Michael KruseFDP - Energiewirtschaftsrecht
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Das, was Anfang dieser Woche passiert ist, hat uns überrascht. Viele haben das ja nicht mitbekommen; deswegen möchte ich es kurz erzählen: Am Montagabend um 20.45 Uhr
(Dr. Ingrid Nestle [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sonntag!)
werden den Fraktionen fünf Gesetzentwürfe zugeleitet. Das war eine gute Überraschung. – Am Sonntag hat uns eine Mail des Sekretariats erreicht, die von Fehlern gespickt war und auch keine finalen Versionen beinhaltet hat. Darauf kann man sich nicht verlassen, Frau Kollegin; das wissen Sie.
Das Verfahren, kurzfristig Gesetze zur Abstimmung zu stellen, ist für diese Legislaturperiode beispielhaft.
(Felix Schreiner [CDU/CSU]: Sie waren ja lange dabei!)
Aber fünf Gesetze am Montagabend zu verschicken und am Mittwochmorgen im Ausschuss zur Abstimmung zu stellen, das hat es noch nicht gegeben. So etwas hat es wirklich nicht gegeben, auch nicht auf dem Höhepunkt der Energiekrise 2022. Und wann immer der Kollege Heilmann aus der Union hier oder im Ausschuss das Verfahren hier im Hause kritisiert hat, haben wir erklärt, warum dieses Vorgehen einmalig notwendig ist, bei einzelnen Gesetzen. Fünf Gesetze vorzulegen und damit das parlamentarische Verfahren zu quälen, ist einem Abschluss dieser Legislaturperiode nicht angemessen.
(Beifall bei der FDP – Zuruf der Abg. Leni Breymaier [SPD])
Frau Präsidentin – da Sie ja nun gerade da oben sitzen –, wir haben uns in dieser Sache auch an Sie gewandt. Und es wäre, glaube ich, gut gewesen, wenn Sie unserem Wunsch, die Verfahren in diesem Hause zu ordnen, auch nachgekommen wären. Ich glaube, genau dazu dient das Schreiben, das wir an Sie gerichtet haben. Eine Beantwortung vor der heutigen Beschlussfassung hätte diesem Hause sehr gutgetan.
(Beifall bei der FDP)
Selten gibt es bei Gesetzen die Möglichkeit, Alternativen zu vergleichen. Warum? Weil die Opposition immer sagen kann: Ihr habt ein Gesetz gemacht, aber wir hätten das alles viel besser gemacht. – Den Beweis allerdings kann man ja gar nicht erbringen; deswegen kann man das auch easy behaupten. Das ist hier anders. Es gibt mit dem EnWG 4.0 gesetzliche Grundlagen, die schon im Sommer letzten Jahres geeint waren; das hieß damals „Wirtschaftsdynamisierungspaket“. Deswegen lässt sich auch glasklar zeigen, was die FDP bei Rot-Grün rausgeholt hat und was die CDU/CSU bei Rot-Grün rausgeholt hat. Und ich muss sagen, man hat den Eindruck, dass die Union in Sachen Verhandlung von Gesetzen ein bisschen eingerostet ist. Denn ganz wesentliche Inhalte, die das EnWG 4.0 beinhaltet hat, tauchen hier nicht mehr auf: Absenkung der Direktvermarktungsschwelle – natürlich müssen auch kleinere Anlagen im Bereich Solar in die Direktvermarktung – und eine Steuerbarkeitsschwelle – aber nicht bei 7 kW;
(Dr. Hendrik Hoppenstedt [CDU/CSU]: Haben Sie mal festgestellt, dass wir 19 zweite, dritte Lesungen diese Woche mitmachen? Wie wäre es mal mit „Danke“? – Gegenruf der Abg. Dr. Ingrid Nestle [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
denn dann bauen jetzt alle Anlagen mit weniger als 7 kW. Wir sprechen uns wieder, und Sie alle werden das hier in der nächsten Legislaturperiode beklagen.
All diese Regelungen sorgen dafür, dass jedes Jahr im PV-Bereich in der Größenordnung eines Großkraftwerks nicht gesteuert werden kann. Ich meine, Sie von den Grünen haben sich immer beschwert, dass große Kraftwerke nicht so easy steuerbar sind, dass sie nicht flexibel genug auf Erneuerbare im Netz reagieren. Hier sorgen Sie dafür, dass ein Großkraftwerk in Deutschland jedes Jahr nicht steuerbar ist. Das halten wir für grundfalsch. Deswegen lehnen wir diesen schwarz-grün-roten Kompromiss auch ab, meine Damen und Herren.
