Wiebke EsdarSPD - Änderung des Grundgesetzes (Artikel 109, 115, 143h, 87a)
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ihr müsst an die Kinder denken, an die zukünftigen Generationen: Das ist das Hauptargument, das uns vor allem von konservativer Seite in dieser Debatte begegnet. Ich kann heute mit voller Überzeugung sagen: Ja, wir denken an die Kinder. Meine Hauptmotivation, hier Politik zu machen, ist die, dass mein Sohn und seine Freundinnen und Freunde aus der Kita in Frieden, in Wohlstand und in Freiheit aufwachsen können.
(Beifall bei der SPD)
Diese Motivation ist genau der Grund, warum wir heute eine Grundgesetzänderung vornehmen; denn wir hinterlassen unseren Kindern nicht in erster Linie einen Kontostand, sondern ein Land, in dem es Schulen und Kitas gibt. Da müssen wir die Frage beantworten: Wie zuverlässig ist denn die Betreuung dort, und wie gut kann man dort lernen? Wir bauen für unsere Kinder Straßen und Schienen, wir sorgen für den ÖPNV. Wir müssen auch die Frage beantworten, ob man in Deutschland heute noch über alle Brücken fahren kann und wie pünktlich die Bahn eigentlich kommt.
Damit sind wir bei der großen Frage: Was müssen wir tun, damit unsere Kinder und zukünftige Generationen in Frieden, Freiheit und Wohlstand aufwachsen können? Wir müssen in eine starke Industrie investieren. Wir brauchen starke Sozialsysteme, Wissenschaft und Forschung. Da müssen wir konkret werden bei der Frage, was wir denn tun wollen.
Ich will drei Beispiele nennen: Das eine ist die Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Das kenne ich aus meinem eigenen Lebensalltag, aber auch aus meinem Umfeld. Wenn wir Familien wirksam entlasten wollen – und das müssen wir –, dann brauchen wir eine verlässliche Bildungs- und Betreuungsinfrastruktur. Wir brauchen Kitas und Schulen, die zuverlässig sind. Die Realität in Deutschland ist aber, dass uns 400 000 Kitaplätze fehlen, dass viel zu viele Schulgebäude marode sind und dass es überall an Fach- und Lehrkräften fehlt. Darum ist es richtig, dass wir das Grundgesetz ändern, um mehr Investitionen in die Kita und die Betreuungsinfrastruktur zu ermöglichen.
(Beifall bei der SPD – Zuruf von der FDP)
Das wird sich übrigens auch volkswirtschaftlich auszahlen. Wir haben in keinem anderen Land in Europa eine so hohe Teilzeitquote von Müttern wie in Deutschland. Viele von ihnen sagen, sie würden gerne mehr arbeiten; aber das gehe nicht, weil die Infrastruktur fehlt.
(Beifall bei der SPD sowie der Abg. Susanne Menge [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Ich habe auch noch gut das Gespräch mit einem Vater in Erinnerung, dessen Sohn jetzt fast zehn Jahre ist. Er sprach mich an und sagte, er sorge sich, weil sein Sohn immer noch nicht schwimmen kann, da er noch nie Schwimmunterricht hatte. Die Realität in Deutschland sieht so aus, dass die Zahl der Nichtschwimmer unter den Sechs- bis Zehnjährigen rapide ansteigt und dass in 20 Prozent der Schulen kein Schwimmunterricht angeboten werden kann, weil keine Infrastruktur – sprich: keine Hallenbäder – zur Verfügung steht.
Darum ist es auch richtig, dass wir mit dem Investitionspaket, das wir jetzt beschließen, die Möglichkeit haben werden, auch wieder in die Sanierung von Schwimmbädern zu investieren, damit nicht noch mehr Schwimmbäder schließen müssen. Ich bin der Überzeugung – ich bin selbst Schwimmerin und habe meine Kindheit und meine Jugend im Schwimmverein verbracht –, dass wir etwas gegen die zu hohe Zahl der Badetoten – im letzten Jahr sind über 400 Menschen gestorben, weil sie nicht richtig schwimmen konnten – unternehmen müssen. Alle Kinder verdienen die Chance, Schwimmunterricht zu erhalten und schwimmen zu lernen.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Ich möchte auch noch von Gesprächen aus meinem Wahlkreis Bielefeld berichten, und zwar mit der Reinhard Tweer GmbH und der Eisengiesserei Baumgarte, beides absolute Traditionsunternehmen in Bielefeld mit einer hochqualitativen Stahl- und Eisenproduktion. Die stehen absolut dahinter, dass wir das Ziel der Klimaneutralität erreichen müssen; das wird überhaupt nicht infrage gestellt. Sie stehen voll hinter dem Ausbau von Wasserstoff oder erneuerbaren Energien. Sie sind bereit für alle Innovationen, die es dafür braucht; aber sie müssen international wettbewerbsfähig bleiben.
Das bedeutet: Die Netzentgelte und die Energiekosten müssen sinken, und auch das ermöglichen wir mit diesem Infrastrukturpaket. Auch darum ist es gut, diesem Sondervermögen heute zuzustimmen. Ich bitte alle um Zustimmung – im Sinne unserer Kinder und der zukünftigen Generationen.
Herzlichen Dank.
(Beifall bei der SPD)
Für die CDU/CSU-Fraktion hat nun der Kollege Florian Oßner das Wort.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7630060 |
Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 214 |
Tagesordnungspunkt | Änderung des Grundgesetzes (Artikel 109, 115, 143h, 87a) |