13.03.2025 | Deutscher Bundestag / 20. WP / Sitzung 213 / Tagesordnungspunkt 1, ZP

Felix BanaszakDIE GRÜNEN - Änderung des Grundgesetzes (Artikel 109, 115, 143h)

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Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich teile sehr explizit den Wunsch und die Hoffnung von Frau Schwesig, dass es uns gelingt, am Ende ein Gesamtpaket zu schnüren, das für alle zustimmungsfähig ist. Aber, Frau Schwesig, ich will mit einem Missverständnis aufräumen. Sie haben gerade davon gesprochen, dass es dafür notwendig ist, Emotionen hinter sich zu lassen. Ich sage das in aller Deutlichkeit: Sie glauben gar nicht, wie egal mir ist, was Markus Söder die letzten Monate gemacht hat. Sie glauben gar nicht, wie egal es Frau Haßelmann ist, auf welchem Weg man versucht, sie zu erreichen. Ob das jetzt klug ist oder nicht, mögen andere beurteilen; aber es ist so unfassbar unwichtig.

Aber wo ich Emotionen habe, ist, wenn ich mich frage, in welcher Welt meine Tochter eigentlich mal groß werden wird: ob Rechtsextreme und ihre Verbündeten im In- und Ausland ganze Landstriche dominieren werden oder es der demokratischen Mitte dieses Landes gelingt, diesen Raum wieder zurückzugewinnen, ob sie in einem permanenten Zustand globaler Unordnung oder Neuordnung aufwachsen muss und ihre Ziele erreichen muss oder ob es gelingt, eine Weltordnung zu erhalten, die nicht auf dem Recht des Stärkeren, sondern auf der Stärke des Rechts beruht, ob meine Tochter in einer Welt groß werden wird, in der die Extremwetterereignisse nicht mehr in dem Rhythmus der letzten Jahre, sondern noch häufiger passieren und dadurch Lebensgrundlagen bedroht und Freiheitsrechte in einer Form eingeschränkt werden, dass die Verteilungskämpfe noch weiter zunehmen. Das sind die Emotionen, die ich habe. Das sind die Emotionen, die wir haben.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Deswegen bin ich fast beruhigt, dass Herr Merz gerade gesagt hat, dass die Klimakrise ein wichtiges Anliegen ist – so wichtig, dass in der Präsentation der Sondierungsergebnisse kein Wort dazu verloren wurde, bis es eine Nachfrage dazu gab, so wichtig, dass in dem Sondierungspapier in einem Absatz steht, dass man die Klimaziele weiter einhalten möchte, ohne einen Hinweis darauf, wie das funktionieren kann. Der Modus der Kleinen Koalition ist die Fortsetzung der Großen Koalition von damals: Man beschließt schöne Ziele, legt die Füße auf den Tisch und guckt, was passiert. – Das ist ja toll, dass Sie den Klimaschutz so ernst nehmen!

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zuruf des Abg. Andreas Mattfeldt [CDU/CSU])

Und Sie nehmen ihn sogar so ernst, dass in diesem Gemischtwarenladen – das ist ein 500-Milliarden-Euro-Blankoscheck – wirklich alles vorkommt, was in diesem Land gemacht werden könnte, außer Klimaschutz.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Jetzt kann man sich ja fragen: Könnte das vielleicht Kalkül gewesen sein, um den Grünen hinterher noch etwas rüberzureichen? Oder das ist ein Hinweis darauf, was für eine antiökologische Koalition in den nächsten Jahren droht und dass von Ihnen keine Initiative für Klimaschutz ausgehen wird und dass alles, was in diesem Land an Klimaschutz erreicht werden soll, von der Opposition erzwungen werden muss. Das ist der Modus, der sich andeutet.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Und dabei geht es ja tatsächlich um sehr viel.

Ich war die letzten Tage – ich sage das ganz offen – häufig ziemlich beunruhigt – nicht als Abgeordneter, nicht als Grüner, sondern als Bürger dieses Landes. – Sie lachen jetzt, aber ich stelle es Ihnen gerne dar.

(Andreas Mattfeldt [CDU/CSU]: Tun wir doch gar nicht!)

