13.03.2025 | Deutscher Bundestag / 20. WP / Sitzung 213 / Tagesordnungspunkt 1, ZP

Friedrich MerzCDU/CSU - Änderung des Grundgesetzes (Artikel 109, 115, 143h)

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Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Bundestagsfraktionen der CDU/CSU und der SPD bringen in dieser Woche einen gemeinsamen Gesetzentwurf zur Änderung des Grundgesetzes ein. Wir wollen einen Weg eröffnen, die Verteidigungsfähigkeit unseres Landes schnell zu erhöhen, den Zivil- und Bevölkerungsschutz zügig auszubauen, die Nachrichtendienste mit ausreichenden Mitteln auszustatten und für diese große nationale Kraftanstrengung auch die wirtschaftlichen Grundlagen zu schaffen.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Meine Damen und Herren, angesichts der nun wirklich in jeder Hinsicht besorgniserregenden Sicherheitslage in Europa und angesichts der immer größer werdenden wirtschaftlichen Herausforderungen in unserem Land dulden weitreichende Entscheidungen und damit auch die von uns vorgeschlagenen Änderungen des Grundgesetzes jetzt keinen Aufschub.

(Beifall bei der CDU/CSU – Dr. Bernd Baumann [AfD]: Eine Woche, dann kommt der neue Bundestag!)

Meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, nun werden wir und werde auch ich persönlich seit einigen Tagen mit dem Vorwurf der Lüge, des Wahlbetrugs konfrontiert.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN, der FDP und der AfD – Stephan Brandner [AfD]: Zu Recht!)

In einzelnen Medien ist von Verrat die Rede.

(Beifall bei Abgeordneten der AfD – Stephan Brandner [AfD]: Lupenrein!)

Meine Damen und Herren, lassen Sie mich dies aufgreifen, weil ich das ernst nehme und weil ich darauf erwidern möchte.

Ich habe heute vor genau vier Monaten, am 13. November des letzten Jahres, an einem sogenannten Wirtschaftsgipfel der „Süddeutschen Zeitung“ hier in Berlin teilgenommen. Ich bin damals gefragt worden, ob denn das Grundgesetz für unveränderbar erklärt würde, und meine Antwort war:

(Dr. Bernd Baumann [AfD]: Das ist doch selbstverständlich!)

„Nein, nur einige Vorschriften des Grundgesetzes sind unveränderbar, über alles andere kann man selbstverständlich reden“.

(Zuruf des Abg. Christian Dürr [FDP])

– Na ja, Herr Dürr, Sie haben sich damals furchtbar aufgeregt darüber, dass ich das gesagt habe. – Und ich will hinzufügen, was ich dann – ich neige nicht dazu, mich häufig selbst zu zitieren, aber an dieser Stelle will ich es doch mal machen – sehr konkret auf die Frage, in welchem Fall man eine Änderung des Grundgesetzes erwägen könnte, gesagt habe. Ich habe damals wörtlich gesagt:

„Ist das Ergebnis, dass wir noch mehr Geld ausgeben für Konsum und Sozialpolitik?“

(Torsten Herbst [FDP]: Das machen Sie ja!)

„Dann ist die Antwort Nein. Ist es wichtig für Investitionen, ist es wichtig für die Lebensgrundlage unserer Kinder? Dann kann die Antwort eine andere sein.“

(Beifall bei der CDU/CSU)

Meine Damen und Herren, das, was wir Ihnen heute hier vorschlagen, ist genau diese andere Antwort. Und genau diesen Weg beschreiten wir jetzt in der geplanten Koalition aus CDU/CSU und SPD.

