auch den sie vertretenden Parteien der richtige Weg zur Bildung des Staatswillens ist … Es vertraut auf die Kraft dieser Auseinandersetzung als wirksamste Waffe auch gegen die Verbreitung totalitärer und menschenverachtender Ideologien …“
Liebe Kolleginnen und Kollegen, in einer ganz aktuellen Umfrage des ZDF-Politbarometers sagen 71 Prozent der Befragten, dass von der AfD eine Gefahr für unsere Demokratie ausgeht, und diese Einschätzung teilen wir Freie Demokraten uneingeschränkt.
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD, der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Stephan Brandner [AfD]: Und 97 Prozent sagen, dass sie keine FDP mehr wollen! Schauen Sie sich die Umfragen mal an!)
Zugleich sagt eine Mehrheit, dass sie gegen ein Verbot ist. Ich finde, es stimmt zuversichtlich, dass hier viele Bürgerinnen und Bürger die Differenzierungsfähigkeit und -bereitschaft an den Tag legen, die manche in dieser Debatte vermissen lassen. Nämlich zu sehen, dass es sich beim Parteiverbot um das schärfste und ein zweischneidiges Schwert des Grundgesetzes handelt.
(Zuruf der Abg. Maja Wallstein [SPD])
Es ist weder, wie Frau Weidel behauptet, undemokratisch – nein, es ist eine Lehre aus der deutschen Geschichte als Ultima Ratio – noch ein Regelinstrument, von dem man behaupten könnte, jeder, der die gute Absicht teilt, müsse auch das Instrument befürworten.
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Zuruf der Abg. Beatrix von Storch [AfD])
Wer das behauptet, zeigt damit ein mangelndes Bewusstsein dafür, wie schwerwiegend dieser schwerstmögliche Eingriff in die Willensbildung des Volkes ist; wenn man eine Partei aus dem Wettbewerb nimmt. Deshalb stellt das Grundgesetz hohe Anforderungen an dieses Instrument.
Es liegt im Ermessen der Verfassungsorgane, ob sie es nutzen oder nicht. Wir müssen eine eigene Abwägung treffen. Ich finde, es ist seinerseits populistisch und lässt die nötige Demut vermissen, wenn man einfache binäre Logiken bedient und sagt, wer das Instrument nicht teilt, teile die Sorge nicht. Das lassen wir uns nicht unterstellen.
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Nein, wir müssen abwägen: Was ist die größere Gefahr für unsere Demokratie, für das Verhältnis der Menschen zu unseren Institutionen? Ein Verbotsantrag birgt hohe juristische Risiken. Es gibt gute Gründe, warum er bisher immer von der Exekutive gestellt wurde; ich höre übrigens wenig von den Innenministern, auch von denen der SPD.
(Stephan Brandner [AfD]: Frau Faeser macht auch blau heute!)
Denn als Parlament haben wir gar nicht alle Erkenntnisse der Nachrichtendienste, haben nicht alles, was dafür nötig wäre.
Die AfD bietet reichlich Angriffsfläche, politisch wie juristisch. Aber wir können die politische Auseinandersetzung nicht an Gerichte delegieren. Wir müssen die politische Auseinandersetzung führen – besser als bisher. Die Probleme und die Energien, die der AfD Zulauf bescheren – sie werden durch ein Gerichtsverfahren nicht verschwinden. Es muss auf Wählerinnen und Wähler der AfD so wirken, als wolle man ihre Anliegen und sie nicht wahrnehmen. Wir müssen aber diese Auseinandersetzung führen.
(Stephan Brandner [AfD]: Sie haben ja keine Wähler mehr!)
Ich habe in meiner ersten Rede hier im Deutschen Bundestag vor fast genau sieben Jahren für meine Fraktion angesichts Ihres verächtlichen Wortes von den Systemparteien deutlich gemacht: Wir sind eine Systempartei im besten Sinne,
(Stephan Brandner [AfD]: Ja, weil Sie hier bald rausfliegen! Und die anderen werden folgen!)
und das ist gut so. Denn dieses System ist die freiheitlich-demokratische Grundordnung, und die setzt auf die Kraft der Argumente, nicht auf Lautstärke, Gewalt oder Einschüchterung.
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU)
Die Demokratie beruht übrigens auf einer unausgesprochenen Prämisse, die mir in dieser Debatte zu kurz kommt. Nämlich dass verschiedene anständige Menschen gleichzeitig zu unterschiedlichen politischen Schlussfolgerungen kommen können. Das ist die Grundlage, auf der wir friedlich und zivilisiert nach Diskussion mit Mehrheitsentscheidung politische Meinungsverschiedenheiten lösen. Und das schließt aus, denjenigen, die andere Positionen haben, leichtfertig den Anstand abzusprechen.
Ich finde, das ist die Herausforderung für die nächsten Wochen vor dieser Bundestagswahl. Die Logik der Verächter der Demokratie bedient gerade, wer die nötige Auseinandersetzung über Sachfragen zu vielen Themen, die wir zu klären haben, ständig zu Integritäts- und Charakterfragen macht und „Negative Campaigning“ – negative Kampagnen – gegen die Integrität anderer führt. Ich glaube, das nicht zu tun, sollte unser Anspruch für die nächsten Wochen sein, damit diese Wahl ein Hochfest der Demokratie wird und wir Lösungsfähigkeit zeigen.
Vielen Dank.
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Das Wort hat der Abgeordnete Stephan Brandner für die AfD-Fraktion.
(Beifall bei der AfD)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7629001 |
Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 210 |
Tagesordnungspunkt | Feststellung der Verfassungswidrigkeit der AfD |