31.01.2025 | Deutscher Bundestag / 20. WP / Sitzung 211 / Tagesordnungspunkt 18

Schahina GambirDIE GRÜNEN - Bericht d. Enquete-Kommission Lehren aus Afghanistan

Lade Interface ...
Anmelden oder Account anlegen






Sehr geehrte Frau Präsidentin! Verehrte Sachverständige auf der Tribüne! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist wichtig, aus Fehlern zu lernen. Der Abzug aus Afghanistan im August 2021 war eine der größten außenpolitischen Niederlagen der Bundesrepublik. Die Bilder vom Flughafen in Kabul sind uns allen im Gedächtnis geblieben: Menschen, die sich verzweifelt an Flugzeuge klammern; Eltern, die hilflos ihre Kinder in die Hände von Soldaten geben; afghanische Kolleginnen und Kollegen, die uns über Jahre unterstützt und mit denen wir zusammengearbeitet haben, für deren Rettung es aber keinen Plan gab.

Mehr als ein Jahrzehnt ist es versäumt worden, die Wirksamkeit des Afghanistan-Einsatzes ehrlich zu hinterfragen. Warnungen aus der Wissenschaft und von den Expertinnen und Experten vor Ort wurden ignoriert. Immer wieder wurde der Einsatz verlängert – ohne eine langfristige Strategie oder Zielsetzung, ohne einen echten Dialog mit den Menschen vor Ort, ohne sich jemals ernsthaft mit den sozialen und kulturellen Gegebenheiten in Afghanistan auseinandergesetzt zu haben.

Dann kam der Abzug – ohne Exit-Strategie, wieder ohne Plan. Und was ist passiert? Es brach Chaos aus. Das war Versagen auf ganzer Linie.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, so wie wir in Afghanistan gescheitert sind, dürfen wir nie wieder scheitern.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Fast drei Jahre hat sich die Enquete-Kommission mit dem Einsatz in Afghanistan befasst. Dabei ist Historisches gelungen: Zum ersten Mal hat eine Enquete-Kommission selbstkritisch und ehrlich einen Auslandseinsatz vollständig aufgearbeitet und ausgewertet. Ich möchte an dieser Stelle allen demokratischen Fraktionen und Sachverständigen für die vertrauensvolle Zusammenarbeit danken.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)

Die Lehren, die wir mit unserem Abschlussbericht vorlegen, werden ein Kompass für unsere zukünftige Außen-, Sicherheits- und Entwicklungspolitik sein. Wir machen Vorschläge, wie sich die Ressorts in Zukunft besser abstimmen können; denn so gelingt Strategieentwicklung. Wir machen Vorschläge, wie Einsätze besser vom Parlament begleitet und kontrolliert werden können; denn so gelingt Selbstkritik. Und wir machen Vorschläge, wie Einsätze regelmäßig unabhängig evaluiert werden können.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

So gelingt eine Außen-, Sicherheits- und Entwicklungspolitik, die das Leben vor Ort wirklich verbessert.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, das sind nur einige Lehren, die Sie dem Bericht entnehmen können. Doch damit der Bericht volle Wucht entfalten kann, muss ein Umdenken stattfinden, auf Parlaments- und auf Regierungsebene. Unsere Außenministerin hat über die letzten Jahre gezeigt, wie nötig eine Neuausrichtung in unserer Außenpolitik ist. Aber vor allem hat sie gezeigt: Es ist möglich. Wir werden unserer Verantwortung gegenüber unseren Partnern gerecht. Wir lernen aus Fehlern, und wir stellen die Menschen in den Mittelpunkt.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Seit dreieinhalb Jahren sind all diese Aspekte kein Widerspruch mehr; sie sind Basis unseres Handelns, und das ist doch wichtiger denn je. Denn wir wissen schon jetzt: Die internationalen Herausforderungen, vor denen wir stehen, sind immens.

Zwei Beispiele. Millionen Ukrainerinnen und Ukrainer verteidigen täglich ihr Leben, ihre Freiheit und unsere europäische Friedensordnung. Mangelnde Zielsetzung und Strategie dürfen wir uns nicht erlauben; denn so gefährden wir ihr Leben, die Existenz der Ukraine und auch unsere Freiheit und Sicherheit.

(Beifall des Abg. Tobias B. Bacherle [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Ein weiteres Beispiel: Wir sind vor 20 Jahren aus Bündnissolidarität nach Afghanistan gegangen. Danach sind wir mitgelaufen – jedes Ressort für sich, ohne einen gemeinsamen Plan, ohne ein gemeinsames Ziel. Wiederholen wir diesen Fehler in Syrien, richten wir wieder Schaden an, statt an konstruktiven Lösungen mitzuarbeiten.

Was muss also passieren? Wir müssen weiterhin in der Lage sein, flexibel auf die dynamische Konfliktlage zu reagieren. Wir müssen weiterhin die Ziele der vielen verschiedenen Akteure im Blick behalten. Aber zuallererst müssen wir auch in Zukunft der Bevölkerung in ganz Syrien zuhören und sie unterstützen.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der Abg. Derya Türk-Nachbaur [SPD] und Knut Gerschau [FDP])

Wir müssen den Weg weitergehen, den unsere Außenministerin eingeschlagen hat. Das waren nur zwei Beispiele, die zeigen, wie wichtig dieser Bericht ist und welche Wirkung er entfalten kann.

Erlauben Sie mir zum Schluss ein paar letzte Worte. Die aktuelle Lage in Afghanistan ist katastrophal. Mehr als eine halbe Million Kinder leiden unter einer Hungersnot. Mehr als die Hälfte der Bevölkerung ist zum Überleben auf humanitäre Hilfe angewiesen. Frauen, Mädchen und marginalisierte Gruppen werden systematisch entrechtet und entmenschlicht. Es ist unsere Pflicht, zu handeln und weiterhin zu unterstützen.

Vielen Dank.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)

Personen

Dokumente

Automatisch erkannte Entitäten beta

Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7629231
Wahlperiode 20
Sitzung 211
Tagesordnungspunkt Bericht d. Enquete-Kommission Lehren aus Afghanistan
00:00
00:00
00:00
00:00
Keine
Automatisch erkannte Entitäten beta