(Beatrix von Storch [AfD]: Mit dem abgewählten Bundestag! Das ist der Punkt!)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, absoluten Vorrang bei dem, was wir jetzt zu tun haben, hat die Stärkung der Verteidigungsfähigkeit unseres Landes. Ich denke, ich muss die Dringlichkeit dieses Vorhabens hier nicht vertieft erörtern; der Kollege Klingbeil hat einige Daten genannt: die Münchener Sicherheitskonferenz, die Ereignisse im Weißen Haus, der Krieg in der Ukraine. Meine Damen und Herren, die ständigen Angriffe auf unsere Infrastruktur, Drohnenüberflüge über unsere Kasernen, ein hybrider Krieg, der stattfindet, der in den letzten Wochen massiv eskaliert ist, mit Unsicherheiten, die größer sind als je zuvor: Wir müssen jetzt etwas tun, um unsere Verteidigungsfähigkeit deutlich zu erhöhen, und zwar schnell und in großer außen- und sicherheitspolitischer Geschlossenheit.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Ich will es noch etwas präziser sagen: Das Wort „Abschreckung“ muss jetzt schnell und glaubwürdig militärisch unterlegt werden. Jede weitere Verzögerung wäre unverantwortlich.

(Beifall bei der CDU/CSU – Dr. Bernd Baumann [AfD]: Eine Woche, dann kommt der neue Bundestag!)

– Nein, nicht eine Woche, sondern, meine Damen und Herren, jetzt. Sie wissen ganz genau, dass es eben nicht eine Woche, sondern dass es möglicherweise Wochen und Monate dauert, bis ein neuer Bundestag entscheidungsfähig ist.

(Dr. Bernd Baumann [AfD]: Er ist entscheidungsfähig!)

Noch vor den Sommerferien steht ein großer NATO-Gipfel an, in der übernächsten Woche steht der nächste EU-Gipfel an, und die Bundesrepublik Deutschland muss unabhängig von Wahlterminen und unabhängig von der Zusammensetzung des Deutschen Bundestages entscheidungsfähig sein. Deutschland muss verteidigungsfähig werden, und Deutschland muss zurück auf die internationale Bühne als ein handlungsfähiger Partner in Europa, in der NATO und in der Welt.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Nun wissen wir alle, dass diese Entscheidung nicht von allen Menschen in unserem Land geteilt wird und ganz offensichtlich auch nicht hier im Hause.

(Lachen bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Nicht allein im Osten, sondern in ganz Deutschland gibt es zunehmend Zweifel und Fragen nach der politischen Balance in unseren Entscheidungen. Es gibt auch Fragen nach den richtigen Prioritäten. Selbst wenn man diese Zweifel alle auf die Seite stellen würde, alle ignorieren würde – was ich ausdrücklich nicht tue, aber selbst wenn man es tut –, dann bleibt die Frage, wie wir jetzt schnell aus der wirtschaftlichen Wachstumskrise unserer Volkswirtschaft herauskommen, wie wir wieder ein starkes Land werden können, das in der längeren Perspektive alle diese Aufgaben, die wir hier beschreiben, bis hin zu erheblich gesteigerten Ausgaben für die Verteidigung, für die Infrastruktur, für den Klimaschutz aus eigener Kraft und ohne übermäßige Schulden leisten kann.

(Katharina Dröge [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das wollten Sie allein durch Steuersenkungen und Bürokratieabbau schaffen! Das war doch Ihr Wachstumskonzept!)

Diese Frage müssen wir heute beantworten.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Mit der Volkswirtschaft, wie wir Sie gegenwärtig haben, ist diese Aufgabe nicht zu leisten.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Deswegen stehen die Vorschläge aus den genannten Gründen in einem inneren Zusammenhang. Der Aufwuchs der Verteidigungsausgaben auf das Maß, das wir für notwendig erachten, ist genauso wichtig wie die schnelle Wiederherstellung der Wettbewerbsfähigkeit unserer Volkswirtschaft. Wir schlagen Ihnen auch ein neues Sondervermögen für die Infrastruktur und für Investitionen in den Klimaschutz vor. Ich werde darauf gleich noch einmal zu sprechen kommen.

Aber, meine Damen und Herren, diese Vorschläge stehen nicht isoliert im Raum im Sinne von „Wir haben jetzt unbegrenzt Geld zur Verfügung, das wir ausgeben können“, ähnlich wie das möglicherweise frühere Koalitionen getan haben.

