Franziska HoppermannCDU/CSU - Änderung des Grundgesetzes (Artikel 109, 115, 143h)
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Damen und Herren! Wie schon dargestellt, hat sich unsere Sicherheitslage dramatisch verschärft. Wir sehen uns selbst erheblichen Bedrohungen wie Cyberangriffen, hybrider Kriegsführung und terroristischen Aktivitäten ausgesetzt. Ja, wir wussten schon länger, dass und wie sich die Regierung in den USA verändern wird. Aber diese Szene im Oval Office, in der der amerikanische Präsident und der Vizepräsident vor der Weltöffentlichkeit den Präsidenten eines seit drei Jahren einem barbarischen Angriffskrieg trotzenden Landes demütigen, hat uns alle wirklich zutiefst erschüttert. Wem muss unsere volle Solidarität gelten, wenn nicht ihm?
Das sofortige Aussetzen der US-amerikanischen Unterstützung führte zu vielen zusätzlichen Todesopfern, weil ohne die Aufklärungsdaten nur unzureichend vor den Angriffen aus Russland geschützt und gewarnt werden konnte. Was für ein Segen, dass es diese Unterstützung nun wieder gibt!
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)
Wie oft wurde schon gesagt, dass allein Putin diesen schrecklichen Krieg sofort beenden könnte?
(Stephan Brandner [AfD]: Sehr oft!)
Die Zweifel an seinem wirklichen Willen zum Frieden sind mehr als berechtigt, wie wir gerade auch noch mal hören, kennen wir doch alle die Veröffentlichungen dazu, hören seine Worte auch heute und sehen seine Taten.
Die Szenarien eines russischen Angriffs auf weitere frühere Sowjetrepubliken sind keine Spinnereien. Vielmehr zeigen sie, wie wichtig eine eigene europäische Verteidigungsfähigkeit und damit verbunden ein schlagkräftiger deutscher Anteil sind. Der sich verändernde Fokus der USA auf den asiatischen Raum zeigt, dass der Schutz Europas nicht mehr das Hauptaugenmerk der USA ist, und darauf müssen wir reagieren.
Warum stelle auch ich diese Feststellung noch einmal voran? Nun, auch ich war der festen Überzeugung, dass wir erst Reformen in unserem Land und einen ernsthaften Kassensturz benötigen,
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)
dass wir auch eine Modernisierung unseres Haushaltswesens brauchen, die eine effizientere Mittelverwendung sicherstellt, und dass wir erst nach diesen Bemühungen zu solchen Entscheidungen kommen können, wie wir sie nun vorschlagen und zur Abstimmung stellen.
Wir erleben aber eine sich in den letzten Wochen dramatisch verändernde, zugespitzte Lage. Wir brauchen so schnell wie möglich ein leistungsfähiges Militär und eine funktionsfähige Landes- und Bündnisverteidigung, und wir dürfen hier nicht einen Monat länger mit einer Reaktion warten. Oder, um mit Erlaubnis der Präsidentin Joschka Fischer zu zitieren:
„Ich warne davor, zu glauben, wir hätten noch 5 Minuten Zeit. Haben wir nicht.“
(Beifall bei der CDU/CSU – Zuruf des Abg. Karsten Hilse [AfD])
Mehr als drei Jahrzehnte hat unsere Gesellschaft, haben Deutschland, EU und NATO im Kalten Krieg sehr erfolgreich und glaubhaft eine Politik der militärischen Abschreckung betrieben.
(Karsten Hilse [AfD]: Pure Sozialisten!)
Damals galt, was heute wieder gilt: Wir müssen uns verteidigen können, um uns nicht verteidigen zu müssen.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Deshalb ist die Ausnahme bei den Verteidigungsausgaben oberhalb von 1 Prozent des Bruttoinlandsprodukts richtig. Planungssicherheit und eine langfristig gesicherte Finanzierung sind jetzt wie früher notwendig, um die Bundeswehr zum Zwecke der Landes- und Bündnisverteidigung zu ertüchtigen.
Hinzu kommt, dass dieser Vorschlag und die in der nächsten Woche folgende Entscheidung in Europa und in der ganzen Welt ein derartiges Zeichen von Entschlossenheit und Ernsthaftigkeit der Lage aussenden, dass es schon jetzt enorme Beachtung findet.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Deutschland findet so wieder zu einer Führungsrolle innerhalb Europas zurück. Wir bekommen viel Anerkennung für unsere Entschlossenheit und den Mut zu dieser weitreichenden Entscheidung. Der von CDU/CSU gemachte Vorschlag ist deshalb richtig und wird dem Ernst der Lage sehr gerecht.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Die Ampelkoalition hat mit dem Sondervermögen, das wir übrigens als Opposition damals mit Überzeugung und in staatspolitischer Verantwortung unterstützt haben, eine kurzfristige Übergangslösung gefunden, die nun aber bald an ihr Ende kommt. Wir benötigen zur Stärkung der Bundeswehr jetzt eine langfristig gesicherte und vor allem auch strukturelle Finanzierung des Verteidigungsetats.
Ein vergrößertes Sondervermögen verlagert das Problem nur in die Zukunft.
(Maximilian Mordhorst [FDP]: Neue Schulden!)
Es wird immer zu Definitionsschwierigkeiten kommen, was aus ihm finanziert werden darf und was nicht: Wird die Munitionsbeschaffung den Investitionstiteln zugeordnet oder den Verbrauchstiteln? Wie finanzieren wir zusätzliche Personalkosten und wie die persönliche Ausstattung der Truppe?
Der von Olaf Scholz gewählte Begriff der Zeitenwende beschreibt die an uns gestellte Herausforderung nach wie vor treffend. Aber wir müssen dieser Zeitenwende endlich auch gerecht werden.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Wir wollen den Weg freimachen für die langfristige finanzielle Absicherung der Bundeswehr und für Planungssicherheit auch über mehrere Jahrzehnte. Die Ausnahme bei der Schuldenbremse für die Verteidigung darf aber kein Freibrief für ungezügelte Verschuldung werden.
(Lachen bei Abgeordneten der FDP)
Über Einzelheiten, zum Beispiel darüber, welcher Anteil des Verteidigungshaushalts von der Schuldenbremse freigestellt werden soll, werden wir in den Ausschüssen beraten. Ebenso müssen wir darüber reden, wie wir die Beschaffung für Verteidigung noch schneller und effizienter hinbekommen. Vorschläge dazu gibt es, auch von uns, und hier müssen und werden wir in nächster Zeit weiter arbeiten und besser werden.
Ich finde es gut, dass auch FDP und Grüne eigene Anträge eingebracht haben; denn das zeigt, dass wir uns im Ziel der besseren Verteidigung einig sind. Ich hoffe, dass Sie sich alle, so wie wir im Februar 2022, Ihrer staatspolitischen Verantwortung bewusst sind und wir bei der Lösung zusammenkommen. Denn unabhängig von noch anstehenden Detailfragen gilt doch eines: Je breiter das demokratische Fundament ist, das die vorgeschlagene Grundgesetzänderung und somit die Stärkung unserer Verteidigungsfähigkeit trägt, umso stärker ist das damit verbundene Zeichen nach innen wie nach außen.
Herzlichen Dank.
(Beifall bei der CDU/CSU – Zuruf der Abg. Christine Aschenberg-Dugnus [FDP])
Für Bündnis 90/Die Grünen hat das Wort Andreas Audretsch.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7629984 |
Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 213 |
Tagesordnungspunkt | Änderung des Grundgesetzes (Artikel 109, 115, 143h) |