Renate KünastDIE GRÜNEN - Aktuelle Stunde: Schutz der Bundestagswahl vor ausländischer Einflussnahme
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich will mit einer Reaktion auf Kollegen beginnen. Zunächst zu Konstantin Kuhle, der gerade einen Unterschied gemacht hat. Er hat was zum Thema Kartellrecht ausgeführt – sicherlich auch richtig; denn man muss alle Instrumente nutzen –, aber dann kam der Satz: Es ist schon ein Unterschied, wenn Einflussnahme aus einem Land kommt, in dem Meinungsfreiheit herrscht. – Und da sage ich: Für mich nicht.
Warum? Mir ist egal, woher sie kommt. Bei einer Manipulation, einer Einflussnahme auf unsere Wahlen ist es mir egal, ob es vom Roten Platz, vom Weißen Haus oder vom sogenannten Platz des Himmlischen Friedens kommt. Wenn sie Trolle und Agenten schicken, wenn Präsidenten und ihr Umfeld uns beeinflussen wollen und auf Social-Media-Plattformen Werbung machen, sie aber nicht kennzeichnen, dann sage ich: Nichts davon ist akzeptabel als Einfluss auf unsere demokratischen Prozesse und freien Wahlen.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Bei Herrn Henrichmann füge ich nur an: gute Rede über den Einfluss und darüber, was bei der AfD los ist. Aber dann verstehe ich nicht, warum Sie vorhin bei der AfD-Debatte so zurückhaltend waren. Denn Sie haben eigentlich eine schöne Begründung dafür gegeben, dass man mindestens ein Gutachten in Auftrag geben oder auch dem anderen Antrag zustimmen muss.
(Zuruf der Abg. Beatrix von Storch [AfD])
Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir reden über Desinformationen. Das ist was Schärferes als zum Beispiel Fake News: Das ist nämlich mit Absicht gemachter Einfluss. Eine Desinformationskampagne setzt nicht nur hier oder da mal eine Information oder ein Falschzitat, sondern sie hat das Ziel der Zerstörung, der Zersetzung demokratischer Prozesse. Das Ziel ist: Man soll nicht mehr an unsere demokratischen Strukturen glauben. Man soll gegenüber allen demokratischen Institutionen Zweifel haben.
In dem Bereich ist im Augenblick eine Menge los. Ich glaube, Russland hat dafür mindestens 6 000 Leute. In China geht die Zahl der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die im Ausland Einfluss nehmen, in Richtung 1 Million. Meine Damen und Herren, das ist nicht trivial.
Und das andere – viele Kollegen und Kolleginnen haben es ja schon gesagt – sind die digitalen Plattformen, ob Musk, Zuckerberg oder wie auch immer sie heißen, die das EU-Recht nicht einhalten und eben auch ganz massiv einschreiten.
Von Russland wissen wir das ja schon lange Jahre. Das ist nicht trivial; dessen Einfluss hat wirklich Wirkung. Von russischen Oligarchen wurde Boris Johnson der Wahlkampf für London bezahlt; die Tories haben danach Geld bekommen. Der ganze Brexit ist finanziert worden von rechtsextremen Hedgefondsmanagern aus den USA, russischen Trollfabriken und russischen Oligarchen, meine Damen und Herren. Deren Interesse ist, dass es kein demokratisches Europa gibt, das bestimmte Prozesse hat und wo wirklich Meinungsfreiheit herrscht. Deshalb wollen sie destabilisieren. Und das ist doch unsere Sorge.
(Zuruf des Abg. Mike Moncsek [AfD])
Warum gerade Deutschland? Ein Kollege – ich weiß gar nicht mehr, wer es vorhin war – hat gesagt: Deutschland ist vielleicht besonders naiv und gutgläubig oder wehrt sich zu wenig.
(Konstantin Kuhle [FDP]: Habe ich auch gesagt!)
– Du hast das gesagt, genau. Siehst du, ich habe zugehört. – Da geht es darum, dass Deutschland vielleicht noch zu naiv ist und in solchen Dingen noch nicht hinreichend aufgestellt ist. Und genau das müssen wir ändern.
Russland hat zum Beispiel ein Interesse daran, zwei Staaten, die in Europa, in der EU eine große Verantwortung tragen, die Prozesse zusammenführen, die große Volkswirtschaften sind, zu destabilisieren. Das ist auch im Interesse der Parteien, die hier in gewisser Weise das Sprachrohr Russlands sind. Sie sitzen auf der linken und rechten Seite des Hauses, meine Damen und Herren. Proeuropäische Koalitionen werden nicht gewollt. Wir sehen, dass Russland an vielen anderen Stellen entsprechend Einfluss nimmt. Sie wollen nicht – auch deshalb war der gestrige Tag ein Problem –, dass Koalitionen von demokratischen Parteien zahlenmäßig möglich sind. Sie wollen keine freien Wahlen, meine Damen und Herren.
Was ich mir wünschen würde, ist, dass wir in diesem Haus Zeitenwende anders verstehen als bisher. Zeitenwende umfasst viel mehr als 100 Milliarden Euro für die Bundeswehr. Sie ist viel mehr; denn hybride Kriege bedeuten, dass man gegen Cyberangriffe gewappnet sein muss, dass man sich verteidigen und aufstehen muss, wenn Meinungsbildung manipuliert ist.
(Mike Moncsek [AfD]: Das machen ganz viele Bürger jeden Montag!)
Ob in Landtags-, in Kommunal-, in Bundestagswahlen: Wir müssen uns schützen. Ich sage: Wir haben dafür noch nicht genug getan, meine Damen und Herren.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Deutschland hat als erster Mitgliedstaat der EU ein Netzwerkdurchsetzungsgesetz beschlossen. Wir haben den Digital Services Act durchgesetzt, wo der Aufbau und Umbau jetzt langsam beginnt. Aber was wir brauchen, sind Stellen zur Erkennung. Wir brauchen Aufsichtsbehörden, wir brauchen bessere Strafverfolgung, meine Damen und Herren. Wir müssen mehr machen gegen unlauteren Wettbewerb. Und ich sage Ihnen: Alles, was die Bundesregierung bisher eingerichtet hat, reicht mir nicht.
(Dr. Götz Frömming [AfD]: Ein Wahrheitsministerium brauchen wir!)
Frau Kollegin, kommen Sie zum Schluss, bitte.
Ich frage mich, warum das Innenministerium bisher keine Kampagne gegen Desinformationen vorgelegt hat. Genau das brauchen wir, und das erfordert die Zeitenwende.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg. Sonja Eichwede [SPD])
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
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Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 210 |
Tagesordnungspunkt | Aktuelle Stunde: Schutz der Bundestagswahl vor ausländischer Einflussnahme |