(Katharina Dröge [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Mit 500 Milliarden! – Peter Boehringer [AfD]: Genau so ist es!)

Nein, wir haben – dies darf ich, glaube ich, zu den Beratungen in den Sondierungsgesprächen mit den Sozialdemokraten hier sagen – einen Vorschlag auf dem Tisch liegen gehabt von vier namhaften Ökonomen unseres Landes, die die ganze Bandbreite der Wirtschaftswissenschaften in Deutschland abdecken:

(Lachen des Abg. Torsten Herbst [FDP])

Clemens Fuest, Michael Hüther, Moritz Schularick und Jens Südekum.

(Torsten Herbst [FDP]: Die haben sich alle distanziert!)

Meine Damen und Herren, Sie können nicht ernsthaft bestreiten, dass diese vier wirklich die gesamte Bandbreite der Wirtschaftspolitik und der Volkswirtschaftslehre in unserem Lande abbilden.

(Zuruf vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

– Ja, klar, wenn Sie Ihre eigenen hätten, dann hätten die wahrscheinlich nichts anderes gesagt als dies. – Der erste Satz lautet: Der alte Bundestag sollte noch vor Beginn der neuen Legislatur das Sondervermögen Bundeswehr aufstocken und ein weiteres Sondervermögen Infrastruktur danebenstellen.

(Peter Boehringer [AfD]: Juristen waren das nicht, oder? – Dr. Bernd Baumann [AfD]: Es gibt ganz andere Juristen!)

Das sagen uns die vier namhaftesten Ökonomen unseres Landes.

(Dr. Bernd Baumann [AfD]: Nee, nee!)

Wir nehmen im Gegensatz zu einigen von Ihnen diesen Rat außerordentlich ernst, weil er richtig ist.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Sie fügen allerdings hinzu: Geld allein wird das Problem nicht lösen. – Deswegen sprechen wir in den Sondierungsgesprächen und ab heute Nachmittag in den Koalitionsverhandlungen mit den Sozialdemokraten auch über sehr umfassende Reformen unseres Landes, über einige Vorschläge von den genannten Sachverständigen, über einige, die wir hinzufügen.

Ich will nur einige wenige nennen, damit klar ist, worum es geht: Es geht um Investitionen mit privatem Kapital. Es geht um einen wirklichen Rückbau unserer Bürokratie. Es geht um die Umgestaltung des Bürgergeldes hin zu einer neuen Grundsicherung. Es geht um Zuschläge für Mehrarbeit, die steuerfrei sein sollen. Wir wollen eine Aktivrente einführen, damit der Übergang vom Beruf in die Rente erleichtert wird. Wir wollen in eine kapitalgedeckte individuelle Altersvorsorge einsteigen. Und wir wollen schließlich die Wochenarbeitszeit und nicht die Tagesarbeitszeit in den gesetzlichen Regeln verankern.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Ich nenne nur diese wenigen Beispiele – ich könnte weitere hinzufügen –, meine Damen und Herren, damit Ihnen klar ist: Wir wollen hier nicht Geld ausgeben für nichts und wieder nichts,

(Lachen bei Abgeordneten der FDP und des Abg. Dr. Bernd Baumann [AfD])

