Katja AdlerFDP - Sexuelle Gewalt an Kindern, häusliche Gewalt
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Gäste hier auf der Tribüne und draußen an den Bildschirmen! Werte Kolleginnen und Kollegen! Nun stehen wir hier, am Ende der 20. Wahlperiode, um über ein Gesetz zu entscheiden, das nicht weniger bedeutet als den Schutz der Schwächsten in unserer Gesellschaft: unserer Kinder. Dabei geht es um den Kern unserer Verantwortung als Gesetzgeber. Es geht darum, die Würde, die Unversehrtheit und die Zukunft unserer Kinder zu schützen.
Sexuelle Gewalt an Kindern und Jugendlichen ist kein abstraktes Problem. Es sind auch keine bloßen Zahlen in Statistiken, keine Schlagzeilen, die für einen Moment Empörung hervorrufen und dann in Vergessenheit geraten. Es ist ein Problem in der Mitte unserer Gesellschaft. Die aktuellen Zahlen des Bundeskriminalamtes zeigen, wie akut das Problem gegenwärtig ist, wenn die Strafverfolgungsbehörden jährlich über 16 000 Fälle von sexuellem Missbrauch an Kindern registrieren. Im digitalen Raum sieht es mit über 45 000 Fällen von Kinderpornografie im Jahr 2023 noch dramatischer aus.
Hinter jedem einzelnen Fall steht ein grausames Verbrechen, das Leben zerstört – und das jeden Tag und mitten unter uns. Wir hören oft, dass wir als Gesellschaft niemals wegsehen dürfen. Doch zu oft tun wir es. Zu oft fehlen den Betroffenen Anlaufstellen, zu oft scheitert der Kampf gegen Täter an bürokratischen Hürden, an mangelnder Vernetzung der Behörden, an unzureichenden Strukturen.
Mit der gesetzlichen Stärkung der Unabhängigen Beauftragten für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs setzen wir nun ein Zeichen. Es ist ein Meilenstein. Doch wird ein Gesetz allein nicht das Leid der Betroffenen aus der Welt schaffen, nicht morgen und auch nicht übermorgen. Es wird aber die Strukturen stärken, die Kinder schützen. Es wird die Prävention verbessern. Es wird den Betroffenen helfen, schneller Unterstützung zu finden. Wir schulden es den Kindern, die heute noch nicht ahnen, dass sie morgen vielleicht zu Opfern werden. Wir schulden es denen, die ihr Schweigen erst nach Jahren brechen können. Und wir schulden es all jenen, deren Leben unwiederbringlich zerstört wurde.
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Und so wie Missbrauch im familiären Umfeld passiert, so geschehen sexuelle Übergriffe auch im weiteren sozialen Umfeld, wie zum Beispiel im organisierten Sport, egal ob im Leistungs- oder Breitensport. Einige Missbrauchsfälle haben mit dem ehemaligen Wasserspringer Jan Hempel, mit dem Radsportler Robert Wittkuhn oder zuletzt mit den Turnerinnen Tabea Alt und Michelle Timm prominente Gesichter bekommen. Alt und Timm zum Beispiel kritisierten systematischen körperlichen und mentalen Missbrauch.
Schon heute liegt mit Safe Sport ein Handlungsleitfaden zum Schutz von Kindern und Jugendlichen vor Grenzverletzungen, sexualisierter Belästigung und Gewalt im Sport vor. Der Leitfaden definiert klare Verhaltensregeln und Sanktionen, um Missbrauch vorzubeugen und Betroffene zu schützen. Der Safe Sport Code verbietet interpersonale Gewalt in allen Erscheinungsformen.
Auf dieses Know-how kann nun auch die oder der Unabhängige Beauftragte für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs zurückgreifen; denn es wurde im Gesetz verankert. Zur Verbesserung des präventiven Schutzes von Kindern und Jugendlichen vor sexueller Gewalt und Ausbeutung werden zukünftig zudem wissenschaftlich abgesicherte und bundeseinheitliche Angebote, Materialien und Medien erstellt, die die vielfältigen Initiativen des Sports berücksichtigen.
Unsere Kinder zählen auf uns, und hinsichtlich des Gewalthilfegesetzes weise ich darauf hin, dass die FDP-Bundestagsfraktion die Umsetzung der Istanbul-Konvention unterstützt und ein effektives Gewalthilfegesetz fordert, das Schutz vor geschlechtsspezifischer und häuslicher Gewalt gewährleistet. Der vorliegende Gesetzentwurf von SPD und Bündnis 90/Die Grünen hat jedoch einige Unschärfen. Es fehlt eine langfristige Finanzierung. Der Bund stellt nur befristet Mittel bereit. Die langfristige finanzielle Verantwortung wird auf die Länder abgewälzt. Eine klare Lösung zur Sicherstellung der Finanzierung sieht anders aus. Auch hätten wir uns mehr Mut im digitalen Raum gewünscht. Für uns wird die digitale Gewalt zu wenig berücksichtigt.
(Beifall bei der FDP)
Der Gesetzentwurf geht nicht ausreichend auf Hass im Netz, Cyberstalking und digitale Bedrohungen ein, obwohl diese eine immer größere Rolle in unserer, in der Welt der Frauen spielen. Es braucht daher gezielte Maßnahmen gegen digitale Gewalt. Polizei und Justiz benötigen verbindliche Schulungen. Opferschutzmechanismen müssen gestärkt und Täter konsequenter verfolgt werden. Ebenso fehlen Second-Stage-Konzepte. Es gibt keine Maßnahmen, die Frauen nach dem Aufenthalt in einem Frauenhaus dabei unterstützen, in ein eigenständiges Leben überzugehen.
Die FDP-Fraktion hat einen eigenen Antrag eingebracht, der diese Defizite adressiert. Daher weise ich gerne noch einmal auf unsere Idee vom Nikolaustag 2024 hin.
Vielen Dank allen Beteiligten für die gute und konstruktive Zusammenarbeit.
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Das Wort hat der Abgeordnete Thomas Ehrhorn für die AfD-Fraktion.
(Beifall bei der AfD)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7629272 |
Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 211 |
Tagesordnungspunkt | Sexuelle Gewalt an Kindern, häusliche Gewalt |