Otto FrickeFDP - Änderung des Grundgesetzes (Artikel 109, 115, 143h, 87a)
Geschätzte Frau Präsidentin! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Sven-Christian, zu den letzten Worten werde ich gleich auch noch mal etwas sagen. Aber auch von meiner Seite: Dank für die Zusammenarbeit. Wir drei haben das genossen. Ich glaube, die Haushälter haben davon profitiert, und am Ende hat der Bundestag davon profitiert und damit das Land und damit die Bürger, und das ist ja unsere eigentliche Aufgabe.
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Meine Damen und Herren, dies ist auf absehbare Zeit – ich betone: auf absehbare Zeit – die letzte Rede eines FDPlers hier im Deutschen Bundestag. Sie heute zu halten, ist nicht einfach, auch weil heute der neunte Todestag von Guido Westerwelle ist. Aber – und das ist für einen Parlamentarier wichtig – man hat seine Aufgabe, wie wir jetzt sehen, nicht nur bis zur Wahl, sondern bis zum Ende der Legislatur.
Worum geht es heute? Es geht um eine der weitreichendsten Finanzverfassungsänderungen, die die Bundesrepublik Deutschland jemals gehabt hat. Wir werden sehr stark systematisch hineingehen; wir werden eigentlich die Schuldenbremse beenden. Der Kollege Banaszak hat für die Grünen gesagt, er trage heute Schwarz, weil das eine Beerdigung der Schuldenbremse sei. Das ist wenigstens eine ehrliche Antwort. Die hätte ich von der CDU/CSU eigentlich auch erwartet.
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Meine Damen und Herren, es ist außerdem etwas Einmaliges passiert – und jetzt kommt der Jurist in mir –: Artikel 109 Absatz 3 Grundgesetz. Wir greifen sogar mit der Verfassung ultimativ in Länderverfassungen, in Länderregelungen rein und heben sie auf. Das hat es so noch nie gegeben.
Die Frage, wie viele Regelungen das sind, welche kommen, welchen Umfang sie haben werden, konnte übrigens keiner beantworten. Man wusste gar nicht, wie viele Länder das betrifft, man wusste nicht, um welche Regelungen es geht. Und der Bundesrat, dessen Vertreter übrigens jetzt schon wieder weg sind – das ist auch spannend –, hat selbst sogar noch beschlossen und den Haushaltsausschuss aufgefordert, dass bitte nur die Regelungen aufgehoben werden, durch die man am Ende weniger Geld ausgeben könnte, und versucht, auch das im Detail zu regeln. Das zeigt, wie komisch dieses Gesetz gemacht, ich sage immer verballhornend: gebacken worden ist.
Es sind so viele unklare Begriffe in diesem Gesetz. Es ist völlig unklar, wie die jeweiligen Verhältnisse zueinander sind. Es ist unklar, welche Summen es am Ende sein werden. Und selbst auf die Frage, ob getilgt wird, was jetzt an zusätzlicher Verschuldung möglich ist, gibt es keine Antwort, außer die: Es bleibt dem Gesetzgeber überlassen, das in der nächsten Legislatur einfachgesetzlich zu regeln. – So einem Gesetz, so einer Verfassungsänderung kann die FDP doch nicht zustimmen!
(Beifall bei der FDP)
Meine Damen und Herren, Haushälter haben immer dafür gekämpft, die Haushaltsverschuldung gering zu halten.
(Abg. Stephan Brandner [AfD] meldet sich zu einer Zwischenfrage)
– Frau Präsidentin, ich glaube, da gibt es dringende Wünsche bei der AfD. Ich freue mich darüber natürlich sehr.
Herzlichen Dank. Das Präsidium war etwas unaufmerksam. – Würden Sie denn eine Frage oder Bemerkung aus der AfD-Fraktion gestatten?
(Zurufe: Nein!)
Aber sehr gerne, wenn auch noch die Zeit angehalten würde.
Sie haben sich geeinigt.
Ich dachte, ich gebe dem Kollegen Fricke noch die Möglichkeit, seine letzte Redezeit ein bisschen auszukosten und auszubauen.
(Zurufe: Oh!)
Sie haben das gerade selbst angesprochen: auf absehbare Zeit die letzte Rede, auf absehbare Zeit möglicherweise die letzte Zwischenfrage von mir und auf absehbare Zeit gleich der letzte Shakespeare-Abgang. Ich kann es kaum erwarten, Herr Kollege Fricke, was da kommt.
Meine Frage ist eigentlich ganz einfach. Sie haben gerade den Bundesrat angesprochen. Und man glaubt es ja kaum, aber die FDP ist ja in der Bundesrepublik Deutschland noch an zwei Landesregierungen beteiligt, nämlich in Rheinland-Pfalz und in Sachsen-Anhalt, wenn ich das richtig gegoogelt habe. Ich konnte mich gar nicht daran erinnern; ich hoffe mal, das stimmt.
Wir haben ja gleich den Abstimmungsmarathon vor uns. Die FDP hat einen Änderungsantrag vorgelegt. Ich vermute mal – ich will jetzt nicht schwarzmalen –, die Mehrheit wird nicht zustande kommen, sodass am Ende dann die Entscheidung über alle Grundgesetzänderungen ansteht: Ja oder nein? Ich vermute mal: Die FDP wird hier geschlossen abstimmen. Wie wird sich die FDP denn im Bundesrat – Sie haben ihn gerade angesprochen – verhalten, was die Länder Sachsen-Anhalt und Rheinland-Pfalz angeht? Üblicherweise sehen Koalitionsverträge ja vor, dass, wenn ein Koalitionspartner das nicht möchte, man sich als Land im Bundesrat enthält. Also, werden sich die beiden Länder aufgrund des FDP-Verhaltens im Bundesrat enthalten?