sondern wir wollen dies in eine umfassende Reformagenda für unser Land eingebettet sehen, und dazu stehen wir ohne jede Einschränkung.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Vielleicht darf ich das auch hinzufügen: Wir hatten in dieser Woche Gelegenheit, mit vier Vertretern der „Initiative für einen handlungsfähigen Staat“ – so nennt sich diese Reformkommission – zu einem Gespräch zusammenzukommen – Vertreter der Sozialdemokraten, Vertreter von uns –, um einmal die 30 Vorschläge zu erörtern, die diese Reformkommission, die unter der Schirmherrschaft des Bundespräsidenten steht, vorlegt. Meine Damen und Herren, darunter sind Vorschläge, die wir außerordentlich ernst nehmen sollten. Das sind Vorschläge für einen modernen Staat, dem wir uns jetzt zuwenden werden und den wir auch in einer zukünftigen Koalition mit den Sozialdemokraten im Blick haben. Das ist die zentrale Aufgabe. Dafür brauchen wir die ökonomischen Grundlagen. Deswegen sorgen wir für beides: die Stärkung unserer Verteidigungsfähigkeit und die Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit unserer Volkswirtschaft.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Lassen Sie mich, meine Damen und Herren, schließlich ein Wort des Dankes an die Fraktion von Bündnis 90/Die Grünen richten.

(Beatrix von Storch [AfD]: Der Kniefall! – Dr. Bernd Baumann [AfD]: Ganz anders als im Wahlkampf!)

– Ich weiß nicht, warum das Zwischenrufe bei Ihnen auslöst. – Wir haben mit den Grünen, darunter deren beiden Fraktionsvorsitzenden, in den letzten zehn, elf Tagen außerordentlich gute, sehr vertrauensvolle Gespräche geführt.

(Dr. Bernd Baumann [AfD]: Grüße von Herrn Söder!)

Ich will mich dafür bedanken, dass wir das tun konnten.

Wir haben die Vorschläge, die wir unterbreitet haben, mit ihnen erörtert. Wir haben ihnen einige darüber hinausgehende, zusätzliche Vorschläge gemacht, etwa dass wir den Begriff der Verteidigung so umfassend verstehen wollen,

(Beatrix von Storch [AfD]: Herr Habeck lacht sich schlapp, Herr Merz!)

dass darunter auch die Unterstützungsleistungen, die Ertüchtigungshilfe für die Ukraine zu verstehen sind. Dazu haben wir einen konkreten Vorschlag gemacht. Wir haben heute einen Änderungsantrag eingebracht, dass wir nicht nur Verteidigungsausgaben, sondern auch Ausgaben des Bundes für den Zivilschutz und den Bevölkerungsschutz einbeziehen, außerdem die Ausgaben für die Nachrichtendienste.

(Stephan Brandner [AfD]: Verfassungsschutz zum Beispiel!)

Meine Damen und Herren, wir sind uns einig – ich hoffe, das gilt nicht nur für uns, sondern auch für die FDP, für die Union ohnehin –, dass wir es dabei belassen wollen, dass die Länder die gleiche Flexibilität bei der Schuldenbremse bekommen wie der Bund. Da ist offensichtlich ein Webfehler bei der Abfassung der Schuldenbremse im Jahr 2011 gemacht worden. Den wollen wir zugunsten der Länder korrigieren.

(Dr. Bernd Baumann [AfD]: Mehr Geld für alle!)

Schließlich – und hier wird es jetzt sehr entscheidend – haben wir, meine Damen und Herren, den Vorschlag ergänzt: Es gibt ein Sondervermögen nicht nur für die Investitionen in die Infrastruktur, sondern auch für Investitionen in den Klimaschutz.

(Lachen bei Abgeordneten der AfD)

Ja, meine Damen und Herren, wir nehmen – anders als offensichtlich die AfD – die Herausforderung der Aufgabe Klimaschutz außerordentlich ernst; denn es möge bitte niemand bestreiten, dass wir hier ein sehr großes Problem gemeinsam zu lösen haben.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD – Dr. Bernd Baumann [AfD]: Der Kniefall! Alle Wahlversprechen gebrochen!)

Deswegen haben wir einen weiteren Satz eingefügt – den Vorschlag kennen Sie seit heute Morgen von uns –, in dem steht, dass aus diesem Sondervermögen für die Infrastruktur und für den Klimaschutz auch Zuführungen in das Sondervermögen des Klima- und Transformationsfonds in Höhe von bis zu 50 Milliarden Euro zulässig sein sollen.

