13.03.2025 | Deutscher Bundestag / 20. WP / Sitzung 213 / Tagesordnungspunkt 1, ZP

Katharina DrögeDIE GRÜNEN - Änderung des Grundgesetzes (Artikel 109, 115, 143h)

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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrter Herr Merz, wir haben ja schon öfter miteinander über die Reform der Schuldenbremse diskutiert, in den letzten Jahren einige Male. Am Rednerpult des Deutschen Bundestags habe ich Ihnen am 11. Februar noch einmal den Vorschlag gemacht, dass wir die Schuldenbremse miteinander reformieren könnten. Das war, nachdem Donald Trump zum Präsidenten der USA gewählt wurde. Das war, nachdem die bisherige Regierungskoalition auseinandergebrochen war. Und Sie wussten: Sie hätten in dieser Zeit mit SPD und Grünen eine Mehrheit gehabt, um das Grundgesetz zu ändern.

Wir haben Ihnen immer wieder unsere Hand ausgestreckt zu einer Zeit, als wir wussten, dass Sie oder wir in Zukunft Verantwortung für dieses Land übernehmen könnten. Es war ein faires Angebot, das wir Ihnen damals gemacht haben, es war ein verantwortungsvolles Angebot, das wir Ihnen damals gemacht haben, und es war ein staatstragendes Angebot, das wir Ihnen damals gemacht haben.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD – Peter Boehringer [AfD]: Schulden sind niemals staatstragend!)

Sie haben sich für einen anderen Weg entschieden. Sie haben dieses Angebot damals mehrfach abgelehnt – aus einem ganz einfachen Grund: Dieser Grund war Parteitaktik, dieser Grund war politisches Kalkül,

(Friedrich Merz [CDU/CSU]: Nein!)

und dieser Grund war Wahlkampf. Denn Sie waren noch nie in der Lage, die Interessen dieses Landes an die erste Stelle zu stellen und nicht Ihre eigenen. Und das unterscheidet uns von Ihnen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP – Zuruf von der AfD: Sehr gut!)

Ich kann Ihnen sagen: Ich wusste, dass wir diese Debatte hier im Deutschen Bundestag noch einmal miteinander führen würden. Ich habe darauf gewettet, dass Sie hier vor dem Deutschen Bundestag stehen würden und sagen würden: Ich habe neue Erkenntnisse. Die Weltlage ist eine andere. Auf einmal sehe ich ein, dass die Schuldenbremse reformiert werden muss – zufällig zu dem Zeitpunkt, wo ich selber Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland werden möchte.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP – Heiterkeit bei Abgeordneten der FDP und des Abg. Dr. Bernd Baumann [AfD])

Darauf habe ich gewettet. Es ist nur ein kleines bisschen schneller gekommen, als ich bei meiner Wette gedacht hätte.

(Stephan Brandner [AfD]: Was haben Sie denn gewonnen?)

Sie haben sich gerade hierhingestellt und haben gesagt, für das Wirtschaftswachstum in diesem Land wäre es notwendig, kreditfinanzierte Investitionen zu tätigen. Ich sage Ihnen: Ja, für das Wirtschaftswachstum in diesem Land war es auch in den letzten Jahren notwendig, kreditfinanzierte Investitionen zu tätigen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Wir haben eine schwierige wirtschaftspolitische Zeit gehabt. Dieses Land war immer knapp in der Rezession, immer knapp um das Nullwachstum herum. Wenn Sie selber das glauben, was Sie hier gesagt haben, warum haben Sie nicht früher gehandelt? Es sind Unternehmen, deren Gewinne darunter gelitten haben, dass Sie sich geweigert haben, zu handeln.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Es sind Menschen in diesem Land, deren Arbeitsplätze auf dem Spiel standen, weil Sie sich geweigert haben, zu handeln. Das alles nur aus Parteitaktik, Herr Merz?

Es war ein Plan, der vorbereitet war. Es war ein Drehbuch, das geschrieben war. Es war vorbereitet durch Ihre Ministerpräsidenten; das war doch klar. Von Hendrik Wüst über Daniel Günther bis zu Kai Wegner haben die Ministerpräsidenten doch den Weg dafür vorbereitet, dass die Union jetzt hier stehen kann und sagen kann: Wir haben uns umentschieden. Wir werden das Ganze miteinander machen. – Wir müssen erkennen und die Bürgerinnen und Bürger müssen erkennen, dass das Ihr Politikprinzip ist: nicht immer ehrlich zu sein, nicht immer zu sagen, was Sie planen. Und wenn Sie sich jetzt fragen, warum die Gespräche zwischen uns und Ihnen gerade so laufen, wie sie laufen, dann sagen wir Ihnen: weil wir uns nicht auf Ihr Wort verlassen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP)

Vielmehr werden wir nur über das entscheiden, was an der Stelle im Grundgesetz steht. Wir prüfen den Gesetzestext an jeder Stelle.

