Susanne HierlCDU/CSU - Bericht d. Enquete-Kommission Lehren aus Afghanistan
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Mitglieder der Enquete-Kommission! Am 5. Juli 2022 wurde die Enquete-Kommission „Lehren aus Afghanistan für das künftige vernetzte Engagement Deutschlands“ eingesetzt. Die Aufgabe dieser Kommission war die umfassende Analyse des 20 Jahre dauernden Afghanistan-Einsatzes, um daraus Schlüsse für künftige Auslandseinsätze der Bundeswehr und unser internationales Krisenmanagement zu ziehen.
In der ersten Phase haben wir den Einsatz in Afghanistan analysiert und an diesem Beispiel die Wirkungen des vernetzten Ansatzes beleuchtet. Diese Phase haben wir mit dem Zwischenbericht am 23. Februar 2024 abgeschlossen. Das Ergebnis war – das haben wir heute schon gehört – die Bescheinigung eines strategischen Scheiterns, jedoch sicherlich nicht der Einsatzkräfte.
In der zweiten Phase haben wir in die Zukunft geblickt, um die erarbeiteten Erkenntnisse für zukünftige Auslandseinsätze zu nutzen und um Fehler nicht zu wiederholen. Wir haben 72 Empfehlungen für verschiedenste Bereiche – von der Kommunikation bis hin zur Unterrichtung des Parlaments – erarbeitet. Wichtig ist mir, hier festzuhalten: Der Afghanistan-Einsatz war zwar der Aufhänger für die Enquete-Kommission, er wird aber nicht die Blaupause für den nächsten Einsatz sein. Auch ist durch unsere Arbeit keine Checkliste entstanden, die man einfach abhaken kann, damit beim nächsten Einsatz alles richtig läuft.
Was auch – insbesondere nach der Veröffentlichung des Zwischenberichts – deutlich wurde, ist, dass wir die öffentliche Wertschätzung und Unterstützung für die Einsatzkräfte nicht nur im internationalen Krisenmanagement weiter stärken müssen. Deshalb bin ich sehr dankbar über die Einführung des Veteranentags, der seit letztem Jahr jedes Jahr am 15. Juni begangen wird.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Für mich gehört aber zur Wertschätzung auch dazu – das ist mir persönlich sehr wichtig –, dass wir die Bundeswehr wieder in die Mitte der Gesellschaft rücken, so wie das bei mir im Wahlkreis bei jedem feierlichen Gelöbnis ganz selbstverständlich der Fall ist. Die Bevölkerung kommt gerne mit hin; denn die sind bei uns nämlich öffentlich.
Unsere Arbeit in der Enquete-Kommission war aber auch ein Blick über den Tellerrand hinaus und damit in ihrer Wirkung nicht nur auf internationale Kriseneinsätze beschränkt. Denn nicht nur im Afghanistan-Einsatz gab es eine nur ungenügende Ressortabstimmung. Nach wie vor sind einzelne Ministerien und Behörden zu schlecht abgestimmt, und es fehlt eine zentrale Kontroll- und Entscheidungsinstanz, die unsere Sicherheitspolitik gemeinsam koordiniert. Im Ernstfall brauchen wir eine klare Führung. Die Lösung dieser Probleme in der Ressortabstimmung ist für uns als Union die Schaffung eines nationalen Sicherheitsrates im Bundeskanzleramt.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Knut Gerschau [FDP])
Hier würden alle sicherheitsrelevanten Informationen zentral gebündelt und analysiert werden.
Das ist aus meiner Sicht aber nicht nur relevant für internationale Kriseneinsätze, sondern auch für unsere deutsche Innenpolitik. So können wir im Rahmen eines integrierten sicherheitspolitischen Ansatzes die zahlreichen kleinteiligen Sicherheitsinitiativen bündeln und für eine geordnete strategische Ausrichtung sorgen.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Auch auf kommunaler, Landes- und Bundesebene sehen wir die Probleme der unterschiedlich verteilten Zuständigkeiten. Mit unserer Forderung nach einem nationalen Sicherheitsrat verbessern wir zusätzlich die bisherigen Strukturen in kritischen Bereichen wie Cybersicherheit und Katastrophenschutz und tragen so zu mehr Sicherheit in unserem Land bei. Damit hat die Enquete-Kommission auch Relevanz über die internationalen Kriseneinsätze hinaus. Denn eines führen uns der völkerrechtswidrige Überfall Russlands auf die Ukraine und die weiter anschwellenden Konflikte weltweit vor Augen: Wir müssen den Schwerpunkt wieder auf die Landes- und Bündnisverteidigung richten.
Durch meine Arbeit im Deutschen Bundestag in den letzten drei Jahren habe ich festgestellt, dass es viele Themen gibt, bei denen die Abstimmungen zwischen den Ressorts und mit externen Akteuren unzureichend sind. Auch hier können wir aus der Enquete-Kommission lernen. In Zeiten klammer Kassen und weniger werdender Ressourcen ist es enorm wichtig, Prozesse effizient zu gestalten, um doppelte Strukturen und Bearbeitungen zu vermeiden. Dazu gehört auch eine gute Ressortabstimmung.
Abschließend möchte ich mich bei den mehr als 93 000 Soldatinnen und Soldaten, die in insgesamt 76 Kontingenten zwischen 2001 und 2021 für Deutschland in Afghanistan im Einsatz waren, für ihren Einsatz bedanken.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD, des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Mein Dank gilt auch allen anderen in Afghanistan eingesetzten Personen. Besonders möchte ich zum Schluss erinnern an die Angehörigen und Familien der 59 im Dienst getöteten deutschen Soldaten, der 3 getöteten Polizisten und auch der 4 getöteten Mitarbeiter von Hilfsorganisationen. Ich spreche ihnen aus tiefstem Herzen mein Beileid aus.
Herzlichen Dank.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD, des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7629240 |
Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 211 |
Tagesordnungspunkt | Bericht d. Enquete-Kommission Lehren aus Afghanistan |