(Dr. Bernd Baumann [AfD]: Das ist ja Wahnsinn! – Peter Boehringer [AfD]: Schreiben Sie das ins Grundgesetz rein, oder was?)

Meine Damen und Herren, das ist in Wahrheit die Reparatur dessen, was Sie in verfassungswidriger Weise in der Ampelkoalition im Sommer 2023 versucht haben.

(Dr. Bernd Baumann [AfD]: Unglaublich!)

Das reparieren wir jetzt mit Ihnen zusammen – wenn Sie es denn wollen –, damit in diesem Klima- und Transformationsfonds auf einer gesicherten verfassungsrechtlichen Grundlage entsprechende Ausgaben für den Klimaschutz möglich sind.

(Peter Boehringer [AfD]: Im Gesetzentwurf steht das nicht drin! Den Änderungsantrag wollen wir mal sehen! – Dr. Bernd Baumann [AfD]: Die gucken alle ganz pikiert! – Zuruf der Abg. Dr. Alice Weidel [AfD])

Meine Damen und Herren von der Grünen-Bundestagsfraktion, das ist ein sehr konkretes Angebot auch an Sie, weil Sie ja völlig zu Recht in den Gesprächen der letzten Tage darauf hingewiesen haben, dass dieses Geld eben auch für den Klimaschutz zur Verfügung stehen muss.

(Peter Boehringer [AfD]: Den Änderungsantrag schreiben direkt die Grünen, oder?)

Lassen Sie mich das einmal zusammenfassen. Wir werden, wenn wir das hier gemeinsam in der nächsten Woche beschließen, nicht nur für die Verteidigungsfähigkeit unseres Landes, nicht nur für die Wettbewerbsfähigkeit unserer Volkswirtschaft, sondern auch für den Klimaschutz einen Sprung nach vorn machen können, der so groß ist, dass er alles in den Schatten stellt,

(Dr. Bernd Baumann [AfD]: Das stellt wirklich alles in den Schatten! Hauptsache Kanzler! „Whatever it takes“!)

was in den letzten drei Jahren möglich wurde, und der das heilt, was Sie in der letzten Wahlperiode nicht hinbekommen haben, weil das Bundesverfassungsgericht Ihnen am 15. November 2023 leider diesen Weg versperrt hat, meine Damen und Herren.

Ich frage einmal die Bundestagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen: Was wollen Sie eigentlich in so kurzer Zeit noch mehr als das, was wir Ihnen in den Gesprächen der letzten Tage vorgeschlagen haben? Was wollen Sie noch mehr?

Damit schließe ich ab, meine Damen und Herren.

(Unruhe beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der FDP und der AfD)

– Gut, dass da zwischen FDP und Grünen erhebliche Unruhe entsteht, das kann ich verstehen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, darf ich um ein bisschen Ruhe bitten, damit wir in der Debatte weiterfahren können? – Danke.

Darf ich abschließend noch einmal auf die Ernsthaftigkeit dieses Bemühens und auf den Kontext zu sprechen kommen, in dem dieses Bemühen steht?

Meine Damen und Herren, der Kollege Klingbeil hat es angesprochen, ich spreche es noch einmal an: Die ganze Welt schaut in diesen Tagen und Wochen auf Deutschland. Wir haben in der Europäischen Union und in der Welt eine Aufgabe, die weit über die Grenzen unseres eigenen Landes und das Wohlbefinden unserer eigenen Bevölkerung hinausgeht.

(Dr. Alice Weidel [AfD]: Wir wollen Herrn Scholz zurück!)

Der Ratspräsident der Europäischen Union ist gestern hier in Berlin gewesen

(Unruhe – Dr. Alice Weidel [AfD]: Herr Scholz, machen Sie es! – Gegenruf von der AfD: Ja, das wird nix! – Stephan Brandner [AfD]: Herr Scholz, übernehmen Sie!)

und hat bei einer Rede vor der Friedrich-Ebert-Stiftung in den höchsten Tönen davon gesprochen, was wir hier möglicherweise gemeinsam auf den Weg bringen können. Der Bundeskanzler war in Brüssel in der letzten Woche, ich war in Brüssel in der letzten Woche. Wir haben beide dasselbe gehört: „Germany is back“ war das, was wir in allen Gesprächen gehört haben.