Jetzt sage ich dir, Lars: Du hast dich gerade hierhingestellt und hast gesagt, Zusätzlichkeit sei euch wichtig, Zusätzlichkeit, damit es am Ende nicht ein Sondervermögen ist, finanziert mit 500 Milliarden Euro, mit der Überschrift „Für die Infrastruktur unseres Landes“, das dann aber eigentlich genutzt wird, um Steuersenkungen in Höhe von 40 bis 60 Milliarden Euro – zufällig ungefähr die gleiche Summe, auf die man sich jährlich auch für das Sondervermögen geeinigt hat – aus dem Bundeshaushalt zu finanzieren.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Du und auch Sie haben uns gesagt, dass diese Zusätzlichkeit Ihnen wichtig sei. Jetzt haben Sie in einem eigentümlichen Akt verhandlungstaktischer Raffinesse – oder wie Sie das auch nennen wollen – einen Vorschlag an den Haushaltsausschuss des Deutschen Bundestages geschickt.

(Friedrich Merz [CDU/CSU]: Nein, hierhin!)

Ich habe mir den gerade angeschaut: Das Wort „Zusätzlichkeit“ steht da nicht drin.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Das Wort „Zusätzlichkeit“ schreiben Sie weiterhin nicht ins Grundgesetz.

(Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: So ist es!)

Wer es ernst meinen würde, dass dieses Geld für Investitionen ist, die dieses Land so dringend braucht, wer es ernst meinen würde, dass das Geld für Investitionen in die Wirtschaft und in den Klimaschutz wäre, der hätte kein Problem damit, das Wort „Zusätzlichkeit“ ins Grundgesetz zu schreiben.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP und der Abg. Anke Domscheit-Berg [Die Linke])

Aber Sie haben ja ganz offensichtlich ein Problem damit, weil auch in Ihrem Gesetzentwurf das Wort „Zusätzlichkeit“ nicht drinsteht.

Wer von uns die Zustimmung für Hunderte von Milliarden Euro für Investitionen in dieses Land haben will, der muss damit rechnen, dass wir darauf schauen, dass das Geld auch wirklich in die Infrastruktur dieses Landes gesteckt wird und nicht in Steuersenkungen.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Denn, Herr Merz, wenn Sie das machen, dann – das sage ich Ihnen ganz ehrlich – sind Sie bei der Linkspartei, dann können Sie die Schuldenbremse auch abschaffen.

(Zuruf des Abg. Friedrich Merz [CDU/CSU])

Wenn Sie Kredite für Konsumausgaben aufnehmen, dann braucht es die Schuldenbremse nicht mehr.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der FDP sowie der Abg. Dr. Daniela De Ridder [SPD])

Das ist dann also der ordnungspolitische Vorschlag, den Sie hier an dieser Stelle machen.

Das Zweite, auch Eigentümliche an dieser Stelle ist die Haltung: Für Klimaschutz sollen die Grünen kämpfen. – Auch das ist ja einigermaßen offensichtlich gewesen. Sie haben einen Vorschlag gemacht für eine Grundgesetzänderung, in dem „Klimaschutz“ nicht vorkam. An sich eigentlich schon traurig genug, ehrlich gesagt – das geht auch an die Kolleginnen und Kollegen von der SPD –,

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

dass man dieses Wort nicht einmal mitdenkt, dass die Zukunft unserer Kinder immer noch der Job einer einzigen Fraktion im Deutschen Bundestag sein soll.

(Saskia Esken [SPD]: Oh!)

Als wäre die Zukunft unserer Kinder ein Privatproblem von Bündnis 90/Die Grünen!

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Sie alle haben auch Kinder. Sie alle haben auch Familien. Sie alle haben auch den Anspruch, dass dieser Planet in Zukunft ein lebenswerter ist. Machen Sie das nicht immer zu unserem Privatproblem! Machen Sie es nicht immer zu unserer Aufgabe, das in jedes Ihrer Gesetze hineinzuverhandeln!