(Beifall bei Abgeordneten der FDP)
Wichtiger als das, was hier aufgeschrieben ist, ist allerdings, was hier nicht aufgeschrieben ist, was nicht eingebracht wird. Andreas Jung, Rede vom 20. Dezember 2024 – das ist einen Monat her –: „CDU und CSU für CCS und CCU.“ Meine lieben Kolleginnen und Kollegen, ich will Sie nicht auf die Folter spannen: Welches Gesetz liegt heute nicht vor?
(Dr. Ingrid Nestle [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: HGÜ! RED III! Wasserstoff! Geothermie!)
Das, was Investitionen im Milliardenbereich in Deutschland auslösen könnte, nämlich das zu CCS und CCU. – „Wasserstoff und Geothermie“ ruft die Kollegin Nestle rein und hat recht.
(Dr. Ingrid Nestle [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Hätten Sie mit uns einen können!)
Sie haben auch das Wasserstoffbeschleunigungsgesetz heute nicht vorgelegt,
(Dr. Julia Verlinden [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wieso nicht vorgelegt? Wir wollten das gerne verhandeln! Ihr wolltet nicht mehr!)
das Gesetz, zu dem alle Parteien der demokratischen Mitte hier immer erklärt haben, dass sie das unbedingt wollen. Sie haben es nicht vorgelegt, und das ist eine große Schwäche.
(Zuruf des Abg. Bernhard Herrmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Alle Gesetze, die große Investitionen auslösen, liegen heute nicht vor. Diese schwarz-grün-rote Koalition ist kein Zukunftsmodell.
Herr Kruse, bevor Sie weiterreden: Es gibt den Wunsch nach einer Zwischenfrage von Herrn Jung aus der CDU/CSU-Fraktion. Wollen Sie die zulassen?
Gerne; solange er noch der CDU/CSU-Fraktion angehört und nicht zu den Grünen wechselt.
(Beifall bei Abgeordneten der FDP – Dr. Hendrik Hoppenstedt [CDU/CSU]: Hahahaha! – Zurufe von der SPD, der CDU/CSU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Oh!)
Herr Jung, Sie haben das Wort.
Frau Präsidentin! Geschätzter Kollege Kruse, Sie können versichert sein: Ich bin mit ganzem Herzen Christdemokrat. Und als Christdemokrat will ich Ihnen ganz klar sagen: Das, was heute auf dem Tisch liegt, sind Notlösungen, die notwendig sind, um Schäden abzuwenden, die auftreten würden, wenn in den nächsten Wochen nichts passiert.
Ich frage Sie, ob Sie bereit sind, zur Kenntnis zu nehmen, dass wir als CDU und CSU bereits zu der Zeit, als Sie noch der Regierung angehört haben, darauf gedrungen haben, dass eine gesetzliche Regelung für CCS und CCU vorgenommen wird, nämlich das Kohlendioxid-Speicherungsgesetz. Wir drängen auch jetzt weiter darauf. Sie werden die Debatte verfolgt haben und festgestellt haben, dass wir Bundesminister Habeck und Kanzler Olaf Scholz aufgefordert haben, das eigene Gesetz jetzt mit ihren Fraktionen zu beschließen, dass es aber die Fraktionen von SPD und Grünen waren, die das Gesetz, das ihr Minister Habeck und ihr Kanzler Olaf Scholz in der Regierung beschlossen haben, blockieren. Unsere Haltung ist klar: Wir wollen das nach wie vor beschließen. Aber wir stellen fest: Es gibt hier eine Blockade bei den Fraktionen von SPD und Grünen.
Kommen Sie zur Frage!
Sind Sie bereit, das zur Kenntnis zu nehmen?
(Beifall bei der CDU/CSU)
Herr Kollege, herzlichen Dank, dass Sie mir noch mal die Möglichkeit geben, darauf einzugehen, wie das Ganze hier zustande gekommen ist und wie es gekommen ist, dass dieses Gesetz heute nicht vorliegt.
Die beiden Rest-Regierungsfraktionen haben sich an die beiden demokratischen Oppositionsfraktionen mit der Frage gewandt, ob in dieser Legislaturperiode noch Gesetzgebungen möglich wären. Dann ist man als Oppositionsfraktion – als FDP-Oppositionsfraktion, als CDU/CSU-Oppositionsfraktion – in einer privilegierten Lage; denn man kann sich im Prinzip aussuchen, was man aufruft, um einen Kompromiss zu erzielen.
Ich möchte Ihnen sagen, was wir aufgerufen haben; denn das findet ja hinter den Kulissen statt. Wir haben gesagt: Wir als FDP-Fraktion sind selbstverständlich weiterhin bereit, wichtige, dringende Gesetze in dieser Legislaturperiode zu beschließen. Wenn das aber der Fall sein soll, dann müssen zwei Dinge passieren:
(Zuruf der Abg. Lisa Badum [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Erstens müssen die negativen Strompreise geregelt werden. Das ist nämlich das, was wir in den letzten zwei Jahren in der Regierungszeit vorangetrieben haben und wo wir unsere beiden damaligen Partner erst zum Jagen tragen mussten.