Herzlichen Dank, Herr Kollege Brandner, für die Zwischenfrage.
Erstens. Sie haben es vielleicht gemerkt: Shakespeare wird nicht mehr zitiert, seitdem die Ampel zu Ende ist. Seitdem wird Schiller zitiert. Aber das nur als kleiner kultureller Hinweis.
(Heiterkeit und Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Zweitens. Herr Kollege Brandner, ich nehme den Föderalismus sehr ernst. Das heißt, dass ich als Bundestagsabgeordneter keine Vorgaben mache, wie sich Ministerpräsidenten, stellvertretende Ministerpräsidenten oder Minister in einer Regierung verhalten sollen. Ich gehe aber davon aus, dass sich vor dem Hintergrund unseres Wahlprogramms die FDP in den beiden Ländern, in denen sie an der Regierung ist, verantwortungsvoll verhalten wird. Übrigens, wenn es um die Frage geht, ob es auf sie noch ankommt, kann ich nur sagen: Schauen Sie ganz nach links; denn die Landesregierungen mit linker Beteiligung haben schon längst dafür gesorgt, dass es die Zweidrittelmehrheit im Bundesrat geben wird. Da hätte es noch nicht einmal des Pseudoknieses in Bayern bedurft. – Herzlichen Dank!
(Beifall bei der FDP)
Meine Damen und Herren, Haushälter haben immer dafür gekämpft, die Verschuldung unter einem gewissen Deckel zu halten. Dieser Deckel ist jetzt weg. Der ist spätestens weg durch die nach oben offenen Verteidigungsausgaben beim erweiterten Verteidigungsbegriff.
Ich habe manchmal das Gefühl – frei nach Mark Twain –, dass bei der CDU/CSU jetzt das Spiel gespielt wird: Von jetzt an werde ich nur so viel ausgeben, wie ich einnehme – und wenn ich mir das Geld dafür borgen muss. Das scheint im Moment ein wenig der Punkt zu sein.
(Heiterkeit und Beifall bei der FDP)
Meine Damen und Herren, kurzer Ausblick nach vorne: Was wird in den nächsten zwei Jahren passieren? Frau Gräßle hat gesagt: Die Leute freut das. – Ja, natürlich freut die Leute das. Erstens. Es gibt keine Steuererhöhungen. Zweitens. Staatliche Leistungen werden nicht eingeschränkt. Die Zinsen, die Verschuldung? Das zahlen die Leute später, da bin ich im Zweifel gar nicht mehr da, wenn das alles einfällt. – Zwei Jahre lang wird das gut laufen – einigermaßen. Aber währenddessen werden die Bauzinsen hochgehen, die Verzinsung des Bundes wird hochgehen, die Verzinsung der Staatsanleihen von anderen wird hochgehen.
(Beifall bei der FDP)
Und dann werden die anderen Länder in Europa, bei denen die Zinsen schon infolge unserer Ankündigung hochgehen, irgendwann auf europäischer Ebene sagen, ich vermute noch innerhalb dieses Jahres: Oh, wir brauchen mehr Geld, am besten für Verteidigung; ist ja alles notwendig, dann lasst uns mal Eurobonds machen. – Und nachdem man den Kommunen dann Geld gegeben hat, den Ländern Geld gegeben hat, dem Bund Geld gegeben hat, der SPD Geld gegeben hat, den Grünen Geld gegeben hat, wird man über Europa dann auch noch Geld geben. Das ist der Grund. Und das alles macht man nur, damit Herr Merz, der andere mit einem Dienstwagen locken wollte, selbst einen Dienstwagen fahren kann.
(Beifall bei der FDP)
Meine Damen und Herren, ich will zum Schluss noch ganz kurz etwas zum Parlamentarismus sagen. Wir müssen die Gewaltenteilung weiterhin ernst nehmen. Dieses Haus ist die erste Gewalt, und in diesem Haus muss sich der Diskurs darstellen, muss den Bürgerinnen und Bürgern gezeigt werden, worüber diskutiert wird. Wir müssen die Diskussion ernst nehmen, und deswegen – auch wenn das manche jetzt nicht gerne hören – muss ich mich mit allen Meinungen hier auseinandersetzen. Ich muss jede Meinung erst einmal annehmen und dann gegen sie argumentieren. Denn wenn ich von meiner Meinung überzeugt bin, dann werde ich immer sagen: Meine Meinung ist besser und wird vom Bürger verstanden. – Ich muss mich aber mit allen Meinungen auseinandersetzen, egal wie bekloppt, egal wie verrückt die Meinungen auch sind, seien sie von links, seien sie von rechts, seien sie aus der Mitte.
Ich will auch noch etwas zum Haushaltsausschuss sagen. Wir brauchen ihn; Kollege Kindler hat da einfach recht. Es geht um das Königsrecht des Parlaments. Lassen Sie uns das weiter schützen!
Ich ende an der Stelle mit Schiller,
(Stephan Brandner [AfD]: Schiller, ja!)
„Die Braut von Messina“, erster Akt, achter Auftritt: „Das Gesetz ist der Freund des Schwachen.“ Und ich ergänze: Aber ein überschuldeter Staat kann niemals ein Schützer des Schwachen sein. Wir brauchen weiterhin Freiheit in diesem Lande, aber nicht Freiheit von Verantwortung, sondern Freiheit zur Verantwortung.
Herzlichen Dank.
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und bei fraktionslosen Abgeordneten)
Das Wort hat der Kollege Sören Pellmann für die Gruppe Die Linke.
(Beifall bei der Linken)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7630056 |
Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 214 |
Tagesordnungspunkt | Änderung des Grundgesetzes (Artikel 109, 115, 143h, 87a) |