Ich sage Ihnen: Wir nehmen den Job wahr. Ich sage Ihnen: Ich verhandle es bis zum Ende, dass Klimaschutz in diesem Land eine Rolle spielt, die angemessen ist. Aber das heißt nicht: Klimaschutz „in name only“. Und das heißt auch nicht: wieder tricksen. Wir haben gerade gelernt, was ihr mit dem Infrastruktursondervermögen macht, was Infrastruktur „in name only“ ist. Und wenn euer Angebot an uns jetzt wieder ist, dass ihr die Milliarden aus dem einen Sondervermögen in das andere Sondervermögen verschiebt und dann Milliarden aus dem Bundeshaushalt in das eine Sondervermögen und dann wieder in das andere Sondervermögen verschiebt und am Ende kein einziger Euro für mehr Klimaschutz dabei rauskommt, dann ist das ein Angebot, das nicht funktioniert.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Denn wir messen Ihre Politik an der Realität. Das ist auch etwas, wofür wir hier sind. Wenn Sie unsere Stimme haben wollen für etwas, das wir in der Sache richtig finden sollen, dann messen wir es an der Realität.

Dann kommen wir mal zur Realität. Ja, die außenpolitische und die sicherheitspolitische Lage ist herausfordernd, ist gefährlich, und sie erfordert deshalb Handeln. An dieser Stelle auch einmal ein Wort an die Kolleginnen und Kollegen von den Linken: Dass man heute überhaupt die Debatte hier im Deutschen Bundestag darüber führen muss, ob man jetzt noch handelt, anstatt es in Zukunft einfach zu machen, das liegt daran, dass Sie Ihrer Verantwortung an dieser Stelle nicht gerecht werden.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP)

Wir brauchen Die Linke als eine demokratische Partei, die sagt: Sicherheit bedeutet, das Überleben der Ukraine zu sichern. Sicherheit und Frieden bedeuten, dass man ein Land, das von einem Aggressor angegriffen wird, in die Lage versetzt, sich selbst zu verteidigen, sich selbst zu schützen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP – Zuruf des Abg. Peter Boehringer [AfD])

Das ist wahre Friedenspolitik! Friedenspolitik heißt nicht, das Opfer hilflos dem Aggressor zu überlassen. Das wäre am Ende das Gegenteil von Frieden; das wäre ein Leben in Unterdrückung und Unfreiheit, und das kann niemand wollen.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN, der CDU/CSU und der FDP)

Deswegen müssen wir handeln. Deswegen ist es so wichtig, dass der Deutsche Bundestag jetzt handelt. Wir haben die ganze Zeit gesagt: Wir übernehmen Verantwortung. Wir sind jederzeit zu Gesprächen bereit, über dieses Thema auch schnell, und wir sind auch bereit, uns mit Ihnen auf eine Reform der Schuldenbremse zu verständigen. Dieses Angebot steht, und dieses Angebot stand die ganze Zeit. Aber wenn Sie sich am Ende so entscheiden, dass Sie sich mit uns nicht auf eine vernünftige Reform der Schuldenbremse einigen können, wenn Sie das in ein Paket packen mit den Sicherheitsausgaben dieses Landes, dann spielen Sie mit der Sicherheit unseres Landes.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP)

Es ist eine willkürliche Entscheidung, diese Grundgesetzänderungen in ein Paket zu packen. Sie haben keinen sachlichen Zusammenhang. Es besteht keine Notwendigkeit, diese beiden Grundgesetzänderungen gleichzeitig zu beschließen, außer dass Sie sich offensichtlich gegenseitig nicht trauen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP)

Wenn Sie darauf vertrauen würden, dass die zweite Grundgesetzänderung nach der Konstituierung des neuen Bundestags genauso zuverlässig beschlossen würde wie die erste, dann könnten wir hier miteinander sagen: Wir handeln in zwei Geschwindigkeiten: Das, was dringlich ist, beschließen wir sofort, und das, was notwendig ist, behandeln wir mit der gebotenen Sorgfalt und beschließen es mit einer vernünftigen, demokratischen Einigung.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP)

Das ist unser Angebot an Sie an dieser Stelle. Wenn Sie das anders machen, spielen Sie mit der Sicherheit unseres Landes. Dann tragen Sie die Verantwortung dafür, dass wir mit Blick auf unsere Sicherheit nicht das Notwendige tun. Sie haben eine andere Wahl!

(Anhaltender Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Beifall bei Abgeordneten der FDP)

Als Nächster hat jetzt das Wort für die FDP-Fraktion Christian Dürr.

(Beifall bei der FDP)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7629970
Wahlperiode 20
Sitzung 213
Tagesordnungspunkt Änderung des Grundgesetzes (Artikel 109, 115, 143h)
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