31.01.2025 | Deutscher Bundestag / 20. EP / Session 211 / Zusatzpunkt 35

Nancy Faeser - Zustrombegrenzungsgesetz

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Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Abgeordneten! Sehr geehrte Gäste! Ich war am Sonntag in Aschaffenburg. Ich habe dort eine Stadt in tiefer Trauer erlebt und gemeinsam mit dem Ministerpräsidenten von Bayern mit der Mutter des brutal ermordeten Jungen gesprochen; eine entsetzliche Tat. Mir ist aber etwas in Erinnerung geblieben von meinem Besuch am Sonntag in Aschaffenburg, nämlich die Bitte bei der Gedenkfeier, diese furchtbare Tat nicht politisch zu instrumentalisieren.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Wir brauchen jetzt mehr Miteinander, mehr Zusammenhalt.

(Zurufe von der AfD)

Dafür muss die demokratische Mitte gemeinsam einstehen, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Am Mittwoch hat die Union diese demokratische Mitte erstmals verlassen. Ich hoffe, Sie besinnen sich, meine Damen und Herren der CDU, heute noch eines anderen. Ein Gesetz mit den Stimmen der AfD zu beschließen – Sie haben es ja gerade von Herrn Baumann gehört, mit welcher AfD Sie das heute beschließen wollen –, wäre ein weiterer tiefer Bruch unserer Geschichte seit 1949.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Bis Mittwoch wurden nie Mehrheiten mit der extremen Rechten gebildet, bis heute noch nie für ein Gesetz. Ich will Ihnen auch sagen: Auch inhaltlich bringt uns dieser Gesetzentwurf nicht weiter, Herr Merz.

Erstens. Bei der Begrenzung der irregulären Migration geht es ums Handeln, nicht um Symbolik. So haben wir es geschafft, die irreguläre Migration um ein Drittel zu senken, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Zweitens. Hier geht es um Präzision. Unsere Verfassung und die Europäische Menschenrechtskonvention schützen die Rechte von Kindern und Familien. Kinder haben ein Recht auf ihre Eltern und damit dürfte es kaum vereinbar sein – Herr Merz, jetzt gut zuhören –, den Familiennachzug dauerhaft auszuschließen. Und darüber muss man reden.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Ja, ich bin die Erste, die offen ist für neue Befugnisse der Bundespolizei.

(Christian Dürr [FDP]: Ach!)

Lassen Sie mich auch noch einmal auf die Frage der Zurückweisungen eingehen.

(Jens Spahn [CDU/CSU]: Was ist jetzt mit der Bundespolizei?)

Was Sie sich darunter vorstellen, verstößt eklatant gegen Europarecht.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Deshalb hatten Sie das als Union unter Frau Merkel jeweils strikt abgelehnt, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Denn Frau Merkel wusste, was das praktisch bedeutet: den Bruch mit unseren europäischen Partnern. Der österreichische Bundeskanzler Ihrer Schwesterpartei hat Sie diese Woche dazu ermahnt – Herr Merz, Sie persönlich –, sich an europäisches Recht zu halten; der österreichische Bundeskanzler. Kein einziger Nachbarstaat würde einen solchen gefährlichen deutschen Alleingang akzeptieren. Kein einziger Nachbarstaat würde sich von einem deutschen Kanzler herumkommandieren lassen. Das hat der große Europäer Helmut Kohl auch immer gewusst.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Jetzt versuchen Sie Folgendes: Es gibt eine Uminterpretation – Sie haben es gerade mit der Außenministerin gemacht – der Gespräche aus dem letzten September, Herr Frei. Der Union geht es nicht um Verhandeln in der politischen Mitte, offensichtlich leider nicht mehr. Anderen Vorschläge zu machen und immer darauf zu beharren, dass nur so – ohne jegliche Veränderung – die andere Seite das zu akzeptieren hat, geht nicht. Das haben Sie mit den europarechtswidrigen Zurückweisungen in den Gesprächen im September gemacht. Wer ist denn aufgestanden? Wir sind nicht aufgestanden. Die Union ist aufgestanden, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zurufe der Abg. Thorsten Frei [CDU/CSU] und Alexander Hoffmann [CDU/CSU])

