18.03.2025 | Deutscher Bundestag / 20. WP / Sitzung 214 / Tagesordnungspunkt 1

Franziska BrantnerDIE GRÜNEN - Änderung d. Grundgesetzes (Art. 109, 115, 143h, 87a)

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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Deutschland und Europa befinden sich in einer Zeit großer Herausforderungen. Diese Zeit erfordert Mut, klare Prinzipien und echte Reformen. Kurz nach der Wahl legten Sie, Union und SPD, einen Entwurf vor, der nichts anderes war als Klientelpolitik auf Pump: Steuergeschenke für wenige, finanziert von den vielen, die morgen die Zeche zahlen müssen. Diesen Etikettenschwindel konnten wir Grüne nicht mitgehen. Denn wir übernehmen Verantwortung für die jungen Menschen heute und die kommenden Generationen,

(Dr. Marcus Faber [FDP]: Schulden!)

eben nicht nur beim Klimaschutz, sondern auch bei den Staatsschulden.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Herr Merz, wenn Sie die Rente hier ansprechen, muss ich sagen, dass Ihr Sondierungspapier keinerlei Reformen bei der Rente vorsieht, sondern stattdessen das Wahlgeschenk der Mütterrente für Markus Söder: 5 Milliarden Euro on top per Gießkanne, statt konsequent Altersarmut von Frauen zu bekämpfen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das kritisiert sogar die Junge Union, und zwar mit den richtigen Argumenten. Das wollten Sie auch noch auf Pump machen: doppelter Generationenbetrug, nichts Richtiges für diese Generation und nur Kosten für die nächsten.

Diese Extramilliarden statt Reformen können wir nicht verhindern. Aber wir konnten es wenigstens schwieriger machen, dass Sie diese Wahlgeschenke auch noch über Schulden finanzieren. Deshalb haben wir die Zusätzlichkeit festschreiben lassen, sodass alle Ausgaben aus dem Sondervermögen zusätzliche Investitionen in Infrastruktur, in unsere Wirtschaft und in Klimaschutz sein müssen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir haben zusätzlich 100 Milliarden Euro für den Klima- und Transformationsfonds erreichen können. Damit füllen wir die eigentlich größte Leerstelle in Ihrem Vorschlag, nämlich die beim Klimaschutz. Es ist übrigens interessant, zu sehen, wer alles jetzt auf einmal feststellt, dass seit dem 1. September 2021 das Ziel der Klimaneutralität bis 2045 in Deutschland gilt – ich wiederhole: in Deutschland und nicht bei Bündnis 90/Die Grünen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Also am Geld, liebe zukünftige Regierung, kann der Klimaschutz jetzt nicht mehr scheitern, nur noch an Ihrem politischen Willen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Und daran werden wir Sie auch messen. Wir werden Ihnen keine Ausreden durchgehen lassen. Wir werden unnachgiebig sein. Wir werden alles geben, um den Fortschritt zu verteidigen, den Sie zurückdrehen wollen.

Apropos Fortschritt: Das DIW hat berechnet, dass uns Ihr Sondierungspapier insgesamt 64 Milliarden Euro pro Jahr kosten wird. Davon gehen – hören Sie gut zu! – 43 Prozent an das reichste Zehntel der Bevölkerung. Und nicht genug, 27 Prozent fließen sogar an das reichste 1 Prozent der Bevölkerung.

(Dr. Marcus Faber [FDP]: Und da machen Sie mit!)

Das geht an die Crème de la Crème, während die ärmere Hälfte, also 50 Prozent der Bevölkerung unseres Landes, gerade einmal 20 Prozent von diesen sogenannten Wohltaten abbekommen sollen. Das sind Ihre Pläne für unser Land, und Sie schämen sich noch nicht einmal dafür.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Dr. Marcus Faber [FDP]: Da machen Sie mit!)

Lassen Sie mich auch klar sagen: Solche Steuergeschenke für Menschen mit hohen Einkommen und für Vermögende, das ist ein absolutes No-Go in einer Zeit, in der wir gezwungen sind, so viele neue Schulden aufzunehmen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Dr. Marcus Faber [FDP]: Ihr könnt ja mit Nein stimmen!)