Jetzt können wir uns über Details streiten, und wir können sicherlich auch im weiteren Gesetzgebungsverfahren heute und morgen noch Änderungen vornehmen.

(Lachen bei Abgeordneten der FDP)

Aber ist Scheitern aus Ihrer Sicht, meine Damen und Herren, eine ernsthafte Option? Ist es eine ernsthafte Option, zu sagen, dass wir diesen eingeschlagenen Weg abrupt beenden,

(Zuruf von der AfD: Gar nicht erst einschlagen!)

alles wieder auf null stellen, wieder von vorn anfangen und möglicherweise wochenlange, monatelange Diskussionen zu führen haben, wie wir denn aus dieser schwierigen Lage herauskommen?

(Dr. Bernd Baumann [AfD]: Ihr persönliches Scheitern! – Peter Boehringer [AfD]: Jetzt kriegen Sie es doch auch in fünf Tagen hin!)

Glauben Sie im Ernst, dass die amerikanische Regierung Ende Juni auf dem NATO-Gipfel in Den Haag dem zustimmen wird, in der NATO alles so weiterzumachen, wenn nicht Deutschland und mit Deutschland zusammen die europäischen NATO-Partner bereit sind, einen neuen Weg im Hinblick auf die Verteidigungsfähigkeit unseres Kontinents einzuschlagen?

(Dr. Bernd Baumann [AfD]: Aber nicht mit so viel Schulden!)

Glaubt ernsthaft irgendjemand von Ihnen, dass wir so weitermachen können angesichts der sich so dramatisch zuspitzenden globalen Lage der letzten Tage und Wochen?

Meine Damen und Herren, wir haben viel gestritten, und ich war immer Teil dieser Auseinandersetzung. Aber ich will Ihnen heute an dieser Stelle mit großer Ernsthaftigkeit sagen: Wir müssen jetzt den Blick nach vorn richten.

(Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das tun wir schon seit langer Zeit! Guten Morgen!)

Wir müssen dieser Verantwortung gerecht werden. Und wir stehen möglicherweise in unserem Land vor der tiefgreifenden historischen Entscheidung, ob wir weiter nach innen schauen wollen, ob wir weiter denen nachgeben wollen, die hier von ganz links und von ganz rechts unsere Demokratie untergraben und diesen Staat infrage stellen,

(Zuruf der Abg. Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

oder ob wir aus der demokratischen Mitte unseres Parlaments heraus die Kraft finden, jetzt eine Entscheidung zu treffen, die uns möglicherweise für Jahre, wenn nicht Jahrzehnte

(Stephan Brandner [AfD]: … ruiniert!)

wieder zurückführt auf einen Kurs der Freiheit, des Friedens, des Wohlstandes und der sozialen Gerechtigkeit.

(Zuruf der Abg. Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Das ist der Vierklang, den wir im Rahmen von 75 Jahren Bundesrepublik Deutschland mit unserem Grundgesetz im letzten Jahr gefeiert haben.

Es ist nicht selbstverständlich, dass unsere Kinder und Enkelkinder auch in 5 Jahren, in 15 Jahren oder in 25 Jahren die Gelegenheit haben, große Jubiläen unserer freiheitlichen Verfassung zu feiern.

(Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wo waren Sie denn?)

Ich möchte, dass wir unseren Beitrag dazu leisten, dass wir angesichts dieser Lage, mit der wir nun konfrontiert sind, jetzt die richtigen Antworten geben, meine Damen und Herren.

Herzlichen Dank für Ihre Geduld.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Als Nächste hat das Wort für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Katharina Dröge.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

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Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7629969
Wahlperiode 20
Sitzung 213
Tagesordnungspunkt Änderung des Grundgesetzes (Artikel 109, 115, 143h)
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