(Zuruf der Abg. Lisa Badum [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Und zweitens muss auch das Gesetz, das am längsten bei uns liegt, durch den Deutschen Bundestag, nämlich das Gesetz zu CCS und CCU.
(Dr. Ingrid Nestle [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie sind auch noch stolz darauf, dass Sie andere Gesetze in Geiselhaft genommen haben!)
Wir haben diese beiden Forderungen aufgerufen und sind dann nicht mehr kontaktiert worden. Sie wiederum haben dieses Gesetz nicht zum Gegenstand und zur Basis für eine Einigung gemacht. Deswegen haben Sie es hier im Deutschen Bundestag nicht durchverhandeln können.
(Andreas Jung [CDU/CSU]: Drei Jahre Zeit! Drei Jahre Zeit, Herr Kruse! Drei Jahre Zeit hätten Sie gehabt!)
Ich nehme zur Kenntnis, dass Sie immer sagen, dass Sie das Gesetz zu CCS und CCU durchbringen wollten. Ich nehme zur Kenntnis, dass Sie, als Sie persönlich die Gelegenheit hatten, es durchzubringen, sich dafür entschieden haben, es nicht zu tun, Herr Kollege.
(Beifall bei Abgeordneten der FDP – Andreas Jung [CDU/CSU]: Drei Jahre haben Sie Zeit gehabt!)
Meine lieben Kolleginnen und Kollegen, dies ist vorerst meine letzte Rede im Deutschen Bundestag. Ich habe mich entschieden, diesmal nicht für den Bundestag zu kandidieren und meinen Schwerpunkt auf die Leitung meiner Firma zu legen und dann eben von dort aus die deutsche Wirtschaft wieder in Schwung zu bringen.
(Heiterkeit und Beifall bei der FDP)
Politik mache ich dann, wie die meisten Menschen in diesem Land, im Ehrenamt weiter.
Viele letzte Reden widmen sich ausführlich der eigenen Familie, den Freunden, einem großartigen Umfeld, das eine politische Karriere hier erst ermöglicht hat. Das tue ich auch. Alle, die in diesem Moment zuschauen, wissen, dass genau sie damit gemeint sind.
Ich bin sehr stolz, dass es mir im Bereich Energiepolitik möglich war, einen wesentlichen Beitrag zu leisten, dass der russische Energiekrieg gegen Deutschland nicht noch viel größere Schäden verursacht hat. Wir haben schnell viele gute Maßnahmen ergriffen. Das LNG-Beschleunigungsgesetz sei hier beispielhaft als großer Erfolg genannt, der auch aufzeigt, dass die politische Verhinderung von Technologie in diesem Land sehr teuer bezahlt werden muss. Dieses Gesetz aus dem Hause des Wirtschaftsministers im Wesentlichen unverändert gegen den Widerstand aus seiner eigenen Fraktion erfolgreich durch dieses Parlament gebracht zu haben, zählt zu den skurrilsten Erlebnissen, über die ich wohl ein Buch schreiben könnte, weil sie so vielfältig sind.
(Zuruf von der SPD: Machen Sie es doch! – Zuruf der Abg. Lisa Badum [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Bismarck soll mal gesagt haben: Gesetze sind wie Würste. Man sollte besser nicht dabei sein, wenn sie gemacht werden. – Ich fühle mit ihm und werde deshalb bis auf Weiteres auch auf die Teilnahme an einer Wurstproduktion verzichten.
Kommen Sie zum Schluss!
Die wachsenden Herausforderungen, vor denen dieses Land steht, bedürfen auch wachsender Anstrengungen von uns allen. Mein größter Wunsch ist, dass es dabei im Wesentlichen um die Sache geht und nicht nur um die Erweckung des Eindrucks, dass es einem um die Sache geht.
Ihre Redezeit ist beendet.
Euch und Ihnen allen wünsche ich faire, harte, kluge, zu guten Entscheidungen beitragende Debatten und ein Aufwachsen der politischen Mitte durch lebensnahe Entscheidungen.
Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit.
(Beifall bei der FDP)
Herr Kruse, da Sie angekündigt haben, dass Sie nicht wieder kandidieren, auch Ihnen alles Gute für die Zukunft, auch für Ihre Firma.
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Nächster Redner: für die AfD-Fraktion Marc Bernhard.
(Beifall bei der AfD)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7629177 |
Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 211 |
Tagesordnungspunkt | Energiewirtschaftsrecht |