Stattdessen brauchen wir jetzt ein Steuersystem, in dem endlich alle Steuerschlupflöcher gestopft werden, allen voran bei der Erbschaftsteuer, und in dem der Soli nicht einfach versenkt wird.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Denn Gerechtigkeit bei der Finanzierung ist keine Spielwiese für Klientelpolitik, sondern ist wirklich der Grundstein für den Zusammenhalt in unserem Land.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Mit der zweiten Änderung im Bereich Verteidigung haben wir dafür gesorgt, dass unsere Verteidigung umfassend verbessert wird und dass auch Hilfe für die Ukraine ermöglicht wird.

Aber wenn Sie, Herr Merz, Mario Draghi und sein „Whatever it takes“ zitieren, dann muss es doch um wesentlich mehr gehen als nur um Geld, nämlich um den Willen, Europa jetzt strategisch klug voranzubringen. Wenn wir von einer EU unter dem Schutzschirm der USA hin zu einer echten europäischen Verteidigungsunion kommen wollen, dann ist der Weg weit, aber wir müssen ihn jetzt entschlossen angehen. Daran entscheidet sich, ob wir Spielball der Großmächte, der Autokraten werden oder eine selbstbestimmte, demokratische Europäische Union.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Dafür braucht es nicht nur Geld in Deutschland, sondern auch auf europäischer Ebene. Wir müssen gemeinsam in unsere Verteidigung investieren, nicht nur jeder für sich, sondern auch gerne gemeinsam mit europäischen Krediten. Wenn Orbán auf der Bremse steht, dann müssen wir eine Allianz der Freiheit gründen. Herr Merz, das könnte für Sie ein Adenauer-Moment sein.

(Lachen bei Abgeordneten der FDP)

Sie könnten die Chance nutzen, ein neues Kapitel der europäischen Integration zu schreiben. Ich habe aber große Zweifel daran, weil sich die KleiKo bis jetzt auszeichnet durch Kleinmut und Mackertum aus Bayern. Aber vielleicht kriegen Sie die Kurve ja noch.

Ich sage auch klar: Es geht eben nicht nur um Geld, sondern auch um Strukturreformen. Sie haben den Bericht unter der Ägide von Präsident Steinmeier erwähnt. Aber wissen Sie was? Diese Vorschläge sind alle richtig, aber das sind auch dicke Bretter, und die bohrt man nicht mit stumpfen Aschermittwochssprüchen, dafür braucht man wirkliches Handwerksgeschick.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir werden auch darauf achten, dass dieses Geld jetzt wirklich sinnvoll investiert wird – für eine funktionierende Infrastruktur, für unsere Sicherheit, für die Ukraine, für den Klimaschutz. Aus Baden-Württemberg kommend kann ich sagen: Da wird uns die schwäbische Hausfrau durchaus Role Model sein.

(Katja Mast [SPD]: Die schwäbische Unternehmerin auch!)

– Und die schwäbische Unternehmerin genauso. Die sind übrigens häufig identisch.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Und jeder Versuch, unsere hart erkämpften Leitplanken wieder zu umgehen oder sich mit selbstgefälligen Symbolprojekten zu schmücken, der wird unseren Widerstand zu spüren bekommen, und es wird nicht ein leises Murmeln sein, sondern ein lautstarker Alarm.

Meine Damen und Herren der CDU/CSU, vielleicht ist ja die Einigung heute ein Wendepunkt beim Umgang unter Demokraten – von Nürnberg bis ins Sauerland –, dass man vernünftig miteinander umgeht, damit die Trumps und Putins dieser Welt nicht von der Spaltung unseres Landes profitieren. Deswegen hören Sie endlich mit dem Wettlauf mit den Populisten auf, der Ihre Partei schon seit 2015 aushöhlt. Hören Sie auf, nur Spitzenpopulisten zu sein; werden Sie endlich Spitzenverantwortliche.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Und fangen Sie, liebe Union und SPD, Ihre Regierungszeit nicht schlechter gelaunt an, als es die Ampel jemals war. Deutschland ist ein tolles Land. Machen Sie was draus!

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Für die FDP-Fraktion hat das Wort Dr. Marcus Faber.

(Beifall bei der FDP)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7630041
Wahlperiode 20
Sitzung 214
Tagesordnungspunkt Änderung d. Grundgesetzes (Art. 109, 115, 143h, 87a)
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