Konstantin KuhleFDP - Aktuelle Stunde: Schutz der Bundestagswahl vor ausländischer Einflussnahme
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir befinden uns gut drei Wochen vor einer Bundestagswahl. Es ist gut, dass wir anlässlich dieser Wahl über mögliche Beeinflussung der Willensbildung im Vorfeld der Wahl sprechen. Das können wir aber gar nicht tun, ohne auch über die Funktion der Meinungsfreiheit in unserer Gesellschaft zu sprechen. Die Meinungsfreiheit ist gerade für den politischen Willensbildungsprozess essenziell.
Mir ist wichtig, noch einmal darauf hinzuweisen, dass die Meinungsfreiheit kein bequemes Grundrecht ist, dass die Meinungsfreiheit nicht nur guttun soll, sondern dass die Meinungsfreiheit auch wehtun kann. Deswegen nennt das Bundesverfassungsgericht das, was gerade in unserer Gesellschaft im Vorfeld einer Wahl stattfindet, auch Meinungskampf, weil es um den Kampf unterschiedlicher Meinungen geht und weil der gerade vor einer Wahl ohne Zensur, ohne Beeinflussung und ohne illegitime Einflussnahme aus dem Ausland stattfinden soll. Und nicht alles, was robust zur Sache geht im Wahlkampf, ist gleich ein Verstoß gegen die Meinungsfreiheit oder gegen die Grundrechte; das müssen wir auch beachten, wenn wir darüber sprechen.
(Beifall bei der FDP)
Meine Damen und Herren, mir wird im Zusammenhang mit dem Thema Wahlbeeinflussung gerade ein bisschen viel in Deutschland über Elon Musk gesprochen. Elon Musk ist ein ziemlich unappetitlicher Typ, er macht komische Dinge. Aber er ist nach meiner Auffassung in erster Linie ein Fall für das Kartellrecht; er ist ein Fall für die Medienregulierung, und er muss sich auch endlich an europäische Regeln halten.
(Beifall bei der FDP)
Aber es macht doch einen Unterschied, ob die tatsächliche oder vermeintliche Beeinflussung der öffentlichen Meinung aus einem Land kommt, in dem es selber Meinungsfreiheit gibt, oder ob sie aus einem Land kommt, in dem es eben keine Meinungsfreiheit gibt. Wenn Sie sich mit einem Schild vor den Kreml stellen und draufschreiben: „Putin ist ein Idiot“, dann passiert mit Ihnen etwas ganz anderes, als wenn Sie sich vor das Weiße Haus stellen und draufschreiben: „Trump ist ein Idiot“.
(Jürgen Braun [AfD]: Oder „Schwachkopf“, zum Beispiel!)
Deswegen müssen wir, wenn wir hier eine Gleichsetzung vornehmen, aufpassen und ganz deutlich aussprechen, dass der zentrale Akteur bei der Beeinflussung von Willensbildungsprozessen in Deutschland Russland ist – durch finanzielle Unterstützung für extremistische Parteien, durch Cyberangriffe, durch Sabotage und auch durch Desinformation. Und ja, diese Desinformation wird – das hat der Kollege eben gesagt – auch über Plattformen verbreitet, bei denen jetzt gerade, um Donald Trump zu gefallen, Instrumente der Moderation zugunsten von Desinformation zurückgefahren werden. Das ist ein Problem. Aber wir dürfen nicht aus den Augen verlieren, dass der Verursacher und die Quelle dieser Beeinflussung eben die russische Regierung ist.
Ich habe es hier an dieser Stelle schon gesagt, ich will es aber noch mal wiederholen: Wir können über die verschiedenen Instrumente im Bereich der Bekämpfung von Wahlbeeinflussung sprechen. Es sind in Deutschland viel zu viele Behörden zuständig. Wir wissen gar nicht, wie viele hybride Angriffe es gibt. Wir sind viel zu zurückhaltend, wenn es um Gegenmaßnahmen geht.
Aber wir müssen uns damit beschäftigen, warum Wahlbeeinflussung eigentlich ausgerechnet so sehr in Deutschland stattfindet. Sie findet durch Russland deswegen so sehr in Deutschland statt, weil Deutschland der größte Mitgliedstaat der Europäischen Union ist, weil wir im Verhältnis zu den anderen doch relativ viel für die Ukraine tun. Und der wichtigste Grund, warum Wahlbeeinflussung in Deutschland so stark stattfindet durch Russland, ist, weil sie in Deutschland funktioniert, weil wir keine ausreichende gesellschaftliche Resilienz gegen die Narrative des Kreml haben.
Wenn Wladimir Putin sich heute hinstellt und in einem Interview sagt: „Ich weiß gar nicht, was ihr wollt. Ich will doch nur die vier Oblaste in der Ukraine, die ich teilweise besetzt habe“, dann glauben ihm das AfD, BSW, ein signifikanter Teil der deutschen Bevölkerung und, wenn Sie Pech haben, auch noch ein Teil der niedersächsischen SPD.
(Beifall bei der FDP – Heiterkeit bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Wenn Sie diese Sachen im Baltikum, in Polen, in Tschechien, in Skandinavien öffentlich sagen, dann glaubt das nicht mal ein Bruchteil der Bevölkerung. Deswegen muss unsere soziale, muss unsere gesellschaftliche Resilienz gegen Desinformation, gegen die Unterwanderung durch autokratische Staaten besser werden, und wir müssen darüber sprechen, warum das eigentlich in Deutschland nicht funktioniert.
Ich habe den Verdacht, dass das damit zusammenhängt, dass die Behörden, die bei uns zuständig sind, oftmals selber weisungsgebunden sind, sei es das Bundesamt für Verfassungsschutz, das eigentlich ganz andere Aufgaben hat, sei es das Bundespresseamt, sei es das Auswärtige Amt, das mal die Doppelgänger-Kampagne aufgedeckt und veröffentlicht hat. Es sind zu viele Institutionen verantwortlich, aber es gibt keinen gesellschaftlichen Akteur, der unabhängig die Bevölkerung informiert. Vielmehr stehen diese Akteure im Verdacht, für den Staat zu arbeiten, und sind deswegen nicht glaubwürdig, wenn es darum geht, vor der russischen Beeinflussung und Unterwanderung unserer Willensbildungsprozesse zu warnen.
Deswegen brauchen wir eine gesellschaftliche Debatte, brauchen stärkere Institutionen gegen diese Unterwanderung und brauchen mehr Unabhängigkeit und eine breite Brust, wenn es darum geht, zu verhindern, dass Putin unsere demokratischen Prozesse unterwandert.
Herzlichen Dank.
(Beifall bei der FDP sowie des Abg. Daniel Baldy [SPD])
Vielen Dank, Herr Kollege Kuhle. – Nächster Redner ist der Kollege Jürgen Braun, AfD-Fraktion.
(Beifall bei der AfD sowie bei fraktionslosen Abgeordneten)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7629028 |
Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 210 |
Tagesordnungspunkt | Aktuelle Stunde: Schutz der Bundestagswahl vor ausländischer Einflussnahme |