Und Sie machen es jetzt wieder, Herr Frei. Sie legen hier einen Gesetzentwurf auf den Tisch, obwohl ich Ihnen eben gesagt habe, wo die Schwierigkeiten sind. Und Sie sagen wieder: nur so oder gar nicht. So verhandelt man nicht aus der Mitte eines Parlamentes in einer demokratischen Weise, meine Damen und Herren. Das ist ungehörig.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Christian Dürr [FDP]: Frau Faeser, Sie waren doch gar nicht dabei! Da hat Herr Mützenich Sie falsch informiert!)

Statt als demokratische Mitte eine gemeinsame Antwort zu geben, haben Sie die Debatte weiter angeheizt und alle praktischen Lösungen diskreditiert. Dabei sind wir uns im Grundsatz doch einig, dass wir die irreguläre Migration weiter zurückdrängen wollen.

(Christian Dürr [FDP]: Ah!)

Also hören Sie endlich auf, hier so zu tun, als wenn nur Sie das wollten mit der einen Lösung, sondern lassen Sie uns an den Tisch zurückkehren und darüber verhandeln. So handelt die demokratische Mitte dieses Hauses, aber nicht, durch ein einseitiges Vorgehen hier einen erneuten Tabubruch zu begehen, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Ihr Geschrei soll nur übertönen, dass wir dafür Schritte gewagt haben, zu denen Ihnen übrigens die Kraft gefehlt hat. Wir haben Kontrollen an allen deutschen Landesgrenzen eingeführt.

(Alexander Hoffmann [CDU/CSU]: Hessen-Wahlkampf!)

Und wir haben 43 000 Personen im Einklang mit Europarecht, Herr Hoffmann, zurückgewiesen. Wir haben den Behörden die Möglichkeit gegeben, Abschiebungen erfolgreich durchzusetzen. Wir haben das Ausreisegewahrsam und die Abschiebehaft verlängert. Und die Fakten sprechen für sich: Es gab im letzten Jahr 111 000 Asylgesuche weniger als 2023. Ein Rückgang von 34 Prozent. Gleichzeitig haben wir mit 22 Prozent mehr Abschiebungen erreicht. Das sind die Fakten, auf deren Grundlage Demokraten miteinander verhandeln sollten, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Sie kommen bitte zum Ende, Frau Ministerin.

Ich komme zum Ende. – Die Menschen erwarten Lösungen aus der demokratischen Mitte. Wir haben Ihnen drei Gesetzentwürfe vorgelegt. Die Umsetzung des GEAS – damit hat Ihr Herr Weber im Europawahlkampf geworben; Sie lehnen das hier ab –

Frau Ministerin.

– zur Grundlage von Verhandlungen zu machen, das Bundespolizeigesetz, die Gesichtserkennung und der automatisierte Bildabgleich sind alles Dinge, die Sie eigentlich wollen. Warum verweigern Sie sich hier?

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Ich möchte zum Schluss noch eine persönliche Bemerkung machen. Meine Damen und Herren, ein 99-jähriger Holocaustüberlebender hat wegen Ihrer Entscheidung am Mittwoch, Herr Merz, sein Bundesverdienstkreuz zurückgegeben. Mein Freund Michel Friedman hat sich nach 40 Jahren Parteimitgliedschaft in der CDU dazu entschieden, wegen Ihrer Entscheidung am Mittwoch aus der CDU auszutreten. Das macht mich tief betroffen.

Herr Merz, ich erwarte von Ihnen, dass Sie hier wenigstens den Anstand haben, zu Ihrer Entscheidung zu stehen und sich dafür zu entschuldigen.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Für die Unionsfraktion hat jetzt Alexander Dobrindt das Wort.

(Beifall bei der CDU/CSU)

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Electoral Period 20
Session 211
Agenda Item Zustrombegrenzungsgesetz
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