31.01.2025 | Deutscher Bundestag / 20. WP / Sitzung 211 / Zusatzpunkt 50

Stephan ThomaeFDP - Aktuelle Stunde: Magdeburg und Aschaffenburg - Hintergründe und Konsequenzen

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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Die Anschläge von Magdeburg und von Aschaffenburg können niemanden kalt lassen. An beiden Tatorten starben viele Menschen. Auch Kinder und Jugendliche wurden verletzt.

In Aschaffenburg war es nur dem selbstlosen Einsatz zweier Männer zu verdanken, dass der Täter nicht noch mehr Kinder töten konnte. Einer von ihnen hat vor den Augen seines eigenen Kindes dabei sein Leben lassen müssen, und ein zweiter Mann hat schwere Verletzungen erlitten. In Magdeburg haben viele Menschen sofort richtig reagiert, erste Hilfe geleistet und so wahrscheinlich ebenfalls viele Menschenleben retten können. Deswegen gilt unser Dank den Helferinnen, den Helfern, der Polizei und den Rettungskräften.

(Beifall bei der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU)

Unser Mitgefühl gilt den Opfern und ihren Angehörigen. Niemand kann das unermessliche Leid, das ein solcher Verlust mit sich bringt, in die richtigen Worte fassen.

Und wie immer bei solchen Anschlägen steht dann hier auch wieder die Frage im Zentrum: Hätten diese Taten verhindert werden können?

(Mike Moncsek [AfD]: Ja!)

Wenn zwei Personen – man muss es auch einfach aussprechen – ausländischer Herkunft in Deutschland solche Morde begehen, dann hat das natürlich auch eine migrationspolitische Komponente, die man nicht einfach übergehen darf. Das heißt nicht, dass man Migration und Sicherheit einfach vermengen soll. Es heißt auch nicht, dass man alle Migranten, Flüchtlinge, Ausländer über einen Kamm schert, wenn ein kleiner Teil von ihnen Straftaten begeht. Das muss man unterscheiden und differenzieren, und das tun wir auch.

(Canan Bayram [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie schon! Herr Curio nicht!)

Aber es gibt eben auch Zusammenhänge, über die man sprechen muss und über die man nicht einfach schweigend hinweggehen darf. Deswegen muss man sowohl migrationspolitische als auch sicherheitspolitische Dinge einer Betrachtung unterziehen.

Migrationspolitisch hat gerade die FDP in dieser Wahlperiode eine Kehrtwende einleiten können. Ich kann sagen: Keine Bundesregierung vorher hat so viele Gesetze und Maßnahmen beschlossen und ergriffen, um mehr Ordnung und Kontrolle in die Migration zu bringen.

(Dr. Daniela De Ridder [SPD]: Eben!)

Aber der Schwerpunkt liegt, je nachdem, was man bislang sagen kann, auf einer Komponente, auf die ich jetzt mein Augenmerk legen will, nämlich die eklatanten Probleme bei der Zusammenarbeit der Sicherheitsbehörden in Bund und Ländern.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Nach allem, was man heute sagen kann, gab es kein Erkenntnisproblem. In allen Fällen waren die späteren Täter vorher schon behördlich und polizeilich bekannt. Das Problem lag nicht bei Ermittlungsmöglichkeiten oder Eingriffsbefugnissen.

(Andrea Lindholz [CDU/CSU]: Doch!)

Das hat nichts mit fehlender Vorratsdatenspeicherung, mit der automatischen Gesichtserkennung zu tun, sondern damit, dass vorhandene Erkenntnisse nicht zusammengeführt worden sind und nicht die richtigen Schlüsse daraus gezogen worden sind.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Andrea Lindholz [CDU/CSU]: Leider falsch!)

Ritualhaft schieben sich dann oft Politiker aus Bund und Ländern gegenseitig die Verantwortung zu. Aber mit solchen Schuldzuweisungen schummelt man sich nur an einer ehrlichen Fehleranalyse vorbei. Und was ist die Folge? Die Menschen haben das Gefühl, dass sie kein Vertrauen mehr darin haben können, dass der Staat und dessen Institutionen ihren Kernaufgaben nachkommen.

Das ist ein symptomatischer Befund, wie so oft: Alle sind zuständig, keiner ist verantwortlich. Zu viele Behörden auf Bundes- und Länderebene und die Kommunen fallen sich bei der Erfüllung ihrer Aufgaben gegenseitig in den Arm. Bund und Länder müssen sich deshalb unbedingt Gedanken machen, wie die Sicherheitsarchitektur dieses Landes besser geordnet werden kann, wie die föderale Aufgabenverteilung in Bund und Ländern besser wahrgenommen werden kann.

(Detlef Seif [CDU/CSU]: Das ist ein Massenproblem!)

Meine Damen und Herren, das ist eine große Aufgabe für den nächsten Deutschen Bundestag – keine Aufgabe, die man einfach so mit einem Federstrich erledigen kann.

(Beatrix von Storch [AfD]: Ungefähr so Juni/Juli, kurz vor der Sommerpause, nicht? Wir haben ja Zeit!)

Da muss man immer wieder nacharbeiten, immer wieder aus Fehlern und Erkenntnissen lernen. Diese Arbeit ist wie die Arbeit im Weinberg des Herrn: Sie endet nie. Da geht es immer weiter. Wir haben heute auch gesehen, dass es schwierige Aufgaben sind, dass die Zeit oft davonläuft. Wir arbeiten auch gegen die Zeit in solchen Dingen.

Und oft – das ist für mich auch ein Fazit aus dieser Sitzungswoche und aus dem heutigen Tag – prallen da gesinnungsethische Überlegungen und verantwortungsethische Überlegungen, um es mit den Worten von Max Weber zu sagen, zusammen. Manchmal kann es Gründe geben, bei Gewissensentscheidungen abzuwägen und zu überlegen, was die dahinter liegenden tieferen Verantwortungsaufgaben sind. Nicht immer sind diese Aufgaben sehr leicht zu lösen.

Das ist mein letzter Satz an diesem Pult: Ich habe mich hier oft mit dem Kollegen Lindh auf Lateinisch duelliert. Ich versuche es, nachdem er heute nicht da ist, einmal auf Altgriechisch: Ho bíos brachýs, hē de téchnē makrā, hē de peîra sphalerē, hē de krísis chalepē. – Das Leben ist kurz, die Kunst ist groß, Erfahrungen sind trügerisch und Entscheidungen oft schwierig.

Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD, der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

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Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7629295
Wahlperiode 20
Sitzung 211
Tagesordnungspunkt Aktuelle Stunde: Magdeburg und Aschaffenburg - Hintergründe und Konsequenzen
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