Nichts von dem, worüber wir heute reden, ist überraschend. Nichts von dem, was Sie heute in Ihren Reden sagen, ist vom Himmel gefallen. Nichts von dem, was für Sie jetzt Anlass ist, um eine Kurskorrektur einzuleiten, die Sie als solche nicht einmal benennen können, weil Ihnen die Größe dazu fehlt, hätte man nicht wissen können. Es hätte gereicht, den Reden von Robert Habeck oder irgendwem aus der grünen Bundestagsfraktion in den letzten vier Jahren mal zuzuhören. Wir haben auf alles hingewiesen. Wir haben gesagt: Es fehlt Geld für die Infrastruktur, für Schulen, für Kitas, für Straßen, für Brücken.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Es fehlt Geld, um dafür zu sorgen, dass die Bahn nicht irgendwann fährt, sondern nach einem Fahrplan, der nicht nur grobe Orientierung bietet, sondern ein verlässlicher Hinweis ist, wann man ankommt.

Wir haben darauf hingewiesen, dass Deutschland eine stärkere Rolle wird einnehmen müssen, für die eigene Sicherheit zu sorgen, und dass es dafür Geld braucht. Donald Trump ist nicht vor einer Woche gewählt worden, sondern am 6. November 2024. Ab dem 6. November des letzten Jahres war klar, dass die Finanzpolitik, die Sie über Jahre propagiert haben, keine Zukunft hat. Das war schon vorher klar, aber spätestens mit dem 6. November hätten Sie staatspolitische Verantwortung übernehmen müssen, hätten Sie die Konsequenz ziehen und die Mehrheit nutzen müssen, die Sie jetzt so dringend brauchen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Deswegen frage ich mich, Herr Merz: Wie konnten Sie sich in so eine Situation manövrieren? Und was bedeutet das eigentlich für die nächsten Jahre? Es war doch klar, dass der Tag kommen würde. Es war doch klar, dass Sie irgendwann auf eine Zweidrittelmehrheit angewiesen sein würden. Und es war auch klar, dass Sie dafür auf die Linksfraktion würden zugehen müssen, der man zu Recht unterstellt, in der Sicherheitspolitik und in der Außenpolitik nicht verlässlich zu sein.

(Zurufe von der Linken)

Gerade deswegen wäre es klug gewesen, die letzten Monate und Jahre zu nutzen, statt diesem Land weiter Unwahrheiten zu erzählen. Das wäre Ihre Verantwortung gewesen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Sie sind sehenden Auges in diese Situation hineingelaufen. Sie sind sehenden Auges in die Sackgasse hineingerannt, in der Sie sich jetzt befinden. Wenn ich höre, was heute von Unions- und SPD-Seite gesagt wird, scheint mir der Ausweg aus der Sackgasse noch nicht ganz klar zu sein. Ich weiß noch nicht genau, wie Sie da wieder herauskommen wollen. Unsere Tür bleibt offen.

(Beifall des Abg. Hubertus Heil [Peine] [SPD])

Das haben wir letzte Woche deutlich gesagt, das haben wir diese Woche deutlich gesagt, und das gilt weiterhin. Aber man muss auch den Weg durch die Tür suchen.

(Karsten Hilse [AfD]: Die Tür ist etwas kleiner geworden!)

Deswegen muss ich als Letztes eins feststellen: Wir haben in den letzten Jahren von Ihnen eine Oppositionspolitik erlebt, die alle Verantwortung, die auch aus der Opposition heraus zu leisten ist, weggewischt hat.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Sie haben sich dafür entschieden, die Ampel lieber scheitern zu sehen, als dem Land zu helfen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD – Zuruf des Abg. Thorsten Frei [CDU/CSU])

Wenn wir darauf hingewiesen haben, zum Beispiel nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum Klima- und Transformationsfonds, dass es eine gemeinsame Verantwortung ist, dafür zu sorgen, dass die Unternehmen eine Perspektive haben, dass die Beschäftigten wissen, dass es für sie eine Zukunft gibt, haben Sie immer gesagt: Das ist nicht unser Job, das müsst ihr alleine machen. – Sie merken heute, wie falsch das war. Deswegen sage ich in aller Deutlichkeit: Wer regieren will, muss auch regieren können.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Lachen des Abg. Dr. Bernd Baumann [AfD] – Dr. Bernd Baumann [AfD]: Das war ja ein Volltreffer!)

Christoph Meyer für die FDP-Fraktion ist der nächste Redner.

(Beifall bei der FDP)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7629981
Wahlperiode 20
Sitzung 213
Tagesordnungspunkt Änderung des Grundgesetzes (Artikel 109, 115, 143h)
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