30.01.2025 | Deutscher Bundestag / 20. WP / Sitzung 210 / Zusatzpunkt 43

Tobias B. BacherleDIE GRÜNEN - Aktuelle Stunde: Schutz der Bundestagswahl vor ausländischer Einflussnahme

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Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte mich meiner Vorrednerin in einem Punkt anschließen: Die digitalen Debattenräume haben natürlich immens an Bedeutung gewonnen. Die großen Plattformen sind vor Wahlen, aber auch sonst im Alltag immer mehr der Raum, in dem Politik, in dem Meinungs- und Willensbildung stattfinden. Ich finde es gut und richtig, zu sagen: Sie sind eigentliche kritische Infrastruktur für unsere Demokratie, für die Meinungs- und Willensbildung in dieser Demokratie.

Ich bin aber trotzdem ein bisschen alarmiert, wenn Sie jetzt hier in der Debatte wieder sagen, dass Sie unbedingt alles nachverfolgen wollen. Von Ihnen gibt es aber keine Unterstützung für anlassbezogene Instrumente wie zum Beispiel die Log-in-Falle. Bei dieser geht es um genau das, was Sie gerade beschrieben haben: Bei einer Äußerung, die Hasskriminalität ist, die Terrorverherrlichung ist, die sich klar im strafrechtlich relevanten Bereich befindet und bei der die Gerichte entschieden haben, dass es sich klar im strafrechtlich relevanten Bereich befindet, kann eine Dokumentation zum Beispiel der IP-Adresse, die sich wiederholt in diesen Account einloggt, vorgenommen werden und so eine Rückverfolgung stattfinden.

Das sind Mittel, die rechtlich robust sind, die funktionieren würden. Da höre ich aber nie Unterstützung von der Unionsfraktion. Das erinnert mich ein bisschen an die letzten Wochen und die Debatten der letzten Tage, dass Sie was reinwerfen und sagen: Das muss es sein, alles andere geht nicht. – Aber eine Debatte mit den demokratischen Fraktionen, mit der demokratischen Mitte darüber scheuen Sie. Wenn Sie sagen, dass Sie etwas für die nächste Legislatur vorhaben, dann hoffe ich inbrünstig, dass es Debatten, ein Verhandeln, ein Sich-Stellen der demokratischen Mitte gibt. So hat es oft funktioniert und sollte es auch in Zukunft immer funktionieren.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich will noch mal kurz zu den kritischen Infrastrukturen im digitalen Raum kommen. Ich glaube, wir sind uns einig, dass es da natürlich Regeln geben muss, aber vor allem für die Plattformenbetreibenden. Wenn ich von kritischen Infrastrukturen spreche, dann denken wir vielleicht auch an ein Wasserwerk oder Ähnliches. Bei einem Wasserwerk, das vielleicht in privater Hand ist, würden wir dem Betreiber ja auch nicht sagen: Wie du das sauber hältst, wie du dafür sorgst, dass das Wasser am Ende sauber rauskommt, das wollen wir nicht wissen, das interessiert uns nicht. Wir melden uns nur, wenn beispielsweise der Wasserhahn brennt. Dann wollen wir von dir wissen, was du sammelst. Dann wollen wir, dass du uns zeigst, was du eigentlich verändert hast. Und dann gucken wir mal in ein paar Monaten, ob das wirklich ein Verstoß gegen die Regeln war, die wir uns gegeben haben.

Nein, wir sagen ganz klar: Es gibt bestimmte klare Regeln, an die sich jeder halten muss, der kritische Infrastruktur betreibt. Mit dem Digital Services Act ist die Europäische Union einen entscheidenden Schritt in diese Richtung gegangen. Sie hat gesagt: Ihr könnt nicht einfach irgendwelche Leute sperren, ihr könnt nicht einfach Shadowbans verhängen, also beschließen, dass etwas nicht mehr ausgespielt wird. Ihr müsst Transparenz darüber herstellen. Ihr müsst die Nutzenden, die davon betroffen sind, informieren.

Das ist ein richtiger Schritt. Aber Sie haben es ja angesprochen: Die große Frage, gerade vor Wahlen, ist die Frage der Manipulation des Ausspielens. Da gibt es zwei große Hebel:

Der eine ist, im Algorithmus zu sagen: Das wird ausgespielt und das andere nicht. Nehmen wir ein hypothetisches Beispiel. Ich twittere zu gestern: Die Brandmauer ist gefallen. – Ein Kollege, Till Steffen, twittert: Es wurde eine Grenze überschritten. – Nun hat die Plattform, auf der wir das machen, entschieden: Ein Tweet mit dem Wort „Brandmauer“ wird nicht mehr ausgespielt, der andere Tweet aber schon. – Das ist dann unfair, das ist dann ein unfairer Algorithmus. Jetzt sind wir uns in der Sache sehr einig gewesen, daher wäre das nicht so schlimm. Aber wenn nur noch die Bilder und die Argumentationen der jubelnden Rechtsextremen zu sehen sind und zum Beispiel nicht die Perspektiven derer, die sich ernsthaft Sorgen machen, ob sie beim nächsten Rechtsruck nicht mehr zu diesem Land gehören, dann haben wir in der Demokratie ein Problem.

Dieses unfaire Ausspielen, diese willkürliche Entscheidung, was bevorzugt wird oder nicht, kann natürlich gekauft werden. Dies haben wir jüngst bei Elon Musk gesehen, der seine Leute angewiesen hat: Wenn Biden etwas twittert, darf das nicht erfolgreicher sein als meine Tweets. Deswegen zeigt den Leuten vor allem, was ich twittere.

Das kann auch von außen manipuliert werden; das haben Sie gesagt. Es gibt die Doppelgängerkampagne, also auf inhaltlicher Ebene fingierte Lügengeschichten, die irgendwie echt aussehen, die irgendwelche Nachrichtenseiten nachbauen. Aber es gibt natürlich auch das Eingreifen in die Verteilung mit Fake Accounts. Ich glaube, an der Stelle müssen wir uns echt noch mal zusammenschließen als demokratische Fraktionen in Europa und eine klare Ansage machen, dass es eben nicht durchgeht, dass zum Beispiel auf Twitter –

Herr Kollege, kommen Sie bitte zum Schluss.

– vermutlich noch 20 Prozent Fake Accounts unterwegs sind, die da die Meinungsbildung extrem verzerren, indem sie hier eingreifen, –

Herr Kollege.

– meistens zugunsten Russlands und deren Freunden –

Herr Kollege.

– und unserer Feinde der Demokratie.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Wir haben bei der Aktuellen Stunde fünf Minuten Zeitbegrenzung. Ich bitte Sie alle, sich daran zu halten. Sonst muss ich leider durch einen Eingriff verhindern, dass die Zeit überzogen wird.

Konstantin Kuhle, FDP-Fraktion, ist der Nächste.

(Beifall bei der FDP)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7629027
Wahlperiode 20
Sitzung 210
Tagesordnungspunkt Aktuelle Stunde: Schutz der Bundestagswahl vor ausländischer Einflussnahme
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